Der finnische Edelstahl-Konzern Outokumpu hat seit der Übernahme der Edelstahlsparte von ThyssenKrupp zwei Drittel der Belegschaft – 4000 Arbeitsplätze – abgebaut. Möglich macht das die IG Metall.
Anfang 2012 stieß ThyssenKrupp-Vorstandsvorsitzender Heinrich Hiesinger, kurz nachdem er seinen Posten antrat, die Edelstahlsparte an den finnischen Konkurrenten Outokumpu ab. Das alte Stahlwerk (Flüssigphase) in Krefeld mit 400 Arbeitsplätzen wurde bis Ende 2013 schrittweise stillgelegt. Der damalige Outokumpu-Nirosta-Arbeitsdirektor Frank Brüggestrat dankte damals den Betriebsräten für „ihre Professionalität und die gute, konstruktive Zusammenarbeit“. Seitdem wird das Unternehmen vom neuen Eigner schrittweise zerschlagen. Inzwischen sind zwei weitere Produktionswerke geschlossen. Im Juni letzten Jahres schloss das Werk in Bochum, vor zwei Wochen das Werk in Düsseldorf-Benrath.
Und immer wieder sorgten die IG Metall und ihre Betriebsräte für die Durchsetzung dieses Arbeitsplatzabbaus. Schon bei der Stilllegung des Bochumer Werks vertrösteten sie die um ihre Jobs besorgten ursprünglich 450 Arbeiter, schürten Illusionen und arbeiteten schließlich einen Sozialplan aus, der den Abbau „sozialverträglich“ durchsetzte.
Nun hat das 140 Jahre alte Kaltwalzwerk in Düsseldorf-Benrath mit zum Schluss noch knapp 400 Beschäftigten seine Produktion eingestellt, ebenfalls mit dem Segen von Gewerkschaft und Betriebsrat. Die Produktion ebenso wie rund 300 Stahlarbeiter sind inzwischen nach Krefeld, dem letzten großen Produktionswerk, verlagert worden.
Die Schließung des Werkes in Benrath sei „ein wichtiger Schritt zur finalen Restrukturierung der europäischen Geschäftstätigkeiten von Outokumpu“, erklärte Oliver Picht, Vorsitzender des Vorstandes der Outokumpu Nirosta GmbH. Die Zusammenlegung der Produktion in Krefeld senke die Produktionskosten. Der Umbruch sei nötig gewesen, um „den Mief der Stahlindustrie loszuwerden“, erklärte Picht. Viel zu lange habe die deutsche Stahlindustrie mit Anpassungen an die Weltmärkte gewartet. Ihm schwebt ein Dienstleistungsunternehmen vor, das den vor allem aus Finnland importierten Edelstahl weiterverarbeitet, veredelt und kundengerecht auch in kleinen Mengen ausliefert. Daher dürften auch die Tage des Standorts im hessischen Dillenburg gezählt sein, wo noch knapp 600 Arbeiter in der Stahlproduktion tätig sind.
Ein Ende des Arbeitsplatzumbaus ist also noch lange nicht in Sicht. Ein Sparprogramm folgt dem anderen. Anfang des Jahres übergab die Geschäftsleitung dem von der IG Metall geführten Konzernbetriebsrat ein Papier, in dem es hieß, dass alle bisherigen Maßnahmen wichtig, „aber nicht ausreichend“ waren. „In Deutschland ... müssen nachhaltige Einsparungen von 50 Millionen Euro pro Jahr erreicht werden.“ Betriebsrat und IG Metall haben umgehend Verhandlungen begonnen, um die Einsparungen zu ermöglichen. Arbeiteten Anfang des Jahres noch mehr als 2400 Beschäftigte für Outokumpu Nirosta in Deutschland, waren es Ende August keine 2100 mehr. Anfang 2018 sollen weniger als 1800 Arbeiter übrigbleiben – vorerst. Denn immer wieder wird der Arbeitsplatzabbau erhöht. Inzwischen kursieren Zahlen, dass im größten verbliebenen Standort in Krefeld von aktuell gut 1200 Beschäftigten weniger als 900 übrigbleiben sollen.
Der Betriebsrat hat Ende August eine Ergänzung zum bestehenden Sozialplan aus dem Jahre 2012 beschlossen, in dem komplizierte Renteneintritts- und Abfindungsregelungen sowie verschiedene Transfermodelle definiert sind. So sollen Arbeiter gedrängt werden, ihren Arbeitsplatz gegen Abfindungen „freiwillig“ aufzugeben. Andere werden aufgefordert, für bis zu sieben Jahre mit Kurzarbeitergeld, Transfergesellschaft und Arbeitslosengeld auf die dann kommende Rente oder Arbeitslosigkeit zu warten. Stets ist die gewerkschaftsnahe PEAG-Transfergesellschaft involviert.
Um zusätzlich Kosten zu senken, diskutieren IG Metall und Betriebsrat auch verschiedene Schichtmodelle und die Einführung einer 32-Stunden-Woche. Diese hatte sich schon bei ihren ehemaligen Kollegen von ThyssenKrupp-Stahl als saftige Lohnsenkung bewährt.
Der angebliche Kündigungsschutz bis 2020, von dem der IGM-Betriebsrat seit 2012 schwärmt, ist so reine Makulatur. Betriebsrat und IG Metall haben es in vier Jahren geschafft, zwei Drittel der Belegschaft, 4000 von 6000 Arbeitsplätzen, „ohne betriebsbedingte Kündigungen“ abzubauen. Wenn der Arbeitsplatzabbau bei Outokumpu in dieser Geschwindigkeit weitergeht, benötigt 2020 niemand mehr Kündigungsschutz.
Der IGM-geführte Betriebsrat setzt alle Maßnahmen durch, weil er die Haltung der Konzernspitze teilt. Outokumpu muss Profite machen, ansonsten sind die Arbeitsplätze in Gefahr. Mit diesem Argument werden die Arbeiter eingeschüchtert und erpresst.
„Picht setzt auf Kooperation mit den Arbeitnehmervertretungen und auf Mitverantwortung“, schrieb Ende August die Westdeutsche Zeitung. „Betriebliche Lösungen sollen nicht von oben diktiert, sondern von den Mitarbeitern in Gruppen selbst erarbeitet werden.“ Die „Mitarbeiter“ sind die IG Metall und ihre Betriebsräte, die in Arbeitsgruppen die Mechanismen und Wortlaute des Arbeitsplatzabbaus und der Lohnsenkungen ausarbeiten.
Die Arbeitsdirektorin Ute Dreher, die über die IG Metall den Posten erhielt, hat die gewerkschaftsnahe Unternehmensberatung „Straub, Halstenberg und Kollegen“, die sich auch „Die Zukunftsmacher“ nennen, engagiert, um die Arbeitsgruppen zu „beraten“. Carmen Halstenberg, eine von drei Geschäftsführern, berichtete den versammelten Betriebsräten, sie kenne persönlich den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden des Bochumer Opel-Werks Rainer Einenkel. Er bereue es sehr, dass er „zum Schluss nicht verhandelt und den Zeitpunkt für Vereinbarungen mit dem Opel-Management verpasst hatte“.
Das Gegenteil ist der Fall. Rainer Einenkel hatte die Opel-Arbeiter so lange auf Verhandlungen mit dem Management vertröstet, bis diese die Werksschließung ungestört vorbereitet hatte. Aber der Hinweis der Unternehmensberaterin ist klar: Verhandelt und stimmt allen Angriffen zu oder die Werke werden geschlossen.
Die letzten vier Jahre der stückweisen Zerschlagung von Outokumpu Nirosta ist ein erneuter Beleg dafür, dass die Belegschaften nicht nur den Konzernen und ihren Eigentümern und Vorständen gegenüberstehen, sondern auch den Gewerkschaften und ihren Betriebsräten.
Die Verwandlung der Gewerkschaften in Unternehmensberatungsagenturen und die Betriebsräte in eine Art Betriebspolizei zur Kontrolle der Arbeiter ist dabei nicht beschränkt auf die IG Metall, sondern ein internationales Phänomen. In jedem Land der Welt, in jeder Branche sind Arbeiter mit den gleichen Problemen konfrontiert.
Die Verwandlung der Gewerkschaften und ihrer Betriebsräte ist auch nicht einfach nur einer „falschen Politik“ oder der zweifellos weit verbreiteten Korruption in den Gewerkschaften geschuldet. Sie hat tiefe objektive Ursachen.
In einem Artikel zur Schließung des Bochumer Werks von Johnson Controls schrieben wir: „Solange der Arbeitsmarkt und die Arbeitsbedingungen weitgehend national geprägt waren, konnten die Gewerkschaften Druck ausüben, um höhere Löhne und soziale Verbesserungen durchzusetzen. Die Globalisierung der Produktion hat Bedingungen geschaffen, unter denen uneingeschränkte, weltweite Konkurrenz vorherrscht. Nun üben die Gewerkschaften nicht mehr Druck auf das Management aus, um Verbesserungen für die Arbeiter zu erreichen, sondern sie erpressen die Arbeiter, um Lohnsenkung und Sozialabbau durchzusetzen und damit die Wettbewerbsbedingungen der Unternehmen zu verbessern.
Es ist notwendig, die Zwangsjacke der Gewerkschaften zu durchbrechen und eine sozialistische Partei aufzubauen, die sich der kapitalistischen Profitlogik widersetzt und die Arbeiterklasse im Kampf gegen Lohnsenkung, Sozialabbau und Kriegsvorbereitungen vereint. Nur auf dieser Grundlage ist auch eine konsequente Durchsetzung betrieblicher Forderungen möglich.“ Wenn jetzt nicht entsprechend gehandelt wird, ist Outokumpu Nirosta in wenigen Jahren Geschichte.