Lufthansa: Milliarden aus der Staatskasse und Abbau von bis zu 18.000 Arbeitsplätzen

Immer mehr Konzerne nutzen die Corona-Pandemie, um seit langem geplante Angriffe auf die Belegschaften durchzuführen. Letzte Woche kündigte der Vorstand der Deutschen Lufthansa AG den Abbau tausender Arbeitsplätze an. Fast alle Bereiche der größten europäischen Luftfahrtgesellschaft sind betroffen. Das Tochter-Unternehmen Germanwings mit zuletzt noch 30 Flugzeugen und 1400 Beschäftigten wird vollständig abgewickelt.

Aufgrund der Reisebeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie ist der weltweite Personenflugverkehr fast vollständig eingebrochen. Rund 700 der 763 Maschinen des Lufthansakonzerns sind stillgelegt. Für 87.000 der insgesamt 135.000 Beschäftigten hat Lufthansa Kurzarbeit angemeldet oder geplant.

Zur Höhe der Staatsbeihilfen der Regierungen in Berlin, Brüssel, Wien und Bern machte der Konzern keine Angaben. Laut Gewerkschaftskreisen soll es sich aber um mehrere Hundert Millionen Euro pro Monat handeln. Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 6. April, es sei von Krediten und Hilfen „von bis zu zehn Milliarden Euro“ die Rede.

Streikende Lufthansa-Flugbegleiterinnen Anfang November 2019 in Frankfurt

Die Lufthansa erwarte, dass es Monate dauern werde, bis die globalen Reisebeschränkungen vollständig aufgehoben sind, und Jahre, bis die weltweite Nachfrage nach Flugreisen wieder dem Vorkrisen-Niveau entspricht, heißt es in der Pressemitteilung des Konzerns vom 7. April. Daher habe der Vorstand „weitreichende Maßnahmen beschlossen, um die Kapazität der Flugbetriebe sowie der Administration längerfristig abzusenken“.

Bei der Lufthansa Airline, der Lufthansa Cityline und bei Eurowings werden Flugzeuge stillgelegt. Auch „die bereits begonnenen Restrukturierungsprogramme bei Austrian Airlines und Brussels Airlines werden durch die Coronakrise nochmals verschärft“, so die Lufthansa. Hier werde genauso wie bei Swiss International Airlines die Flottengröße verkleinert.

Die Welt zitiert einen Unternehmenssprecher mit den Worten, unter dem Strich kürze die Airline etwa zehn Prozent ihrer Gesamtkapazität. Bei der Gesamtflotte von 763 Maschinen würde das den Wegfall von etwa 70 bis 80 Flugzeugen bedeuten. Nach einer Faustregel in der Branche seien mit einem Großraumflugzeug etwa 220 Arbeitsplätze von der Crew bis zum Catering am Boden verbunden, so die Welt. Das wären dann 15.000 bis 18.000 Arbeitsplätze.

Das Tochter-Unternehmen Germanwings stellt den Flugbetrieb ganz ein. Achtzehn Jahre lang war die Linie die wichtigste so genannte Low-Cost-Tochter der Lufthansa, korrekter: Billiglohn-Tochter. Seit gut vier Jahren ist sie keine eigenständige Airline mehr, sondern wurde schrittweise in die Lufthansa-Tochter Eurowings integriert, für die sie zuletzt die innerdeutschen Flüge bediente.

Nun sollen alle bisherigen Partnerairlines von Eurowings unter dieser Marke zusammengefasst werden. Denn bei Eurowings, die in Österreich stationiert ist, liegen die Löhne, Gehälter und Bedingungen durchwegs deutlich unter denjenigen der Lufthansa und selbst denen von Germanwings.

So hat die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (Ufo) im Frühjahr des letzten Jahres gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für die Eurowings-Beschäftigten in Deutschland Tarifverträge abgeschlossen, nach denen Schichten möglich sind, die bis zu 14 Stunden dauern dürfen. Bis zu fünf Mal pro Monat dürfen Dienstpläne geändert werden. Bei Krankheit haben die Beschäftigten Lohn- und Gehaltsverluste, da österreichisches Tarifrecht zur Anwendung kommt.

Die jetzigen Angriffe auf viele Tausend Arbeitsplätze sind nur der Anfang: Denn laut Lufthansa-Vorstand handelt es sich dabei um ein „erstes Restrukturierungspaket“. Das nimmt weitere Angriffe schon vorweg.

Die Gewerkschaften Vereinigung Cockpit (VC) und die Ufo hatten bereits am Montag letzter Woche in einer Pressemitteilung auf das „unanständige Vorgehen bei Germanwings“ aufmerksam gemacht. Sie wussten, was kommen würde, denn die Lufthansa hatte die Unterschriften unter bereits ausgehandelte Tarifverträge für Kurzarbeit verweigert, weil sich darin eine Kündigungsschutzgarantie befand. Die Lufthansa habe bei Germanwings bewusst kein Kurzarbeitergeld beantragt, sondern zahle zunächst volle Löhne weiter, um den Kündigungsschutz zu umgehen. Einen Tag später folgte dann die Ankündigung des Arbeitsplatzabbaus und der Abwicklung von Germanwings.

Nun begann das bekannte, abgekartete Spiel: Der Konzern kündigt Entlassungen an, die Gewerkschaften protestieren dagegen. Kurze Zeit später melden sie als „Erfolg“, dass der geplante Arbeitsplatzabbau „ohne betriebsbedingte Kündigungen“ stattfinde.

Im Falle der Lufthansa teilte der Konzern am Dienstag mit, er verfolge das Ziel, „möglichst vielen“, also nicht allen, „eine Weiterbeschäftigung innerhalb der Lufthansa Group“ anzubieten. Die Gewerkschaften protestierten zahnlos, indem sie eine Online-Petition an den Vorstand starteten. Der Präsident der VC, Markus Wahl, warf Lufthansa-Chef Carsten Spohr vor, er habe die „Gunst der Stunde“ genutzt, um „die Umstrukturierung des Konzerns auf dem Rücken der Mitarbeiter voranzutreiben“.

Die Ufo hatte zu dieser Zeit bereits ihre Bereitschaft angekündigt, genau das gemeinsam mit dem Vorstand zu tun. Ihr Sprecher und früherer Vorsitzender Nicoley Baublies versicherte, kein einziger Flugbegleiter müsse gehen, „wenn klug über kollektive Lösungen nachgedacht und die natürliche Fluktuation genutzt“ werde. Für Verhandlungen stehe man zeitnah zur Verfügung.

Einen Tag später freut sich der neue Ufo-Vorsitzende Daniel Flohr im Interview mit der Jungen Welt über mehr als 11.000 Menschen, die die „Petition für den Erhalt des Flugbetriebs von Germanwings“ unterzeichnet hätten. „Mehr noch: Der Gewerkschaftsprotest habe umgehend dazu geführt, dass betriebsbedingte Kündigungen ausblieben und die Beschäftigten einen Arbeitsplatz behalten sollen.“ Schriftliches liegt allerdings noch nicht vor.

Diese Politik der Gewerkschaften entspringt direkt ihrer prokapitalistischen Haltung. Ufo und VC sind zwar aufgrund der tiefen Frustration über die enge Zusammenarbeit der DGB-Gewerkschaft Verdi mit der Konzernspitze entstanden bzw. gewachsen. Verdi-Funktionärin Christine Behle ist stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns.

Aber VC und Ufo identifizieren sich genauso mit den Interessen des Konzerns wie Verdi. Deutet der Lufthansa-Konzern auch nur an, er sei bereit, mit der Spartengewerkschaft Ufo zu verhandeln, werfen sich deren Vertreter vor ihm in den Staub. Denn ihr wesentliches Ziel besteht darin, vom Vorstand als Gewerkschaft anerkannt zu werden, und nicht einen ernsthaften Kampf gegen diesen zu führen. Organisieren sie Warnstreiks oder andere Kampfmaßnahmen, dann stets nur gegen einzelne Teile des Gesamtkonzerns, um dem Vorstand die Kompensation der Ausfälle durch Streikbrecherarbeit zu erleichtern.

Zuletzt hatten die Germanwings-Flugbegleiter über Silvester und Neujahr für drei Tage gestreikt. Das Ergebnis dieses Warnstreiks war, dass sich die Lufthansa auf Verhandlungen einließ, die Ende Januar mit einer gemeinsamen Absichtserklärung abgeschlossen wurden: Beide Seiten, Vorstand und Ufo, hätten sich auf „einen mehrgliedrigen Prozess zur Lösung des Konflikts geeinigt“, insbesondere den Einstieg in eine „große“ Schlichtung, bis zu deren „endgültigem Abschluss Friedenspflicht bei Lufthansa“ gelte.

Noch am 16. März besprachen Funktionäre von Ufo und anderen Gewerkschaften auf einem „Luftfahrtgipfel“ in Berlin, wie die Konzerne unbeschadet durch die Corona-Krise kommen. „In ungekannter Weise waren sich Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und weitere Branchenvertreter heute einig, dass die schnellen Maßnahmen der Regierung begrüßenswert, aber bei weitem nicht ausreichend sind”, berichtete begeistert Baublies, der für die Ufo-Geschäftsführung teilnahm.

„Berufsgewerkschaften mit detaillierten Branchenkenntnissen können nun ihren Vorteil nutzen und werden dafür kämpfen, dass die besonderen Bedürfnisse der Fliegerei geschützt und die spezifischen Probleme gut gelöst werden”, ergänzte Ufo-Vorsitzender Flohr.

Drei Wochen später gab dann die größte europäische Fluggesellschaft bekannt, wie sie die spezifischen Probleme zu lösen gedenkt: Mit Milliarden Euro aus der Staatskasse und weiteren Milliarden Euro an Einsparungen durch den Abbau von bis zu 18.000 Arbeitsplätzen.

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