Neue Entlassungen bei WISAG am Frankfurter Flughafen

Seit drei Monaten kämpft eine Gruppe von Bodenarbeitern am Frankfurter Flughafen gegen ihre Entlassung durch den Dienstleister WISAG. Mit bisher acht Demonstrationen und Kundgebungen und einem acht Tage währenden Hungerstreik haben sich diese Arbeiter unter dem Motto, „Heute wir – morgen ihr!“ an ihre Kollegen gewandt und ihren Kampf in der Öffentlichkeit bekannt gemacht.

Die Antwort des WISAG-Konzerns, der am Rhein-Main Airport Maschinen abfertigt, besteht in noch brutaleren Entlassungen: Anfang März wurden über 30 weitere langjährige Mitarbeiter, darunter Schwerbehinderte, auf Ende Juni 2021 gekündigt. Dies wurde am 11. März bekannt, als die Arbeiter sich zu einer weiteren Kundgebung vor der Zentrale des WISAG-Konzerns in der Frankfurter Bürostadt Niederrad versammelten.

An dieser Kundgebung wurde auch deutlich, dass der Arbeitskampf weitere Kreise zieht und die Unterstützung weiterer Arbeiter gewinnt, die vor denselben Problemen stehen. „Die Jungs am Flughafen sind sauer darüber, dass wir gekündigt worden sind,“ berichtete Serkan den versammelten Arbeitern. Trotz der angeblich Corona-bedingten Kündigungen herrsche auf dem Rollfeld und in den Frachthallen Hochbetrieb, und die noch verbliebenen WISAG-Kollegen müssten unter großem Stress arbeiten.

Die Kollegen seien gezwungen, mit viel zu kleinen Teams, die zur Hälfte aus unerfahrenen Leiharbeitern bestünden, die extrem harte Arbeit zu stemmen. „Die Geschäftsführung, die unsere Entlassungen unterschrieben hat, sitzt derweil Corona-sicher im Home-Office.“

Am wichtigen Drehkreuz Rhein-Main Airport landen und starten zurzeit zwar Corona-bedingt wenige Passagierflugzeuge, aber der Cargo-Bereich ist voll ausgelastet, da der Transport von Lebensmitteln, Hilfsgütern, Medikamenten, etc. weitergeht. Laut dem Frankfurter Zoll sollen hier im letzten Jahr sechs Milliarden Masken umgeschlagen worden sein. Hier laufen auch die Lieferketten für die Industrie weiter, die in der gesamten Pandemie niemals ganz stillgelegt worden ist.

WISAG müsse dort am Tag 5 bis 6 große Flieger entladen, berichteten die Kollegen. „Warum wurden wir gekündigt?“ fragt Serkan in die Runde. „Seit ein paar Monaten werden dort immer mehr Leiharbeiter eingesetzt.“ Auch für diese sei es schwer, da die Arbeit erfahrene Kräfte benötige.

Die Last werde jetzt oft als sogenannte „Cabin-load“ transportiert, erklärte Riza K., ein weiterer entlassener WISAG-Arbeiter, der WSWS. „Cabin-load“ bedeutet, dass die Kabine eines Passagierflugzeugs mit Kartonkisten, statt mit Passagieren, randvoll angefüllt wird. Die Arbeiter müssen dabei die Kisten einzeln hineinheben, auf den Sitzen verstauen und festzurren. Normale Förderbänder reichen für die Höhe bis zur Passagierkabine nicht aus. Wenn keines der seltenen Spezialbänder zur Hand ist, tragen die Arbeiter die Fracht über Treppen hoch. „Cabinload ist der absolute Wahnsinn“, sagte Riza. „Pro Förderband werden mindestens drei Leute benötigt, und teilweise schleppen sie die Kisten zu Fuß hoch oder runter.“

Auch Riza bestätigte, dass es deutliche Anzeichen für eine wachsende Solidarität gebe. Ihr Kampf gegen Entlassungen sei unter dem Flughafenpersonal zunehmend populär. „Es kommen jeden Tag mehr Kündigungen raus, und den Kollegen geht es wie uns.“ Andere Bodenarbeiter hörten von dem Protest und sympathisierten mit ihm. „WISAG hat manchmal keine Pushback-Fahrer“, und dann weigerten sich andere Teams einzuspringen.

WISAG habe ganz offensichtlich zu wenig Personal. So sei eine Etihad-Maschine 80 Minuten lang nicht vom Fleck gekommen, und WISAG habe bei Fraport um Hilfe angefragt. Obwohl die Fraport-Direktion schon zugesagt habe, habe der Einsatzleiter vor Ort sich mit dem Argument: „Nein, tut mir leid“, geweigert: Erst müsse WISAG seine eigenen Fahrer wiedereinstellen.

WISAG ist nicht der einzige Konzern, der die Corona-Pandemie als Vorwand nutzt, um langjährige Arbeiter willkürlich zu entlassen, ganze Bereiche auszugliedern und das Lohnniveau zu drücken. Auch Lufthansa, Fraport, Airbus und viele weitere Konzerne haben bereits den Abbau von hunderttausenden Stellen angekündigt, und die DGB-Gewerkschaften sind an der Ausarbeitung der Kündigungspläne aktiv beteiligt. Am Flughafen rührt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi keinen Finger für die entlassenen Kollegen.

Dies zeigt sich erneut bei den jüngsten Kündigungen durch WISAG. Unter den Gekündigten befinden sich mehrere Arbeiter, die wegen ihrer Schwerbehinderung besonders geschützt werden müssten. „Aus betriebsbedingten Gründen“ und „im Zuge einer sogenannten Massenentlassung“ werden sie hinausgeworfen.

Vierzig Jahre lang hat Mehmet am Flughafen geschuftet und dabei seine Gesundheit ruiniert. Er hat eine Schwerbehinderung von 50 Prozent. Aber mit einem Federstrich werden alle scheinbaren Sicherheiten – Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat, Integrationsamt etc. – außer Kraft gesetzt.

In seinem Kündigungsschreiben heißt es: „Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß angehört und hat der Kündigung widersprochen (…) Darüber hinaus haben wir die Schwerbehindertenvertretung angehört, die keine Stellungnahme abgegeben hat. Schließlich haben wir die erforderliche Zustimmung des Integrationsamts zu Ihrer Kündigung eingeholt.“

Und zynisch geht es weiter: „Wir weisen Sie der guten Ordnung halber darauf hin, dass sie verpflichtet sind, sich spätestens drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Zudem weisen wir Sie darauf hin, dass Sie eigene Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung entfalten müssen.“

Mehmet sagte: „Ich habe mein Leben lang am Flughafen gearbeitet, habe hier meine Gesundheit ruiniert. Anfangs war es hier ein Traumjob, man dachte, man hat die Arbeit fürs Leben gefunden. Heute habe ich selbst schon Enkelkinder, und auch meine Frau ist behindert. Und von heute auf morgen schmeißt WISAG mich raus.“

Er habe es erlebt, dass die Leute auch krank zur Arbeit gekommen seien, aber WISAG sei bekannt für sein ständiges Knausern und Manipulieren mit den Stundenlisten, um das Maximum aus den Arbeitern herauszuquetschen. Für ihn, Mehmet, sei der Arbeitskampf nun lebenswichtig: „Ich denke, wir müssen als Menschen alle zusammenhalten!“

Auf der Kundgebung betonte Marianne Arens, Bundestagskandidatin der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), in einem Beitrag die Bedeutung des Arbeitskampfs. „Euer Arbeitskampf ist ein Wendepunkt“, sagte sie. „Euer Motto: ‚Heute wir – morgen ihr‘, heißt auch: Morgen werden hunderttausende weitere Arbeiter eurem Beispiel folgen.“

Auch eine Grußbotschaft in türkischer Sprache wurde vorgelesen: Darin verpflichten sich die britischen und türkischen Aktionskomitees für sichere Bildung, den Kampf der WISAG-Arbeiter international bekannt zu machen. Ihre Botschaft endet mit den Worten: „Die Ereignisse bei der WISAG bestätigen die Notwendigkeit für Arbeiter, von den Gewerkschaften unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, um ihre Interessen zu verteidigen.“

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