Frankreich: Ex-Generäle drohen mit Putsch

Am 21. April, dem 60. Jahrestag des Putschversuchs des französischen Militärs in Algier, veröffentlichten 23 ehemalige Generäle auf der neofaschistischen Website Valeurs Actuelles einen offenen Brief an die Regierung. Der Brief stellt eine ungewöhnliche Intervention des Militärs in das politische Leben dar. 150 Jahre nach der Pariser Kommune von 1871 und dem Massaker der Armee an den Kommunarden während der „Blutwoche“ (Semaine sanglante) deutet der Brief in Richtung einer Militärintervention und eines blutigen Bürgerkriegs, der angeblich durch die „Selbstzufriedenheit“ der französischen Bevölkerung provoziert würde.

Der französische Präsident Emmanuel Macron und Generalstabschef François Lecointre inspizieren im Kommandowagen die Truppen vor Beginn der Militärparade am französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli 2020, in Paris (AP Photo/François Mori)

Der Zusammenhang zwischen diesen faschistischen Drohungen und dem Anwachsen des Kampfs der Arbeiterklasse ist offensichtlich. Im Jahr 2019 forderte der ehemalige General Pierre de Villiers angesichts der „Gelbwesten“-Proteste und des Streiks der Bahnarbeiter gegen Rentenkürzungen mehr „Härte“ bei der Polizei-Unterdrückung von Protesten. Während in der Europäischen Union die Wut der Arbeiter über die Politik der Herdenimmunität wächst, die in Europa mehr als eine Million Todesopfer gefordert hat, versucht eine Clique von Offizieren, die Arbeiter einzuschüchtern und die Gefahr von Massenmord heraufzubeschwören.

Die ehemaligen Generäle fordern von Macron und dem Parlament mehr Patriotismus und behaupten: „Frankreich wird von mehreren tödlichen Gefahren bedroht. ... Sie sollten wissen, dass wir bereit sind, Maßnahmen zum Schutz der Nation zu unterstützen.“

Der Brief trieft nur so vor Hass auf die Arbeitervororte sowie vor Angriffen auf Islamismus und postkoloniale Theorien, die als spalterisch verurteilt werden und blutig unterdrückt werden sollten.

Im Einklang mit Macrons geplantem faschistischem Gesetz gegen angeblichen islamischen „Separatismus“ verurteilen sie „die Zersetzung, die durch den Islamismus und die Horden in den Vorstädten zur Abtrennung zahlreicher Teile des Landes und deren Verwandlung in Territorien geführt hat, in denen Dogmen herrschen, die unserer Verfassung widersprechen... Heute sprechen einige von Rassismus, indigenem Nationalismus und dekolonialen Theorien. Doch hinter diesen Begriffen verbirgt sich der Rassenkrieg, den diese hasserfüllten und fanatischen Anhänger wollen.“

Die Intensität und das Ausmaß des Massakers, das die Offiziere schildern, widerlegt jedoch die Behauptung, ihre Pläne richteten sich gegen ein paar postmoderne Akademiker oder ein kleines Netzwerk von Islamisten, die mit Terroranschlägen drohen. Ihre Pläne richten sich vielmehr gegen einen breiteren Aufstand. Als Fazit schreiben sie:

Wenn nichts unternommen wird, dann wird sich die Nachlässigkeit unweigerlich in der ganzen Gesellschaft ausbreiten und schließlich eine Explosion und die Intervention unserer aktiven Kameraden auslösen. Sie werden die gefährliche Aufgabe haben, die Werte unserer Zivilisation und unsere Landsleute auf dem nationalen Territorium zu schützen. Wir erkennen, dass die Zeit des Zögerns vorbei ist, andernfalls wird morgen der Bürgerkrieg dem wachsenden Chaos ein Ende bereiten. Es wird Tausende Tote geben, für die Sie verantwortlich sind.

Die Militärführung fürchtet die wachsende Wut der Arbeiter über das kriminelle Missmanagement der Pandemie durch die herrschende Klasse. Als im letzten November die Lehrer gegen die Öffnung der Schulen inmitten der Pandemie streikten, warnte de Villiers auf Valeurs Actuelles vor den „tiefgreifenden Veränderungen“ und der politischen Krise von internationalem Ausmaß, die er nach der Pandemie befürchtet.

Er erklärte: „Derzeit gibt es nicht nur eine Sicherheitskrise, sondern auch die Pandemie, und das alles inmitten einer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise, in der unsere führenden Politiker kein umfassendes Vertrauen mehr genießen. ... Zusammengenommen sind diese Bedrohungen ein guter Grund, sich für die nahe Zukunft Sorgen zu machen. Ich befürchte, dass sich dieser Unmut geballt entladen könnte... Wir müssen das Undenkbare denken. ... Rechtsstaatlichkeit ist natürlich eine ehrenwerte Sache, aber manchmal muss man auch strategische Überlegungen entwickeln.“

De Villiers gehört zwar nicht zu den Unterzeichnern des Briefs vom 21. April, aber seine Äußerungen zeigen, dass Cliquen innerhalb der Militärführung aktiv daran arbeiten, solche „Überlegungen“ einer Alternative zum Parlamentarismus – d.h. eine Diktatur – zu entwickeln. Das wird offenkundig anhand der Unterzeichner. Der erste von ihnen, General Christian Piquemal von der Fremdenlegion, ein Anhänger der aufgelösten rechtsextremen Gruppe Génération identitaire, wurde im Jahr 2016 bei einer Demonstration gegen Immigranten in Calais verhaftet und aus dem Militär ausgeschlossen, weil er dabei seine Uniform trug.

Ein weiterer Unterzeichner, General Dominique Delawarde, hetzt gegen die Corona-Maßnahmen und behauptet, das Virus sei „nicht so tödlich, wie manche es darstellen“. Zwei weitere Unterzeichner, die Generäle Emmanuel de Richoufftz und Philippe Desrousseaux de Médrano, gehören „bestehenden Familien des französischen Adels“ an, d.h. Aristokratenfamilien, deren Feudalbesitz in Frankreich während der Revolution von 1789 enteignet wurde.

Die Bedeutung dieses Briefs kann nur im internationalen Kontext des Zusammenbruchs der kapitalistischen Demokratie verstanden werden. Zunehmende soziale Ungleichheit, Sparmaßnahmen und imperialistische Kriege in Europa seit der Auflösung der Sowjetunion durch die Stalinisten 1991 haben die Demokratie ausgehöhlt. Jetzt kollabiert sie unter dem Schock der Pandemie. In Schrecken versetzt durch die Wut der Massen setzt die herrschende Klasse auf faschistische Politik, um die immensen Vermögen zu verteidigen, die sie während der Pandemie angehäuft hat.

Dieser Trend beschleunigt sich weltweit. In den USA hatte Trump am 6. Januar versucht, das Kapitol in Washington DC zu besetzen, um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl zu kippen. In Spanien erklärten ehemalige hohe Offiziere angesichts der Streiks für die Einstellung der nicht systemrelevanten Produktion während der Pandemie ihre Sympathie für den Faschismus und riefen zum Mord an „26 Millionen“ Spaniern auf.

In Frankreich wird immer klarer, dass die Kapitalistenklasse die Wahl 2022 benutzen wird, um unabhängig von ihrem Ausgang ein noch autoritäreres Regime einzusetzen. Am 23. April lobte Marine Le Pen, die Vorsitzende des rechtsextremen Rassemblement National, in einer Kolumne in Valeurs Actuelles die faschistischen Generäle und rief sie auf, ihre Kandidatur für 2022 zu unterstützen.

Le Pen wies auf das „Ausmaß der Sorge hin, mit der wir angesichts der zunehmenden Verschlechterung der Lage in unserem Land konfrontiert sind“. Sie fügte hinzu, ihre Sorge „erfordert in einer Demokratie die Suche nach einer politischen Lösung, die von einem Projekt zum Wandel konkretisiert wird, das von den Franzosen in einer Wahl bestätigt werden muss. Das ist der Inhalt meines Wahlkampfs und meiner Kandidatur als Präsidentin der Republik mit dem Ziel einer Regierung der nationalen Einheit.“

Ihre Entscheidung, die Pläne der Generäle für einen tausendfachen Massenmord zu begrüßen, indem sie einen plumpen Versuch unternimmt, ihnen eine Lektion in „Demokratie“ zu erteilen, bestätigt die Tatsache, dass eine „Regierung der nationalen Einheit“ unter Le Pen gewalttätig, reaktionär und blutrünstig wäre. Die derzeitige Regierung, die faschistische Gesetze verabschiedet und deren Corona-Politik zu mehr als 100.000 Toten geführt hat, ist jedoch keine demokratische Alternative zu Le Pen.

Verteidigungsministerin Florence Parly versuchte am Dienstagabend, auf Twitter die ganze Angelegenheit herunterzuspielen: „Der verantwortungslose Aufruf, der in Valeurs Actuelles veröffentlicht wurde, trägt nur die Unterschriften von ehemaligen Militärs, die keine Funktionen mehr in unserem Militär ausüben und nur sich selbst repräsentieren.“

Parly inszenierte sich obendrein als verantwortungsbewusstere Militaristin als Le Pen: „Madame Le Pens Worte sind Ausdruck eines ernsthaften Missverständnisses hinsichtlich der Institution Militär. Das ist bedenklich für jemanden, die Oberbefehlshaberin der Streitkräfte werden will. ... Die Politisierung der Streitkräfte, die Madame Le Pen vorschlägt, würde unser Militär und damit Frankreich schwächen.“

Die Regierung verfolgt eine Durchseuchungspolitik und eine Anti-Islam-Kampagne und schürt damit faschistische Tendenzen im Militär. Dies bestätigt die Warnungen der Parti de l’égalité socialiste während der Wahl 2017: Macron ist keine Alternative zu Le Pen. Die PES hatte zu einem aktiven Boykott des zweiten Wahlgangs und zum Aufbau einer unabhängigen Bewegung in der Arbeiterklasse gegen den Sieger aufgerufen. Die Pandemie verdeutlicht, dass eine solche Bewegung im Weltmaßstab notwendig ist, um gegen Diktatur und die Herdenimmunitätspolitik der herrschenden Klasse zu kämpfen.

Loading