Der Artikel ist eine aktualisierte Version des Berichts, der bereits nach dem Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zur Verlängerung des Einsatzes auf der WSWS veröffentlicht wurde.
Am 20. Mai beschloss der Bundestag die Verlängerung und massive Ausweitung des deutschen Kriegseinsatzes in Mali und in der gesamten Sahelzone.
Der Antrag der Ampel-Koalition, der mit Unterstützung der CDU/CSU verabschiedet wurde, sieht eine Aufstockung der deutschen Beteiligung am UN-Einsatz MINUSMA um 300 Soldaten vor. Mit dem zusätzlichen Personal sollen vor allem auch Aufgaben der französischen Kampftruppen übernommen werden, die voraussichtlich in den nächsten Monaten aus Mali abziehen und in die Nachbarländer verlegt werden.
Die WSWS bezeichnete den vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron am 17. Februar verkündeten Rückzug als „eine Reaktion auf den enormen Widerstand der Bevölkerung gegen den französischen Imperialismus, vor allem nach dem demütigenden Rückzug der Nato aus Afghanistan im letzten Jahr und wiederholten Massakern französischer Truppen und lokaler Milizen, die in der Sahelzone mit stillschweigender Unterstützung Frankreichs aufgebaut wurden“.
Deutschland reagiert nun auf die Beendigung der berüchtigten, von Frankreich geführten „Antiterror“-Missionen „Barkhane“ und „Tabuka“ in Mali, indem es seine eigene Präsenz in dem geostrategisch wichtigen und rohstoffreichen Land verstärkt.
„Die Personalobergrenze steigt von 1100 auf 1400 Soldatinnen und Soldaten, um dem avisierten deutschen Beitrag zum Ausgleich bisher von Frankreich übernommener Fähigkeiten … gerecht zu werden“, heißt es im Antrag der Bundesregierung. Dabei geht es um Sanitätsdienste, Unterstützungskräfte für den Weiterbetrieb des Flugplatzes in Gao, sowie „eine zusätzliche Sicherungskompanie zum Objektschutz“ und „zur Unterstützung der Operationen unserer bodengebundenen Aufklärungskräfte“.
Es wird immer klarer, dass die Regierung hinter dem Rücken der Bevölkerung einen massiven Kampfeinsatz in Mali – und zunehmend im gesamten Sahel – vorbereitet, für den immer mehr Soldaten mobilisiert werden. „Für Phasen der Verlegung sowie im Rahmen von Kontingentwechseln und in Notsituationen“ dürfe „die Personalobergrenze vorübergehend überschritten werden“, heißt es im Mandatstext.
Dabei sei MINUSMA „ermächtigt, alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt zu ergreifen, um den Auftrag … zu erfüllen“. Die „deutsche Beteiligung“ erfolge in Mali, aber für Lufttransport, Luftbetankung und „logistische und sonstige Unterstützung“ gehöre auch der Militärstützpunkt Niamey im Niger „zum Einsatzgebiet“.
Auch die europäischen Polizeimissionen werden auf die ganze Region ausgeweitet. „Eine weitere Säule des deutschen Engagements“ sei „die Unterstützung der Weiterentwicklung“ der „zivilen GSVP-Missionen EUCAP Sahel Mali und EUCAP Sahel Niger“. Deutschland würde sich an diesen mit insgesamt 30 Soldaten beteiligen und „damit die polizeiliche Beteiligung an MINUSMA“ ergänzen.
Zusätzlich wird die EU-Mission EUTM schwerpunktmäßig in den Niger und andere Sahel-Staaten verlegt. Dem entsprechenden Regierungsantrag zufolge sollen bis 300 Bundeswehrsoldaten dabei helfen, die „operativen Fähigkeiten der Sicherheitskräfte von Burkina Faso, Mali, Mauretanien und Niger und der Gemeinsamen Einsatztruppe der G5-Sahel-Staaten“ zu verbessern. Dabei gehe es um „militärische Beratung und Ausbildung, einschließlich einsatzvorbereitender Ausbildung“ und „Begleitung“.
Offiziell begründet wird die Verlagerung von EUTM mit Massakern der malischen Putschregierung im Bündnis mit russischen Kräften. Bamako arbeite „mit russischen Söldnern und Truppen zusammen, die sicher nicht in erster Linie Menschenrechte, Frieden und Sicherheit für die Menschen in Mali zum Ziel haben“, empörte sich die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Agnieszka Brugger, am Freitag im Bundestag. Ende März sei es „in der Kleinstadt Moura in der südlichen Region Mopti zu einem Massaker unter Beteiligung malischer und wahrscheinlich auch russischer Truppen“ gekommen.
Die Behauptung, dass Berlin im Gegensatz zu Moskau Krieg für „Menschenrechte, Frieden und Sicherheit“ führt, ist offensichtlich absurd. Die Massaker werden von den gleichen Kräften begangen, die die Bundeswehr über viele Jahre ausgebildet hat. Darüber hinaus sind die imperialistischen Mächte und ihre Truppen vor Ort die Hauptverantwortlichen für das Chaos und den regelrechten Terror gegen die Zivilbevölkerung.
Gerade Mali ist dafür ein tragisches Beispiel. Das Land wurde durch den Nato-Bombenkrieg gegen Libyen 2011 in den Abgrund gestürzt. Nachdem es im Zuge der Zerstörung Libyens zu einem Zustrom von Waffen und Milizen nach Mali gekommen war, begannen Tuareg-Kämpfer und islamistische Kräfte Anfang 2012 einen Aufstand im Norden des Landes gegen die Zentralregierung in Bamako.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Als die offizielle malische Armee nach heftigen Kämpfen und einem Militärputsch im März 2012 vor dem Kollaps stand, intervenierte die ehemalige Kolonialmacht Frankreich Anfang 2013, um den besonders rohstoffreichen Norden des Landes zu sichern. Die Mission wurde als „Kampf gegen den Terror“ propagiert. In Wirklichkeit war sie Bestandteil eines erneuten Wettlaufs der imperialistischen Mächte um Afrika.
Deutschland war von Anfang an mit von der Partie und unterstützte die französische Intervention – zunächst mit Logistik und Personal. Ende April 2013 begann die Bundeswehr mit der Ausbildung der ersten Soldaten vor Ort. Seitdem wurden die Mandate immer wieder verlängert und ausgeweitet – und mit ihnen auch die Brutalisierung des Kriegs.
Nach imperialistischen Verbrechen – wie dem französischen Luftangriff auf eine Hochzeitsfeier in Bounty Anfang 2021, bei dem 22 Menschen getötet wurden – und zahlreichen Massakern, die unter den Augen der Besatzungstruppen stattfanden, eskalierte die Wut in der Bevölkerung. Im Mai 2021 putschte das Militär erneut, bezeichnenderweise nachdem die malischen Gewerkschaften einen geplanten Generalstreik in der Hauptstadt Bamako abgesagt hatten.
Ein erklärtes Kriegsziel der imperialistischen Mächte ist die Unterdrückung der verarmten Massen in der Region und die Verhinderung ihrer Flucht nach Europa. Der Sahel sei gekennzeichnet durch „eine hohe Instabilität…, verbunden mit einer massiven Zunahme von Flucht und Migration, die auch Europa betreffen kann“, warnt die Regierung in ihrem Mandatstext.
Gleichzeitig geht es um die Verfolgung wirtschaftlicher und geopolitischer Interessen und darum, den Einfluss anderer Mächte – allen voran Russlands – zurückzudrängen. Man passe das deutsche „Engagement der veränderten Realität in Mali an“ und übernehme „auch weiter Verantwortung in der Sahelregion“, erklärte Brugger. „Wir überlassen Russland nicht das Feld, aber senden eine klare Antwort auf die Präsenz russischer Söldner.“
Für die CDU/CSU-Fraktion erklärte die Vorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz: Ein deutscher Abzug würde „nur Russland in die Hände spielen“, das „das Vakuum schwacher und korrupter Staaten ausnutzt, um seine strategische Einflusssphäre in Afrika zu vergrößern.“ Außerdem würde er „den Systemwettbewerb auf dem afrikanischen Kontinent weiter anheizen und eine Spaltung in prowestliche, prorussische oder prochinesische Staaten befördern.“ Das sei nicht in „unserem Interesse“. Die Union werde daher „der Verlängerung des Mandats... zustimmen“.
Wie im Nato-Krieg gegen Russland ist das Auftrumpfen der Bundeswehr in Afrika Bestandteil der Rückkehr des deutschen Imperialismus auf die Weltbühne. Man konzentriere sich eben nicht nur „auf das, was vor unserer eigenen Haustür passiert“, sondern nehme „weiter unsere Verantwortung in der Welt wahr“, verkündete Außenministerin Annalena Baerbock im Verlauf der Bundestagsdebatte. Auch das sei „die Botschaft, die wir mit der Unterstützung dieses MINUSMA-Mandats senden“. Deutschland sei „der größte westliche Truppensteller in Mali“ und ziehe „sich in der Welt nicht zurück“.