Perspektive

SGP legt Verfassungsbeschwerde gegen Kriminalisierung des Marxismus ein

Am 2. Juni hat die Sozialistische Gleichheitspartei beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen ihre Überwachung und Diffamierung durch den Verfassungsschutz eingelegt. Sie reagiert damit auf das skandalöse Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, das ihre Klage gegen den Verfassungsschutz mit einer autoritären Argumentation abgewiesen hat, die direkt an die Sozialistengesetze Bismarcks und das Willensstrafrecht der Nazis anknüpft.

Die Beschwerde der SGP ist von größter politischer Bedeutung, denn Regierung und Gerichte wollen ein Exempel statuieren. Angesichts des Stellvertreterkriegs, den die Bundesregierung auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung gegen Russland führt, der umfassendsten Aufrüstung seit Hitler und heftigen Angriffen auf die Arbeiter durch Inflation, Lohnraub und Massenentlassungen soll jeder mundtot gemacht werden, der gegen diese aggressive Klassenpolitik auftritt oder sie auch nur beim Namen nennt.

Sollte das Bundesverfassungsgericht der Regierung und dem Urteil folgen, wäre das ein Schritt in die Diktatur. Jeder Streik von Arbeitern, jeder Protest gegen die Aufrüstung und jede Demonstration gegen rechts könnten als verfassungsfeindlich verboten werden. Schon jetzt wurde das Urteil gegen die SGP fast wörtlich in einem Gerichtsbeschluss gegen die linke Tageszeitung junge Welt angewandt.

Wir appellieren deshalb an alle, die demokratische Rechte verteidigen und der rechten Gefahr entgegentreten wollen, die Verfassungsbeschwerde der SGP zu unterstützen. Unterzeichnet unsere Petition auf change.org, registriert euch als aktive Unterstützer und verbreitet diese Erklärung unter euren Bekannten und Freunden.

Das Vorgehen gegen die SGP

Die SGP wurde erstmals im Juni 2018 als „linksextremistische Organisation“ im Bundesverfassungsschutzbericht aufgeführt. Die Nennung einer Partei geht mit ihrer geheimdienstlichen Überwachung einher und bedeutet einen fundamentalen Angriff auf ihre demokratischen Rechte. Sie ist die Vorstufe zu einem Verbot.

Dabei wurde der SGP zu keinem Zeitpunkt irgendeine strafbare oder gewaltsame Handlung oder der Aufruf zu solchen Handlungen zur Last gelegt. Bundesregierung und Gerichte haben sogar bestätigt, dass die Partei ihr Ziel, die Mehrheit der Bevölkerung für sozialistische Ideen zu gewinnen, ausschließlich mit legalen Mitteln wie der Teilnahme an Wahlen und dem Abhalten von Veranstaltungen verfolgt. Das Vorgehen gegen die SGP wurde ausschließlich mit ihren sozialistischen Ideen und ihrer Ablehnung von Militarismus und Nationalismus begründet.

Dieser fundamentale Angriff auf die Rechte der Partei ging von rechtsextremen Seilschaften im Staatsapparat aus. Der damalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen ist ein offener Rechtsextremist, der nicht nur den Angriff auf die SGP orchestrierte, sondern auch über linksradikale Kräfte in der SPD schwadronierte, die AfD beriet und Hetzjagden auf Flüchtlinge verteidigte.

Während rechtsextremistische Terrornetzwerke im Staatsapparat von den höchsten Stellen gedeckt werden und die faschistische AfD von allen anderen Parteien hofiert wird, geht der Geheimdienst gegen jeden vor, der sich dem rechten Treiben entgegenstellt. Die SGP ist ins Fadenkreuz dieser rechten Verschwörung geraten, weil sie an der Spitze des Kampfs gegen die Rückkehr des deutschen Militarismus steht und der wachsenden Opposition der Arbeiter eine sozialistische Perspektive gibt.

Als die Bundesregierung 2014 das „Ende der militärischen Zurückhaltung Deutschlands“ verkündete und den antirussischen Putsch in der Ukraine unterstützte, wandte sich die Partei gegen diese Wiederbelebung deutscher Großmachtpolitik und führte eine energische Kampagne gegen die Verharmlosung der Nazi-Verbrechen an den Universitäten, die weit über Deutschland hinaus auf große Resonanz stieß. Die großen Medien entfesselten daraufhin eine beispiellose Verleumdungskampagne gegen die „wirkmächtigen Trotzkisten“ (FAZ). 2018 folgte die Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht.

Die jüngsten Ereignisse bestätigen die Bedeutung des Kampfs der SGP und zeigen, worum es in dem Fall wirklich geht. Deutsche Panzer rollen wieder gegen Russland, die Bundeswehr soll zur drittgrößten Armee auf dem Planeten hochgerüstet, die Kosten dafür auf die Arbeiter abgewälzt und jeder, der sich dem entgegenstellt, zum Schweigen gebracht werden. Die Rückkehr des Militarismus ist mit demokratischen Rechten für die Bevölkerung nicht vereinbar.

Deshalb stellte sich die Bundesregierung vollständig hinter den Verfassungsschutz. Als die SGP gegen ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht Klage erhob, reagierte das Bundesinnenministerium mit einem 56-seitigen Schriftsatz, der kein juristisches Dokument, sondern eine wütende Hetze gegen sozialistische Ideen darstellt und so auch hätte in der Parteizentrale der AfD verfasst werden können. Darin erklärt die Regierung jede Politik für verfassungsfeindlich, die die schreienden Klassengegensätze beim Namen nennt, Armee und Geheimdienste als undemokratisch kritisiert und sich positiv auf Marx, Engels, Lenin oder Trotzki bezieht.

Das Verwaltungsgericht Berlin stellte sich am 13. Dezember 2021 vollständig hinter diese autoritäre Argumentation und ging sogar noch darüber hinaus. Auch das Oberverwaltungsgericht lehnte die Berufung der SGP gegen dieses Urteil am 9. Mai ab und bestätigte die autoritären und obrigkeitsstaatlichen Angriffe auf demokratische Grundrechte. Das Urteil und seine Bestätigung entbehren jeder rechtlichen Grundlage und sind rein politisch motiviert.

Was Regierung und Gerichte verbieten wollen

Regierung und Gerichte reagieren äußerst nervös auf die wachsende Opposition gegen ihren Kriegskurs, gegen ihre „Profite vor Leben“-Politik in der Pandemie, gegen Inflation, Massenentlassungen und die unhaltbaren Zustände in Kliniken und Schulen. Sie wissen, dass die Mehrheit diese Politik ablehnt und fürchten eine soziale Explosion. Sie kehren deshalb zu den dumpfesten Traditionen des Obrigkeitstaates zurück und glauben, diese Opposition einfach verbieten zu können. Die pseudojuristische Rechtfertigung dafür knüpft an die schlimmsten Traditionen der deutschen Geschichte an.

Folgende Positionen erklären Regierung und Gerichte kurzerhand für verfassungsfeindlich:

  • Nach Auffassung der Gerichte darf es in Deutschland keine Partei geben, die sich positiv auf Karl Marx oder Friedrich Engels bezieht. Weil die SGP „keine historischen Betrachtungen anstellt, sondern eine auf den Schriften von Marx, Engels, Trotzki und Lenin fußende politische Agenda verfolgt“, richte sie sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, so das Urteil des Verwaltungsgerichts.
  • Mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei insbesondere das „marxistische Klassendenken sowie eine Propagierung des Klassenkampfes“. Während Arbeiter auf der ganzen Welt gegen die schreiende soziale Ungleichheit, Lohnabbau, Inflation und Massenentlassungen rebellieren, soll jeder, der dies begrüßt und unterstützt, kriminalisiert werden. Nach diesem Maßstab wären nur Parteien legal, die Arbeitskämpfen in den Rücken fallen und sie im Namen der „Sozialpartnerschaft“ unterdrücken.
  • Auch jede „Agitation gegen angeblichen ‚Imperialismus’ und ‚Militarismus’“ und jede „Ablehnung von Nationalstaaten und der Europäischen Union“ sollen auf den Index. Das Verwaltungsgericht erklärte es sogar für verfassungsfeindlich, die Bundeswehr und den Geheimdienst „als undemokratisch und gegen die Bevölkerung gerichtet“ zu „verunglimpfen“.
  • Schließlich soll jeder Zweifel an der demokratischen Legitimität der Staatsorgane kriminalisiert werden. Wenn die SGP erkläre, dass es keine Demokratie ohne Sozialismus und keinen Sozialismus ohne Demokratie geben könne, belege das ein „von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abweichendes Demokratieverständnis“, so das Oberverwaltungsgericht. Damit stempeln Gerichte und Regierung jeden zum Verfassungsfeind, der die Macht der Banken und Konzerne auf die Politik thematisiert oder die Demokratisierung der Wirtschaft fordert.

Diese Verbote würden nicht nur die SGP, sondern zahllose Organisationen und Parteien treffen. Selbst die SPD hatte in ihrem Grundsatzprogramm bis 1989 noch erklärt: „Sozialismus wird nur durch die Demokratie verwirklicht, die Demokratie durch den Sozialismus erfüllt.“ Zudem könnten Buchhändler, die marxistische Literatur verbreiten, Arbeiter, die für höhere Löhne streiken, oder Friedensaktivisten mit einem Federstrich kriminalisiert werden.

Der Gestank des Faschismus

Mit ihrem Verbot von Marxismus und Klassenkampf folgen Regierung und Gerichte der gleichen Argumentation, mit der Bismarck einst seine Sozialistengesetze gegen die SPD begründet hatte. Diese richteten sich gegen jede Organisation, in der „sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische auf den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung gerichtete Bestrebungen in einer den öffentlichen Frieden, insbesondere die Eintracht der Bevölkerungsklassen gefährdenden Weise zu Tage treten“.

Diese staatlich verordnete Klassenharmonie stand auch im Zentrum der „Volksgemeinschaft“ der Nazis. Schon bei der Bücherverbrennung im Mai 1933 hieß es in einem der Feuersprüche: „Gegen Klassenkampf und Materialismus, für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Marx und Kautsky.“

Wie ihre historischen Vorbilder wenden sich Regierung und Gerichte heute nicht nur gegen sozialistische Ideen, sondern gegen die Grundprinzipien einer demokratischen Gesellschaft, die mit ihrer Kriegspolitik und der Plünderung der Arbeiter unvereinbar sind. So erklären sie, dass selbst eine Mehrheit der Bevölkerung die staatlichen Organe nicht grundlegend verändern dürfe, weil diese den „Willen des gesamten Volkes“ repräsentierten. Die Forderung der SGP, neue, wirklich demokratische Organe zu schaffen, sei deshalb verfassungswidrig.

Diese haarsträubende Logik stellt, anders als das Grundgesetz, „den Staat in den Mittelpunkt, und nicht die Menschenwürde“, wie die SGP in der Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde feststellt. Sie folgt der Logik des Faschismus, der die bedingungslose Autorität des Staats über die demokratischen Rechte der Bürger stellt.

Verteidigt die SGP!

Die Rückkehr dieser faschistischen Tradition ist direkt mit der militaristischen Großmachtpolitik der Regierung verbunden. Sie muss im Zusammenhang mit der internationalen Hinwendung zu diktatorischen Herrschaftsformen gesehen werden. In jedem Land setzen die herrschenden Eliten ihr unpopuläres Programm von Krieg und Sozialangriffen immer offener mit autoritären Maßnahmen durch. Der Putschversuch Donald Trumps und die Weigerung der Demokraten, dagegen vorzugehen, zeigt, wie weit dieser Prozess in den USA bereits vorangeschritten ist.

In Deutschland setzt die Bundesregierung mit der rigorosen Flüchtlingspolitik, dem „Profite vor Leben“-Prinzip in der Pandemie und der horrenden Aufrüstung das Programm der faschistischen AfD in die Tat um. Mit der Konzertierten Aktion von Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften schafft sie eine Art Neuauflage der Deutschen Arbeitsfront, die massiven Lohnraub und umfassende Massenentlassungen gegen die Arbeiter durchsetzen soll.

Der Angriff auf die SGP ist Teil dieser Offensive. Er soll verhindern, dass sich Arbeiter in ihren Kämpfen einer sozialistischen Perspektive zuwenden. Die Verteidigung der SGP ist deshalb zentraler Bestandteil des Kampfs gegen Reallohnsenkungen, die Durchseuchungspolitik und vor allem gegen Krieg und die Rückkehr des deutschen Militarismus.

Die demokratischen Grundrechte mussten in diesem Land immer gegen den Obrigkeitsstaat erkämpft werden – und zwar von eben der marxistischen Arbeiterbewegung, die wieder kriminalisiert werden soll. Selbst die beschränkte parlamentarische Ordnung der Weimarer Republik konnte 1919 erst errichtet werden, nachdem die Arbeiter- und Soldatenräte den Kaiser gestürzt hatten. Schließlich waren es nur die Arbeiterparteien, die gegen Hitlers Ermächtigung stimmten. Insbesondere die Trotzkisten vertraten damals eine Perspektive der Einheitsfront, die in der Lage gewesen wäre, die Nazis zu stoppen.

Auch heute hängt die Verteidigung der demokratischen Grundrechte von einer breiten Mobilisierung ab. Wir appellieren deshalb noch einmal an alle, die demokratische Rechte verteidigen und der rechten Gefahr entgegentreten wollen, die Verfassungsbeschwerde der SGP zu unterstützen. Unterzeichnet unsere Petition auf change.org, registriert euch als aktiver Unterstützer und verbreitet diese Erklärung unter euren Bekannten und Freunden.

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