Perspektive

US-Notenbank: Rezession aus Klasseninteresse

Am Donnerstag letzter Woche meldete das US-Handelsministerium, dass die Wirtschaftsleistung das zweite Quartal in Folge gesunken ist und sich die USA somit in einer „technischen Rezession“ befinden.

Schon werden erste Entlassungen gemeldet, die sich bei einem anhaltenden Konjunktureinbruch zu einer riesigen Welle auszuwachsen drohen. Allein im Technologiesektor wurden im Juli mehr als 30.000 Beschäftigte nach Hause geschickt. Letzte Woche kündigte Ford 8.000 Entlassungen an und läutete damit ein weiteres Arbeitsplatzmassaker in der Autoindustrie ein.

Angesichts der Fülle an Wirtschaftsdaten, die durch die Medien schwirren, muss man sich stets vergegenwärtigen, dass diese Zahlen ein abstrakter Ausdruck tiefer liegender gesellschaftlicher Kräfte und damit verbundener Interessen sind. Die „Wirtschaft“ ist kein neutraler Mechanismus, sondern beruht auf gesellschaftlichen Beziehungen und ist Ausdruck davon. Eine solche Herangehensweise empfiehlt sich insbesondere im Umgang mit den jüngsten Wirtschaftsdaten.

In den Medien und in Finanzkreisen ist eine Debatte darüber entbrannt, ob es sich bei der „technischen Rezession“ – definiert als zwei aufeinander folgende Quartale, in denen die Wirtschaftsleistung zurückgeht – um eine echte Rezession handelt oder nicht.

Aber in Wirklichkeit geht es nicht um eine abstrakte Definition, sondern um handfeste Klasseninteressen. Das gilt vor allem für die Politik der US-Notenbank (Fed), der wichtigsten Finanzinstitution des kapitalistischen Staats.

Die Politik der Fed wird in mystifizierenden Ausdrücken beschrieben, die ihre wahren Absichten verschleiern. Damit soll der Anschein erweckt werden, die Zentralbank stehe über den Klasseninteressen und reguliere das Wirtschaftsleben im Interesse der Gesamtbevölkerung.

Lässt man das Wortgeklingel beiseite, ergibt sich folgendes Bild der Lage: Die Zentralbank, die Hüterin der Interessen der Konzerne und des Finanzkapitals, bringt Maßnahmen auf den Weg, um eine deutliche Verlangsamung der Konjunktur und, wenn nötig, eine starke Schrumpfung der Wirtschaftsleistung herbeizuführen. Auf diese Weise sollen die Lohnforderungen der Arbeiterklasse unterbunden werden, die angesichts der höchsten Inflation seit 40 Jahren zu erwarten sind.

Um diesen Angriff zu bewerkstelligen, verwendet die Fed den Mechanismus höherer Zinssätze. Im Namen der Inflationsbekämpfung wird der Leitzins so stark angehoben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Doch Zinserhöhungen werden weder die Gaspreise senken noch die Lieferketten in Ordnung bringen. Ihr eigentlicher Zweck besteht darin, die Wirtschaftsleistung zu drosseln, damit Lohnforderungen unterdrückt werden können.

Die derzeitige politische Agenda erinnert an die des Fed-Vorsitzenden Paul Volcker in den 1980er Jahren. Damals wurden die Zinssätze auf Rekordhöhe angehoben und die bis dahin tiefste Rezession seit der Großen Depression ausgelöst. Der heutige Fed-Vorsitzende Jerome Powell hat wiederholt seine Bewunderung für Volcker zum Ausdruck gebracht und deutlich gemacht, dass er gewillt ist, den gleichen Weg einzuschlagen.

Der ehemalige US-Finanzminister Lawrence Summers hat offen erklärt, dass zur Eindämmung der Inflation fünf Jahre lang eine höhere Arbeitslosenquote oder mindestens ein Jahr lang eine Arbeitslosenquote von 10 Prozent herbeigeführt werden müsse.

Wie jeder andere Aspekt der Wirtschaft und jede Statistik ist auch die Inflation in die Klassenstruktur der Gesellschaft eingebettet. Ein Blick auf die Vorgeschichte zeigt, wo die Ursprünge der gegenwärtigen Inflationsspirale in den USA und weltweit liegen.

Die globale Finanzkrise von 2008, hervorgerufen durch eine mehr als zwanzigjährige Spekulationsorgie, löste die größte staatliche Rettungsaktion für Konzerne und Finanzmärkte der Geschichte aus. Der Staat verteilte Hunderte von Milliarden Dollar, und die Fed leitete die Politik der „quantitativen Lockerung“ ein – sie pumpte Geld in das Finanzsystem, damit die Spekulationen an der Wall Street, die die Krise erst verursacht hatten, weitergehen konnten.

Und sie gingen weiter. Nachdem die Aktienkurse im März 2009 einen Tiefpunkt erreicht hatten, setzte der Markt zu einem spektakulären Höhenflug an. Grundlage dieser Hausse war eine kontinuierliche Versorgung mit billigem Geld durch die Fed.

Im März 2020, als die Corona-Pandemie zuschlug, brachen die Aktien- und Finanzmärkte ein. Ihre Akteure befürchteten, dass der Strom der Profite, die aus der Arbeiterklasse gepresst werden, durch Gesundheitsschutzmaßnahmen gebremst und die Spekulationsblase platzen würde.

Daraus ergaben sich im Wesentlichen zwei Strategien. Unter dem Motto „Das Heilmittel darf nicht schlimmer sein als die Krankheit“ lehnten es die Regierungen weltweit ab, eine Politik zu verfolgen, mit der Covid-19 eliminiert werden könnte. Gleichzeitig wurden weitere Billionen Dollar in das Finanzsystem gepumpt. In den USA verdoppelte die Fed praktisch über Nacht ihren Bilanzbestand an Wertpapieren von 4 auf 8 Billionen Dollar. Zwischenzeitlich gab sie 1 Million Dollar pro Sekunde für Ankäufe aus.

Hier liegen die Wurzeln der weltweiten Inflationsspirale. Die Weigerung, eine globale Politik zur Eliminierung des Coronavirus zu betreiben – weil diese womöglich den Börsen schaden könnte – hatte schwerwiegende Folgen für die Realwirtschaft, denn die Ausbreitung von Covid-19 führte dazu, dass Lieferketten unterbrochen wurden.

Die Zentralbanken weiteten ihre bisherige Geldpolitik aus und heizten die Spekulationswelle in den Jahren 2020 und 2021 weiter an. Ein weiterer Faktor sind die ständig steigenden Militärausgaben. Milliarden fließen in den Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine.

Zur Begründung von Zinserhöhungen verweisen der Fed-Vorsitzende Jerome Powell und andere Zentralbanker immer wieder auf die angeblich „angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt“. Es herrsche Arbeitskräftemangel, und Nachfrage und Angebot müssten wieder in Einklang gebracht werden.

Wegen der Todesfälle durch Covid-19, anhaltender Infektionen und der Ausbreitung von Long Covid haben sich Millionen Menschen aus dem Erwerbsleben zurückgezogen. Vor diesem Hintergrund gibt es nur eine Möglichkeit, das Angebot an Arbeitskräften über die Nachfrage zu heben: die Schaffung von Arbeitslosigkeit.

Diesen Prozess hat die Fed mit ihren bisherigen Zinserhöhungen in Gang gebracht. Die Automobilindustrie hat mitgeteilt, dass keine weiteren Neueinstellungen vorgenommen werden und mit Entlassungen zu rechnen ist. In den zinssensiblen High-Tech-Sektoren haben die Entlassungen bereits begonnen, und weitere werden folgen.

Angesichts der täglichen Einschnitte in ihren Lebensstandard, die sich aus der höchsten Inflation seit mehr als vierzig Jahren ergeben, sind die Arbeiter gezwungen, für Lohnerhöhungen zu kämpfen. Um in diesem Kampf besser bestehen zu können, müssen sie begreifen, worum es tatsächlich geht.

Die Arbeiter sind nicht nur mit einzelnen Unternehmen konfrontiert. Sie stehen in einem politischen Kampf, in dem die Gewerkschaftsbürokratie durchsetzt, was der kapitalistische Staat und seine Organe verlangen.

Darüber hinaus ist der Kampf um Lohnerhöhungen, so notwendig er ist, ein Kampf gegen die Auswirkungen von viel tiefer liegenden Problemen. Ein Rückblick auf die jüngste Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass jede Maßnahme, die die herrschende Klasse zur Krisenbewältigung ergriffen hat, unweigerlich dazu führte, dass die Krise in noch bösartigerer Form erneut ausbrach.

So hat die „Lösung“ der Finanzkrise von 2008 die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass im Jahr 2020 wissenschaftliche Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie abgelehnt wurden – weil sie einen Zusammenbruch der Finanzmärkte hervorrufen würden. Die daraus folgende Durchseuchungspolitik hat nun zu einer Inflationsspirale geführt, die die führenden Agenturen des Finanzkapitals „lösen“ wollen, indem sie die Arbeiterklasse zur Kasse bitten, notfalls durch Massenarbeitslosigkeit.

Um sich gegen die Folgen des aktuellen wirtschaftlichen Zusammenbruchs zu wehren, muss die Arbeiterklasse eine Strategie entwickeln, die die eigentliche Ursache der Krise bekämpft. Sie muss den Kampf für eine unabhängige sozialistische Perspektive aufnehmen, die darauf abzielt, das Profitsystem zu beenden und durch den Sozialismus, eine höhere Form der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisation, zu ersetzen.

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