Habecks Kriegssteuer: Auf Gasverbraucher kommen gewaltige Kosten zu

Auf Millionen Haushalte, die ihren Energiebedarf vorwiegend mit Erdgas decken, kommen gewaltige Kosten zu.

Am Montag legte die Firma Trading Hub Europe, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber, die Höhe der staatlichen Gasumlage fest, welche die Bundesregierung Ende Juli beschlossen hat. Sie liegt bei 2,419 Cent pro Kilowattstunde und muss ab 1. Oktober von allen privaten und kommerziellen Endverbrauchern entrichtet werden.

Bau der NEL-Gaspipeline in Mecklenburg-Vorpommern, die das Gas aus Nord Stream weiterleiten sollte [Photo by Niteshift (talk) / CC BY-SA 3.0]

Die Gasumlage ist eine Art Kriegssteuer, mit der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Kosten des Ukrainekriegs, den die Bundesregierung kompromisslos anheizt, auf die Bevölkerung abwälzt.

Die Sanktionen gegen Russland und die Weigerung der Bundesregierung, die fertige Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, haben zu einer Verknappung des Erdgasangebots und zu einer internationalen Preisexplosion geführt. Importiertes Erdgas war im Mai 2022 um 236 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Mit den Einnahmen aus der Gasumlage wird Gasversorgern die Differenz zwischen den bisherigen, niedrigen russischen Preisen und den derzeitigen hohen Weltmarktpreisen erstattet. Die Milliardensummen landen schließlich in den Kassen der großen Energiekonzerne, die dank der hohen Marktpreise Rekordprofite erzielen.

Trotzdem weigert sich die Bundesregierung strikt, sie anzutasten. Selbst eine derart bescheidende Maßnahme wie eine Übergewinnsteuer, die einen Teil der Superprofite abschöpfen würde, lehnt sie ab – und wälzt die gesamte Last der selbstgeschaffenen Energiekrise auf die arbeitende Bevölkerung ab. Es ist bezeichnend, dass Trading Hub Europe, ein eng mit den Energieunternehmen verflochtenes Privatunternehmen, über die Höhe der Gasumlage entscheidet, die es alle drei Monaten neu festgelegen kann.

Mit der Gasumlage von 2,419 Cent pro Kilowattstunde kommen auf einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden Mehrkosten von rund 484 Euro im Jahr zu – plus 19 Prozent Mehrwertsteuer, was allerdings noch nicht geklärt ist. Die Kosten können je nach Anbieter, Vertrag und Wärmeisolation des Hauses heftig schwanken. Sicher ist jedoch, dass auch kleinere Haushalte mehrere hundert Euro zusätzlich bezahlen müssen.

Dabei macht die Gasumlage, die zusätzlich zu den Preiserhöhungen der Gasversorger erhoben wird, nur einen Bruchteil der Kostenexplosion aus. Bereits vor ihrem Inkrafttreten sind die Preise massiv gestiegen. Laut dem Vergleichsportal Verivox kostete im Juli 2022 eine Kilowattstunde – einschließlich aller Steuern und Abgaben – durchschnittlich rund 16 Cent. Das ist mehr als doppelt so viel wie in den vergangenen Jahren, als der Endpreis deutlich unter 8 Cent lag.

Noch dramatischer ist der Anstieg bei Neukunden. Hier lag der Preis bei einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh im August 2022 bei 17,84 Cent. Das ist mehr als drei Mal so viel wie vor zwei Jahren, als die Kilowattstunde noch 5,46 Cent kostete.

Und der Preisanstieg ist noch längst nicht beendet. „Importiertes Erdgas war im Mai 2022 um 235,6 % teurer als ein Jahr zuvor,“ schreibt das Statistische Bundesamt. „Auf der Stufe des privaten Verbrauchs sind die hohen Preissteigerungen für Erdgas noch nicht in vollem Umfang angekommen.“

Welche dramatischen Erhöhungen auf private Haushalte zukommen, zeigt das Beispiel des Kölner Gasversorgers RheinEnergie, der den Arbeitspreis für seine Kunden ab 1. Oktober mehr als verdoppelt hat. Statt 7,87 Cent müssen sie zukünftig 18,30 Cent für eine kWh bezahlen, eine Erhöhung von 10,43 Cent.

Der Grundpreis, der in den Endpreis mit einfließt, hebt RheinEnergie nicht an. Trotzdem müssen Haushalte ab 1. Oktober mehr als doppelt so viel wie bisher für die Gasrechnung hinlegen, wie das Unternehmen selbst ausgerechnet hat. Für eine kleine Wohnung mit 10.000 kWh Jahresverbrauch erhöhen sich die jährlichen Kosten von 960 auf 2002 Euro, für eine große Wohnung oder ein kleines Einfamilienhaus mit einem Jahresverbrauch von 15.000 kWh von 1353 auf 2918 Euro. Das sind monatliche Mehrkosten von 130 Euro. Auch die Bezieher von Fernwärme müssen bei RheinEnergie ab 1. Oktober 73 Prozent mehr bezahlen.

Dabei ist die Gasumlage bei der angekündigten Preiserhöhung noch gar nicht mit einbezogen. Sie macht bei einem Jahresverbrauch von 15.000 kWh weitere 363 Euro aus. Dasselbe gilt für die CO2-Steuer. Sie hat bereits bei ihrer Einführung im Januar 2021 sie Preise erhöht und soll bis 2025 von 30 auf 55 Euro pro Tonne steigen. Die Gasrechnung eines Haushalts mit 20.000 kWh Verbrauch erhöht sich dadurch um weitere 264 Euro.

Da in Deutschland über 41 Prozent des Wohnenergiebedarfs – Heizung, Warmwasser, Kochen, Elektrogeräte – durch Erdgas gedeckt wird, sind Millionen Familien von der Preisexplosion betroffen. Experten gehen davon aus, dass die offizielle Inflationsrate wegen der Erhöhung der Gaspreise über 10 Prozent steigen wird.

Der Lebensstandard breiter Bevölkerungsschichten, das Ergebnis jahrzehntelanger Kämpfe, wird so in kürzester Zeit zunichte gemacht. Die Gewerkschaften, die mit der Regierung und den Konzernen unter einer Decke stecken, vereinbaren langfristige Tarifabschlüsse, die nicht einmal einen Bruchteil der Inflation decken.

Viele sind nicht bereit, dies hinzunehmen. Regierung, Politik und Medien spekulieren deshalb über einen „heißen Herbst“ und bereiten sich darauf vor, den Widerstand zu lähmen und zu unterdrücken.

Der Leipziger Linkenpolitiker Sören Pellmann ruft sogar zu „neuen Montagsdemos im Osten wie damals gegen Hartz IV“ auf. Was für eine Farce! Die Linkspartei unterstützt den Sozialabbau einschließlich Hartz IV überall, wo sie an der Regierung war und ist. Die Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV blieben erfolglos, weil sie von der Linkspartei erstickt wurden und weil sie sich darauf beschränkten, Appelle an eine Regierung zu richten, die keinen Apellen zugänglich war.

Die Zerstörung des Lebensstandards durch Preissteigerungen darf nicht hingenommen werden, ebenso wenig wie der Abbau unzähliger Industriearbeitsplätze, die unhaltbaren Zustände in Schulen, Kitas und Krankenhäusern und die „Profite vor Leben“-Politik in der Pandemie. Doch der Kampf dagegen setzt zwei Dinge voraus:

Erstens muss er völlig unabhängig von der SPD, den Grünen, der Linken und den Gewerkschaften geführt werden, die alle das kapitalistische Profitsystem und den imperialistischen Stellvertreterkrieg in der Ukraine verteidigen. Es müssen unabhängige Aktionskomitees in den Wohnvierteln und den Betrieben aufgebaut werden, die den Widerstand gegen die Preissteigerungen organisieren und bundesweit und international vernetzen. Die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre internationalen Schwesterparteien haben die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ins Leben gerufen, um dies zu ermöglichen und zu fördern.

Zweitens braucht der Kampf gegen die Folgen der Inflation eine klare politische Perspektive. Er ist untrennbar mit dem Kampf gegen das bankrotte kapitalistische System verbunden, das der großen Mehrheit der Bevölkerung nichts mehr zu bieten hat außer Armut, Niedergang, Umweltzerstörung und Krieg.

Der Aufruf der Regierung, für den Krieg in der Ukraine „Opfer zu bringen“, muss kategorisch zurückgewiesen werden. Die Behauptung, die Nato reagiere in der Ukraine auf einen unprovozierten Angriff Russlands und verteidige Freiheit und Demokratie, ist falsch. Der Krieg gegen Russland ist die Fortsetzung der Kriege gegen Afghanistan, Irak, Libyen und andere Länder, mit denen die USA und ihre Nato-Verbündeten ihre Weltherrschaft verteidigen wollten.

Die deutsche Regierung nutzt den Krieg, um wieder frenetisch aufzurüsten und stärkste Militärmacht Europas zu werden. Sie nutzt ihn als Gelegenheit, „den europäischen Pfeiler der NATO weiter zu stärken, und zwar auf lange Sicht“, wie es die grüne Außenministerin Annalena Baerbock kürzlich in einer Grundsatzrede formulierte. Die russische Invasion ist reaktionär und muss zurückgewiesen werden, aber die Abrechnung mit dem Putin-Regime ist die Aufgabe der russischen und internationalen Arbeiterklasse und nicht des deutschen und amerikanischen Imperialismus, die es auf die Bodenschätze und das gewaltige Territorium Russlands abgesehen haben.

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