Grußadressen von IKVI-Sektionen an den Parteitag der SEP (USA), 2022

Die Rückkehr des deutschen Militarismus und der Kampf für Sozialismus

Diese Grußadresse hielt Christoph Vandreier auf dem siebten Nationalen Parteitag der Socialist Equality Party (USA), der vom 31. Juli bis 5. August 2022 stattfand. Vandreier ist Vorsitzender der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), der deutschen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI).

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Ich freue mich sehr, diesem Parteitag die revolutionären Grüße der Sozialistischen Gleichheitspartei in Deutschland zu überbringen. Der Parteitag ist ein wirklich internationales Ereignis: Nicht nur, weil wir große Delegationen aus allen Sektionen und Gruppen dabeihaben, sondern vor allem, weil dieser Parteitag auf eine internationalistische Perspektive stützt, die die Arbeiterklasse in der ganzen Welt wappnet und die Arbeit aller Sektionen anleitet.

Die Tatsache, dass der Parteitag unserem unvergesslichen Genossen Wije Dias gewidmet ist, ist ein Beweis für diese Perspektive. Wie Genosse David North bemerkte, repräsentiert Wijes Leben die historische Tiefe unserer Weltpartei. Ausgehend vom Kampf gegen den Verrat der LSSP hat die RCL/SEP ihre Arbeit auf die historischen und politischen Prinzipien des Internationalen Komitees gegründet. Dies zeigt sich in der äußerst starken Erklärung der sri-lankischen Genossen, die in die explosive Situation eingreifen und der Arbeiterklasse auf der Grundlage dieser Prinzipien Führung geben.

Dies ist das Wesentliche dessen, was wir die fünfte Phase der Entwicklung der trotzkistischen Bewegung nennen. Unsere historischen Prinzipien überschneiden sich mit dem anwachsenden internationalen Klassenkampf. Und wie Genosse David North sagte: Je intensiver die Klassenkämpfe sich entwickeln, desto wichtiger ist es, unsere Partei auf unser historisches Erbe zu gründen.

Jeder einzelne Bericht über die sehr starken Resolutionen hat gezeigt, wie sehr wir unsere Analyse auf dieses Erbe stützen, das ein grundlegendes Verständnis unserer Epoche mit einer jahrzehntelangen Analyse verbindet. All die zentralen Fragen, die wir in den letzten Tagen hier diskutiert haben, drehen sich um die Wesensmerkmale der Entwicklung in jedem Land der Welt.

Was die Pandemie betrifft, ist Deutschland ein Hotspot der BA.5-Welle. Die Infektions-, Krankenhausweisungs- und Sterberaten steigen rapide an. Die Kliniken sind am absoluten Limit, da Tausende von Ärzten und Krankenschwestern aufgrund von Infektionen ausfallen. Selbst Gesundheitsminister Karl Lauterbach warnt vor einem Kollaps und einer katastrophalen Entwicklung, hat aber gleichzeitig alle Schutzmaßnahmen über Bord geworfen. Die Regierung zerstört das öffentliche Gesundheitswesen und betreibt eine bewusste Politik des sozialen Massenmords.

Während Millionen von Arbeitern von Tod und Krankheit bedroht sind, damit die Profite der Banken und Konzerne weiter steigen, wird über die Inflation eine radikale Reallohnsenkung organisiert. Dieselben Krankenschwestern, die zweieinhalb Jahre an vorderster Front gegen die Pandemie gekämpft haben, erhalten jetzt Lohnkürzungen von 10 bis 20 Prozent!

Alle gesellschaftlichen Bereiche werden nun dem Krieg gegen Russland untergeordnet. In Deutschland haben sich die Erdgaspreise verdreifacht. Und nun hat die Regierung auch noch ein Gesetz zur Einführung einer zusätzlichen Abgabe verabschiedet, die die Gewinne der Energiekonzerne sichern soll. Für den Krieg gegen Russland sollen die Arbeiter zum Frieren gezwungen werden.

Unter diesen Bedingungen stößt die Kampagne von Genosse Will Lehmann auch unter deutschen Arbeitern auf großes Interesse. Denn die Gewerkschaften stehen voll und ganz hinter der Kriegspolitik und setzen die Lohnkürzungen und Preiserhöhungen gegen die Arbeiter durch. Mit dem Krieg gegen Russland meldet sich auch die „Deutsche Arbeitsfront“ zurück.

In Punkt 15 der Resolution gegen den imperialistischen Krieg erklären wir: „Der Konflikt mit der Ukraine bietet dem deutschen Imperialismus die Gelegenheit, die größte Aufrüstungskampagne seit dem Zusammenbruch des Naziregimes durchzuführen.“

Dies ist sehr zutreffend. 77 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht rollen wieder deutsche Panzer gegen Russland. Mit der Verdreifachung des Militärhaushalts verfolgt die herrschende Klasse in Deutschland das erklärte Ziel, wieder die größte Militärmacht in Europa aufzubauen. Alle Beschränkungen, die Deutschland nach den größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte auferlegt wurden, werden jetzt aufgehoben, und die gesamte Gesellschaft wird militarisiert.

Dieselben Rüstungskonzerne, die den totalen Krieg belieferten und ihre Profite aus der Zwangsarbeit und den Konzentrationslagern gewannen, vervielfachen ihre Produktion heute wieder und produzieren massenhaft Waffen für den Krieg gegen Russland. Nachdem die Bundesregierung bisher bereits Waffen im Wert von 600 Millionen Euro an die Ukraine geliefert hat, sollen nun weitere 100 Panzerhaubitzen im Wert von 1,7 Milliarden Euro geliefert werden.

Schon 2014 hatten wir aufgezeigt, wie diese Rückkehr des deutschen Militarismus mit der Verharmlosung und letztlich der Rechtfertigung der Verbrechen des deutschen Imperialismus einhergeht. Dies hat sich mehr als bestätigt. Die Geschichtsfälschungen der Professoren Münkler und Baberowski, auf die wir hingewiesen und die wir bekämpft haben, sind heute offizielle Regierungslinie.

So hat der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz den russischen Einmarsch in die Ukraine als Vernichtungskrieg und Zivilisationsbruch bezeichnet, Begriffe, die in Deutschland bisher ausschließlich für den Ostfeldzug und den Holocaust verwendet wurden. Die Verwendung dieser Begriffe für den Krieg in der Ukraine ist eine unglaubliche Verharmlosung der Nazi-Verbrechen. Die Tageszeitung taz behauptete in einem Artikel sogar, Stalin habe den Zweiten Weltkrieg geplant, bevor Hitler überhaupt an die Macht gekommen sei. Damit wird die alte Nazi-Lüge vom Präventivkrieg, die den Vernichtungskrieg rechtfertigte, in der Hauszeitung der Grünen wiederbelebt.

Mit unserem Kampf gegen diese Geschichtsfälschung haben wir uns an die historisch tief verwurzelte Feindschaft gegen Krieg in der deutschen Arbeiterklasse gewandt. Dies war nur möglich auf der Grundlage des jahrzehntelangen Kampfs des Internationalen Komitees zur Verteidigung der historischen Wahrheit und des Kampfs gegen die subjektiv-idealistische Ideologie. Auf dieser Grundlage ist die SGP heute die einzige Partei in Deutschland, die sich dem Militarismus entgegenstellt und die Arbeiterklasse mit einer sozialistischen Perspektive versieht. Wie Johannes gestern dargelegt hat, sind die Grünen heute die aggressivste Kriegspartei, und auch die Linke und ihre pseudolinken Satelliten unterstützen den Krieg gegen Russland.

Wie die Genossinnen und Genossen bereits erklärt haben, gilt dies für alle zentralen Fragen der politischen Entwicklung. Unsere Weltpartei ist die einzige politische Strömung, die auf Krieg, auf sozialen Massenmord in der Pandemie und auf die Gefahr des Faschismus eine fortschrittliche Antwort hat.

Das ist auch der Grund, warum der deutsche Staat unter dem Banner des Antikommunismus einen wütenden Feldzug gegen uns führt. „Der Verfassungsschutz macht deutlich, dass er die SGP und das IKVI als die Fahnenträger des zeitgenössischen marxistischen Sozialismus betrachtet“, wie Genosse David North in seinem Eröffnungsvortrag auf der Sommerschulung der SEP (USA) 2019 formulierte. Sie haben uns auf die Liste der extremistischen Organisationen gesetzt, weil sie verstanden haben, dass unser Programm die größte objektive Bedeutung hat.

Die Regierung begründete die Nennung der SGP ausdrücklich damit, dass wir gegen Nationalismus und Militarismus agitieren und für eine egalitäre, demokratische und sozialistische Gesellschaft eintreten. Sie entwickelte eine Argumentation, die jede Kritik an den Staatsorganen, insbesondere an der Armee und dem Geheimdienst, für verfassungsfeindlich und illegal erklärt. Inzwischen haben zwei Gerichte diese skandalöse Wiederbelebung der nationalsozialistischen Gesinnungsjustiz abgesegnet, weshalb wir nun eine Verfassungsbeschwerde eingereicht haben.

Unsere Klage ist kein Abwehrkampf und beruht schon gar nicht auf Illusionen in das Bundesverfassungsgericht. Vielmehr gehen wir mit unserer Klage in die Offensive und klagen unsererseits den Verfassungsschutz an. Wir stellen uns an die Spitze des Kampfs gegen die rechtsradikale Verschwörung im Staatsapparat und die Rückkehr faschistischer Methoden.

Auf der ganzen Welt wendet sich die herrschende Klasse autoritären und faschistischen Herrschaftsformen zu, weil ihre Politik des Kriegs und der sozialen Angriffe in der Arbeiterklasse auf enormen Widerstand stößt. Der Kampf gegen Faschismus ist daher untrennbar mit dem Kampf gegen Krieg, Pandemie und soziale Angriffe verbunden. Man kann die demokratischen Rechte nur verteidigen, wenn man die internationale Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms mobilisiert.

Diese Perspektive ist jetzt sehr konkret. Der Klassenkampf entwickelt sich schnell, und die Interventionen unserer Partei sind von größter objektiver Bedeutung. Diese Interventionen müssen sich auf unsere lebendigen historischen Prinzipien und Erfahrungen stützen, damit die objektive Macht der Arbeiterklasse tatsächlich wirksam werden kann. Dieser Parteitag ist zweifelsohne ein wesentlicher Schritt in diese Richtung.

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