Die Razzia gegen die Unterstützer von Bolsonaros Putsch und der Kampf gegen Autoritarismus in Brasilien

Bei einer Gruppe von acht Geschäftsleuten, die als Unterstützer des faschistischen Präsidenten Jair Bolsonaro bekannt sind, fanden am 23. August Razzien statt. Vorangegangen waren entsprechende Beschlüsse durch Alexandre de Moraes, einem Richter am brasilianischen Obersten Gerichtshof (STF). Moraes ist gegenwärtig Präsident des Obersten Wahlgerichts (TSE).

Den Anlass für die gerichtliche Maßnahme waren Mitteilungen in einer privaten WhatsApp-Gruppe, die von Metrópoles geleakt wurden. Darin verteidigten die Geschäftsleute offen die Errichtung einer autoritären Diktatur unter der Führung Bolsonaros in Brasilien. Abgesehen von den Durchsuchungen ordnete der Richter auch die Aufhebung des Bankgeheimnisses und die Sperrung der sozialen Netzwerke für diese Personen an.

Marine-Infanteristen in den Straßen von Brasilia im Vorfeld des brasilianischen Unabhängigkeitstags. (Fabio Rodrigues-Pozzebom/Agência Brasil)

Diese Episode, die sich einen Monat vor der Präsidentschaftswahl ereignete, hat das Ausmaß der schweren politischen Krise offengelegt, in der sich die herrschende Klasse Brasiliens befindet.

Moraes’ Vorgehen stellt eine nervöse Reaktion eines Teils der herrschenden Elite auf Bolsonaros Pläne dar, die Wahl zu kippen. Trotz der endlosen Beteuerungen der bürgerlichen Medien, dass die offenen Drohungen und systematischen Vorbereitungen lediglich Prahlerei und nicht umsetzbar, ist nicht zu leugnen, dass ein Putsch gegen die Wahl im Gange ist.

Dass die bürgerliche Opposition in dieser Weise auf die autoritären Angriffe des Präsidenten reagiert, bedeutet nicht, dass die Demokratie in Brasilien wiederbelebt worden wäre. Vielmehr gehen die politischen Kräfte, die hinter Moraes’ Vorgehen stehen, von der Notwendigkeit aus, den unaufhaltsamen Klassenkonflikt im Land zu unterdrücken. Deshalb versuchen sie, Bolsonaros offen faschistische Angriffe abzuwehren, indem sie den bürgerlichen Staatsapparat auf Kosten der demokratischen Freiheiten und des Rechts auf politische Opposition stärken.

Moraes’ Entscheidung gegen die Geschäftsleute, die Anfang letzter Woche veröffentlicht wurde, geht auf einen Antrag von Senator Randolfe Rodrigues (Rede) und weitere Anträge des Vorsitzenden der Arbeiterpartei (PT), Gleisi Hoffmann, sowie von Kongressabgeordneten der PT und der Partei für Sozialismus und Freiheit (PSOL) zurück. Diese Dokumente zeigen eindeutig, wie stark sich diese pseudolinken politischen Kräfte dem reaktionären bürgerlichen Staat in Brasilien unterwerfen.

Die Aufhebung des Bankgeheimnisses und die Sperre der sozialen Netzwerke für die Personen, gegen die ermittelt wird, hatte Moraes auf Antrag von Randolfe angeordnet. Randolfe ist unter anderem als Koordinator von Lulas Präsidentschaftswahlkampf bekannt. Sein Antrag basierte ausschließlich auf „den Tatsachen, die... in Guilherme Amados Kolumne“ in Metrópoles geschildert wurden, d.h. den geleakten Mitteilungen, die eine eindeutige Unterstützung für einen Putsch zum Ausdruck bringen, aber keine konkreten Beweise für die Beteiligung an der Vorbereitung eines solchen Putsches beinhalten.

Der Senator der Partei Rede kam zu dem Schuss, dass „die derzeitige Ermittlung, die die Angriffe auf die demokratische Herrschaft untersucht“, das „beste Instrument“ sei, „um die Beziehung der Gruppe zu Aktionen (vor allem Finanzierung), die gegen die Demokratie gerichtet sind, festzustellen“.

Ähnlich äußerten sich die PSOL-Abgeordneten Fernanda Melchionna, Sâmia Bomfim und Vivi Reis, die alle der morenoistischen Sozialistischen Linken Bewegung (MES) angehören. Sie schrieben an Moraes: „Angesichts des Inhalts der Untersuchung 4,874/DF, für die Sie verantwortlich sind... fordern wir Sie dazu auf, das Ermittlungsverfahren hinzuzufügen, und damit die mutmaßlich kriminellen Praktiken der erwähnten Geschäftsleute zu verifizieren und alle notwendigen Schritte zu unternehmen, nicht nur um die angemessene strafrechtliche Verantwortlichkeit festzustellen, sondern auch um alle, von Ihnen für angemessen erachteten Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass das Ergebnis der Wahl 2022 vollständig respektiert und erfüllt wird.“ [Hervorhebung hinzugefügt]

Das Vertrauen, das diese Teile der Pseudolinken in Moraes setzen, ist bemerkenswert. Die Untersuchung, die von ihnen unter dem Vorwand der Bekämpfung von „Fake News“ und „Angriffen auf die Demokratie“ begrüßt wurde, findet hinter den verschlossenen Türen des Justizsystems und hinter dem Rücken der Bevölkerung statt. Sie führte zu autoritären Angriffen wie der Zensur der Partei für die Sache der Arbeiter (PCO) in den sozialen Medien, weil sie den Obersten Gerichtshof und Moraes’ eigene Angriffe auf die Meinungsfreiheit in Frage gestellt hat. Zudem wurden weitere Schritte zur Zensur des Internets eingeleitet.

Moraes’ Hintergrund zeichnet ihn definitiv nicht als Verfechter der Demokratie aus. Er war Sicherheitsminister in der Regierung des Bundesstaats São Paulo unter Geraldo Alckmin, der heute Lulas Vizepräsidentschaftskandidat ist. Moraes befürwortete den brutalen Einsatz von Militär und Polizei und seine Amtszeit als Sicherheitsminister war geprägt von der verschärften Unterdrückung politischer Demonstrationen sowie einem scharfen Anstieg von Polizeimorden. Nach dem Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff von der PT übernahm er 2016 kurzzeitig die Leitung des Justizministeriums von Michel Temer, bevor er zum Richter am Obersten Gerichtshof ernannt wurde.

Dass die Pseudolinke versuchen, Bolsonaro mit Methoden loszuwerden, die die politische Beteiligung der arbeitenden Massen ausschließen und den Kampf gegen faschistische Bedrohungen auf Hinterzimmer-Manöver beschränken, macht deutlich, dass sie nicht nur sozialistische, sondern auch grundlegende demokratische Prinzipien ablehnen.

Allerdings steckt in diesen Maßnahmen auch ein Element der Selbsttäuschung, ein Versuch, die unbequemen Wahrheiten zu vertuschen, die ans Licht gekommen sind. Die geleakten Mitteilungen der Geschäftsleute entlarven, wie falsch die Illusionen sind, welche die PT und der PSOL mit den „Briefen für die Demokratie“ verbreitet haben. Diese Briefe, die sie zusammen mit Gewerkschaftsbürokraten und kapitalistischen Organisationen unterzeichnet haben, verbreiten die selbstzufriedene Vorstellung, Bolsonaros Putschpläne hätten in der brasilianischen Bourgeoisie und im Militär keinen Rückhalt und würden von den USA und dem Weltimperialismus abgelehnt.

Einer der Geschäftsleute schrieb in den geleakten Mitteilungen: „Ein Putsch wäre mir lieber als die Rückkehr der PT. Eine Million Mal lieber. Und mit Sicherheit wird niemand aufhören, mit Brasilien Geschäfte zu machen. So wie sie es mit vielen Diktaturen auf der ganzen Welt tun.“ Ein anderer schrieb: „Der 7. September soll das Volk und das Militär vereinen und gleichzeitig klarstellen, auf welcher Seite das Militär steht. Großartige Strategie, und Rio wird die Bühne sein. Die brasilianische Stadt mit internationalem Renommee. Das wird es sehr deutlich machen.“

Die oben erwähnte Demonstration am 7. September anlässlich des 200. Jahrestags von Brasiliens Unabhängigkeit wird als erster Akt von Bolsonaros Putschversuch vorbereitet. Der Präsident und seine Unterstützer haben ihre faschistischen Anhänger aufgerufen, „zum letzten Mal“ auf die Straße zu gehen. Die Hauptdemonstration in Rio de Janeiro soll zusammen mit einer riesigen Militärparade stattfinden. Auf Plakaten in der Hauptstadt Brasilia werden die Proteste mit Parolen wie „Jetzt oder nie“ und für eine „zweite Unabhängigkeit Brasiliens“ angekündigt, womit der Sturz des gegenwärtigen Regimes gemeint ist.

Bezeichnenderweise haben die USA eine Einladung zur Teilnahme an der Parade der brasilianischen Marine an der Copacabana angenommen. Drei Tage später wird das US-Militär zusammen mit 20 anderen Staaten an der Marineübung Unitas in Rio de Janeiro teilnehmen. Im Vorfeld werden zwei Kriegsschiffe zu den brasilianischen Unabhängigkeitsfeiern geschickt.

Die Anwesenheit amerikanischer Kriegsschiffe ruft unweigerlich Erinnerungen an die Unterstützung der USA für den Militärputsch in Brasilien 1964 wach. Im Rahmen der Operation Brother Sam planten die USA eine Flotte der Navy vor die Küste von Rio de Janeiro zu schicken, um den Aufstand des brasilianischen Militärs gegen den gewählten Präsidenten João Goulart zu unterstützen.

Washington will zwar keine Vertreter zu Bolsonaros Veranstaltung schicken, doch die Teilnahme der USA an der Militärparade wird den Pro-Putsch-Demonstrationen einen wichtigen Anschein von Legitimität verleihen. Der Kommandant des östlichen Militärbezirks Brasiliens, General André Luis Novaes de Miranda, erklärte, dass eine Trennung der Veranstaltung des Militärs von den Protesten der Bolsonaro-Anhänger „nicht machbar“ sei.

Die Zeitung Folha de São Paulo schrieb: „Die amerikanische Diplomatie fürchtet, dass ihre Anwesenheit mit der Putschrede des Präsidenten gegen das Wahlsystem in Verbindung gebracht werden könnte.“ Sie hätten aber aus „diplomatischer Verlegenheit“ der Teilnahme zugestimmt. Die Zeitung versicherte jedoch: „Tatsache ist, dass die USA hinsichtlich der Kampagne des Präsidenten gegen das Wahlsystem unmissverständliche Zeichen der Missbilligung gegeben haben.“

Doch wenn die USA sich dazu „gezwungen sehen“, an einem Ereignis teilzunehmen, von dem sie zugeben, dass es Bolsonaros Putschpläne unterstützt, so bestätigt dies eindeutig die Behauptung des Geschäftsmanns, dass „mit Sicherheit … niemand aufhören [wird], mit Brasilien Geschäfte zu machen. So wie sie es mit mehreren Diktaturen auf der ganzen Welt tun“.

Die Pseudolinken reagieren auf die Bedrohungen durch die Ereignisse am Unabhängigkeitstag einmal mehr mit geradezu krimineller Selbstgefälligkeit. Randolfe tat die schwerwiegenden Angriffe gegen die Demokratie schlicht als Treibstoff für die Wahlchancen der PT ab und erklärte gegenüber Folha: „Sollte sich bestätigen, dass Bolsonaro die Absicht verfolgt, einen Putsch zu inszenieren, dann könnte der 7. September zu einem Wendepunkt werden, weil der Wahlkampf der PT Stimmen von Kandidaten wie Ciro Gomes (PDT) und Simone Tebet (MDB) anziehen könnte.“

Die Sozialistische Gleichheitsgruppe (GSI) in Brasilien, schrieb vor kurzem in einer Erklärung mit dem Titel „Nieder mit den Verschwörungen Bolsonaros und des Militärs!“:

Die diktatorischen Verschwörungen von heute müssen entwaffnet werden, und die Arbeiterklasse ist die einzige gesellschaftliche Kraft, die dazu in der Lage ist. Ein solcher Kampf erfordert den vollständigen Bruch mit der PT, den Gewerkschaften und den pseudolinken Parteien, die für die Unterordnung der Arbeiterklasse unter die nationale Bourgeoisie und den Imperialismus verantwortlich sind. Die Gegenoffensive der Arbeiter zur Verteidigung ihrer sozialen und demokratischen Rechte ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen den Kapitalismus selbst, der die Ursache für Austerität, Krieg und Diktatur ist. Und er kann nur mit einer sozialistischen und internationalistischen Strategie geführt werden.

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