Massenentlassungen und Sozialabbau häufen sich

Die Hiobsbotschaften aus Betrieben, Verwaltungen, Handel und Sozialbereich werden immer dramatischer. Es vergeht kein Tag ohne Ankündigung von Insolvenzen, Entlassungen und Rationalisierungsmaßnahmen mit massivem Sozialabbau.

Protest gegen Arbeitsplatzabbau im Daimler-Werk Berlin Marienfelde im November 2020 (Foto WSWS)

Die herrschende Klasse in Deutschland und Europa nutzt die Wirtschaftskrise und die galoppierende Inflation für ein soziales Massaker. Während die Banken von der staatlichen Geldschwemme profitieren und die großen Energie- und Autokonzerne Rekordgewinne melden, werden kleine und mittlere Unternehmen massenhaft in die Insolvenz getrieben und zehntausende Arbeiter entlassen.

Dabei holen die Konzernchefs langgehegte Pläne aus ihren Schubladen, um die Profite zu maximieren. Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts in 1060 Unternehmen planen 25 Prozent, Stellen in Deutschland zu streichen. Bei der letzten Befragung im vergangenen April waren es noch 14 Prozent. Rund 90 Prozent rechnen mit Preiserhöhungen. Einen gänzlichen Produktionsstopp halten 13 Prozent und die Verlagerung von Betrieben ins Ausland 9 Prozent derzeit für wahrscheinlich.

Bei ihrem Angriff auf die Arbeiterklasse arbeiten die Unternehmer und ihre Wirtschaftsverbände eng mit den Gewerkschaften und der Regierung zusammen. Dazu wurde im Frühjahr die Konzertierte Aktion wiederbelebt, die schon in den 1970er Jahren dazu diente, den Klassenkampf zu unterdrücken.

Die Ampelregierung nutzt den Ukraine-Krieg für eine umfassende militärische Aufrüstung, die seit langem geplant und vorbereitet war. Gleichzeitig nutzt die deutsche Wirtschaft die Sanktionen und den Wirtschaftskrieg gegen Russland dazu, ihre Dominanz in Europa und weltweit zu stärken. Die Kosten dieser Großmachtpolitik werden der Arbeiterklasse aufgebürdet. Das ist der Hintergrund der massiven sozialen Angriffe, die gegenwärtig stattfinden.

Das Folgende ist ein Überblick über die jüngsten Meldungen, der allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und täglich ergänzt werden muss. Die WSWS-Redaktion ruft alle Leserinnen und Leser auf, ihr über weitere Entlassungen und eigene Erfahrungen zu berichten, um den Widerstand gegen diese Angriffe zu organisieren und zu koordinieren.

Einzelhandel

  • Der Warenhauskonzern Galeria kündigt den sogenannten „Sanierungstarifvertrag“, den er 2019 mit Verdi vereinbart hat: Das Unternehmen will sich sanieren, allerdings, wie Verdi zugeben muss, auf Kosten seiner Beschäftigten. Diesen wird die vertragliche Sicherheit auf Entgeltleistungen, Beschäftigung und Standort aufgekündigt. Zahlreiche Filialen müssen schließen. Außerdem werden wohl keine neuen Aushilfen eingestellt. Der Konzern wurde erst im vergangenen Januar mit 220 Million Euro durch die Bundesregierung unterstützt.

Lebensmittel

  • Bei dem Teigwarenproduzenten Riesa Nudeln in Sachsen sind nach vier Wochen Streik erneut die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft NGG und der Unternehmerfamilie Freidler geplatzt. Den Mindestlohn von 12,51 Euro für viele der 140 Beschäftigten (neben davon nicht betroffenen 30-40 Leiharbeitern) wollte die Gewerkschaft NGG um einen Euro sofort und einen weiteren Euro irgendwann im kommenden Jahr anheben. Selbst dieses mickrige Angebot lehnte die Unternehmensführung ab.
  • Dr. Oetker hat angekündigt, 250 Millionen Euro jährlich einzusparen und in allen Bereichen des Unternehmens und allen 40 Produktionsländern Arbeitsplätze abzubauen.

Elektronik

  • Der neue Chef von Philips streicht 4000 von 78.000 Stellen im niederländischen Weltkonzern.
  • Bosch schließt sein Werk in Arnstad, Thüringen, und setzt etwa 100 Beschäftigte vor die Tür. Dort wurden seit dem Jahr 2014 Lichtmaschinenregler produziert. Im ebenfalls in Thüringen gelegenen Eisenacher Werk beteiligten sich jüngst 600 Bosch-Kollegen an einem Warnstreik. In Bühl, Baden-Württemberg, sagte der Betriebsrat eine lang geplante Betriebsversammlung für alle drei Schichten kurzfristig ab, da seiner Aussage nach das Unternehmen deren Finanzierung kippte. Von ca. 3500 Beschäftigten will der Konzern 300 kündigen. Das Unternehmen verlagert seine Produktion nach Osteuropa, wo es nach Aussage des Betriebsratsvorsitzenden Tramonti keinen Kündigungsschutz, dafür aber einen 12-Stunden-Tag gibt.
  • Siemens Gamesa streicht weltweit 2900, d.h. rund 10 Prozent aller Stellen. Der Windanlagenbauer, eine Tochter des Energietechnikkonzerns Siemens Energy, will in Dänemark 800, in Spanien 475 und in Deutschland 300 Stellen streichen.

Chemie

  • Mit einem neuen Sparprogramm will BASF ab 2025 jährlich 500 Millionen Euro einsparen und Arbeitsplätze in noch nicht genannter Zahl abbauen. Im vergangenen Jahr kündigte BASF bereits 6000 Arbeitern. Die Stellenstreichungen sollen vor allem den Hauptstandort des Unternehmens in Ludwigshafen treffen, wo derzeit 39.000 von 110.700 Mitarbeitern beschäftigt sind. Dort sollen 250 Millionen eingespart werden.
  • Beim Chemiekonzern Grace in Worms, Rheinland-Pfalz, sollen 100 von 840 Stellen gekündigt werden. Insgesamt arbeiten derzeit 4300 Mitarbeiter in über 60 Ländern bei dem Unternehmen.

Metall und Bergbau

  • In Eisenhüttenstadt, Brandenburg, befinden sich 900 Stahlwerker in Kurzarbeit. Bei einem Protest im letzten Monat forderten sie ein Ende des Krieges in der Ukraine und bezahlbare Energie.
  • Auch in Nordenham, Niedersachsen, müssen 400 Arbeiter in Kurzarbeit, da die Zinkhütte ihre Produktion für ein ganzes Jahr aussetzen will.

Maschinenbau

  • Der Spezialmaschinenbauer Zippel in Neutraubling, Bayern, ist insolvent. 94 Beschäftigte verlieren ihren Arbeitsplatz.
  • Entgegen früheren Behauptungen will das Unternehmen FLSmidth, ein Fördertechnik-Anbieter, nun doch fast alle 140 Stellen am Standort St. Ingbert-Rohrbach zusammenstreichen. Das Unternehmen hatte erst im September das Werk von ThyssenKrupp gekauft.

Automobilindustrie

Laut einem S&P-Bericht könnte die Autoproduktion Europas 2023 um mehr als 1 Million Fahrzeuge pro Quartal zurückgehen. Die steigenden Energiekosten belasten die Lieferketten. Teileknappheit und Engpässe könnten die Unternehmen sogar dazu bringen, die Produktion ganz zu stoppen. In diesem Fall rechnet S&P sogar mit einem Produktionsausfall von 4,8 Millionen bis 6,8 Millionen Einheiten auf Jahresbasis.

  • In Ingolstadt, Bayern, gibt es bei Audi bei zwei von drei Produktionslinien Schichtausfälle aufgrund von Lieferprobleme u.a. von Halbleitern. Die gesamte Automobilindustrie hatte schon zu Beginn des Nato-Stellvertreterkriegs in der Ukraine auch mit der Lieferung von Kabelbäumen zu kämpfen.
  • Opel-Partner Segula plant 250 von 750 Beschäftigten in Rüsselsheim, Hessen, vor die Tür zu setzen.
  • Das Ford-Werk in Saarlouis wird schrittweise stillgelegt. Von den 4600 Mitarbeitern werden rund 4000 entlassen. Das führt dazu, dass auch in den Zulieferbetrieben noch viele Tausend weitere Arbeitsplätze in der ohnehin strukturschwachen Region gestrichen werden.
  • Mercedes schickt bis zu 2500 Mitarbeiter in Bremen in Kurzarbeit.
  • Nach Protesten gegen die Entlassung von 690 Beschäftigten bei ZF (Zahnradfabrik Friedrichshafen) in Eitorf, NRW, hat sich die IG Metall eingeschaltet, um den Arbeitsplatzabbau „sozialverträglich“ zu organisieren.
  • Der Autozulieferer Schaeffler baut in Ingolstadt und Morbach 1300 weitere Stellen ab und betont: „Die Maßnahme soll möglichst sozialverträglich auf Basis der Zukunftsvereinbarung mit der IG Metall von 2018 erfolgen.“ In den kommenden Monaten sollen „zusammen mit den Arbeitnehmervertretern Standortkonzepte erarbeitet werden“.
  • Bei VW endet die Friedenspflicht des derzeitigen Haustarifs am 30. November 2022. Die neuen Verhandlungen haben Auswirkungen auf die Stammbelegschaft in Braunschweig, Wolfsburg, Kassel, Salzgitter, Hannover, Emden und weiteren Werken. Für die rund 125.000 Beschäftigten endete die erste Runde der Verhandlungen ergebnislos. Trotz einer historischen Rekorddividende für die Aktionäre, ähnlich wie bei Mercedes-Benz und BMW, fordert die Gewerkschaft nur wenig mehr als 8 Prozent, das heißt weit weniger als die Inflation.

Ausgehend von den Tarifrunden im Öffentlichen Dienst und in der Metall-Branche schrieb die WSWS: „Die gegenwärtige Tarifrunde und die hohe Bereitschaft der Belegschaften, sich gegen ihr Abrutschen in Armut und Existenznot zu stemmen, muss zum Ausgangspunkt für eine Offensive gegen den Krieg und seine sozialen Folgen gemacht werden. Um die aktuelle Inflation und frühere Reallohnsenkungen auszugleichen, müssen hohe zweistellige Lohnzuwächse erkämpft werden, nicht nur acht Prozent.“

In diesem Kampf sind die Arbeiter mit dem Widerstand der Gewerkschaften konfrontiert. Sie unterstützen die Kriegspolitik der Bundesregierung gegen Russland und versuchen dieser den Rücken freizuhalten durch ihre Funktion als Betriebspolizei, verlängerter Arm der Unternehmensleitung und Bollwerk gegen die Forderungen der Arbeiter in den Betrieben.

Es ist notwendig diese Dominanz und Kontrolle der Gewerkschaften zu durchbrechen und unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, die den Kampf gegen Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkungen und Krieg in den Betrieben organisieren und sich international vernetzen.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale hat die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) ins Leben gerufen, um diesen Aktionskomitees eine Orientierung zu geben und sie international zu koordinieren.

Nur so kann sowohl die Kriegsgefahr gebannt als auch die Auswirkungen des Kriegs in Form von Arbeitsplatzabbau und gewaltigen Reallohnsenkungen abgewehrt werden. Wir rufen alle Arbeiterinnen und Arbeiter auf, sich per Whatsapp-Nachricht bei folgender Nummer zu melden: +491633378340 oder sich gleich hier unten für die Aktionskomitees zu registrieren.

Loading