Das Aktionskomitee der Eisenbahner (Railroad Workers Rank-and-File Committee, RFRFC) der USA organisierte am Dienstag eine erfolgreiche Onlinekundgebung mit dem Titel „Verteidigt die Eisenbahner! Weg mit Washingtons unrechtmäßigem Anti-Streik-Gesetz!“
Mit mehr als 400 registrierten Teilnehmern war es die meistbesuchte Veranstaltung des Komitees seit dem Treffen am 14. September. Weniger als einen Tag nach der damaligen Veranstaltung hatte die Biden-Regierung mit der Gewerkschaftsbürokratie einen Tarifvertrag ausgehandelt, um einen Streik zu verhindern. Obwohl die Arbeiter den Tarifvertrag bei Abstimmungen abgelehnt hatten, setzten Biden und der amerikanische Kongress ihn letzte Woche einseitig durch.
Zu den Teilnehmern des Treffens gehörten Eisenbahner und ihre Unterstützer in Industriezweigen aus dem ganzen Land, darunter Doktoranden, Beschäftigte des Gesundheitswesens, Hafenarbeiter, Lehrkräfte und Autoarbeiter. Die Teilnehmerzahl wurde durch die Tatsache begünstigt, dass die letzte Erklärung des RWRFC am Wochenende bei Twitter viral ging.
Zu Beginn der Veranstaltung ließ der World Socialist Web Site-Autor Tom Hall die Ereignisse der letzten Woche Revue passieren: „Alle Fraktionen in Washington, sowohl rechte als auch nominell linke, haben zusammen dieses Sklavereigesetz verabschiedet.“ Er betonte vor allem die Rolle der Pseudolinken, Bernie Sanders und der Democratic Socialists of America (DSA), die die schnelle Verabschiedung gewährleistet hatten. Hall betonte außerdem die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie, die die Position des Kongresses gestärkt hatte, und zitierte aus einer Erklärung der Gewerkschaft SMART-TD, in der sie die „Autorität“ des Kongresses verteidigte und „dem Präsidenten, der Sprecherin des Repräsentantenhauses, der Senatsführung und den Kabinettsmitgliedern“ in untertäniger Weise für ihre Unterstützung dankten.
Zum Schluss erklärte Hall: „Wir wissen, dass sich viele die Frage stellen, was sie tun sollten ... Einige glauben, dass die Zeit für einen Ausstand der Eisenbahner reif sei. Unabhängig davon, was passiert, können nur die Arbeiter selbst diese Entscheidung treffen. Nicht die Bürokratie, nicht der Kongress.“ Er rief die Arbeiter auf, „Veranstaltungen und Diskussionen mit euren Kollegen zu organisieren und zu entscheiden, was ihr tun werdet.“
Darauf folgte ein eindrucksvoller Beitrag eines Maschinisten und führenden Mitglieds des RWRFC. Er erklärte, die Veranstaltung „findet inmitten eines Krieges statt... Eines Krieges, nicht nur gegen die Eisenbahner, sondern gegen alle Arbeiter in den USA und im Ausland.“
Das Anti-Streik-Gesetz habe „verheerende Auswirkungen“ auf „die Arbeiterklasse insgesamt'“, warnte er. „Die jüngsten Ereignisse im Kongress lassen keinen Zweifel daran, dass die Abgeordneten auf der Seite der Mega-Profiteure der Eisenbahn stehen und gemeinsam mit ihnen gegen unser Streikrecht nach dem Ersten Verfassungszusatz und gegen grundlegende Menschenrechte handeln. Ich frage euch: Geht es in diesem Kampf nur um Krankentage? Nein, verdammt nochmal! Es geht darum, wirklich grundlegende Änderungen an den Institutionen durchzusetzen und die Unterdrückung der Arbeiter durch die Konzerne, Regierungen und die Gewerkschaftsbürokratie zu beenden. Und es geht um unser Recht, unsere Arbeit zu verweigern.
Nie war es offensichtlicher, dass wir uns im Klassenkrieg befinden. Deshalb ist die große Frage für alle hier Anwesenden: Was werden wir tun? Die einfache Antwort lautet: Das ist die Sache der Belegschaften. Ich glaube, es ist ein Wendepunkt im Kampf, und unsere Strategie für das weitere Vorgehen muss methodisch, gut geplant und organisiert sein ... Eine Strategie, die die Geschichte der gescheiterten Arbeiterbewegungen und Revolutionen aufarbeitet, damit wir die Fehler nicht wiederholen. Eine, die auch die Siege der Vergangenheit anerkennt und sie uns zunutze macht.
Wir müssen uns zu einer intelligenten Arbeiterfront gegen die imperialistische Bourgeoisie zusammenschließen“, schloss er. „Diese Art von Veränderung kommt manchmal in Wellen, und wir dürfen nicht ungeduldig sein ... Aber wir müssen auch sehen, dass Veränderungen manchmal plötzlich kommen, und wir müssen bereit sein, zu handeln und zu reagieren und standhaft zu bleiben.“
Ein weiteres RWRFC-Mitglied, ein Elektriker aus Nebraska, sprach ebenfalls: „Jemand im oberen Management hat behauptet, die Arbeit trage nicht zum Profit bei ... [Aber] wenn wir Elektriker und Maschinisten unsere Arbeit nicht machen würden, wie gäbe es dann überhaupt einen Profit?“
Wenn die Arbeiter jetzt nicht aufstünden, dann werde „sich das wiederholen, immer und immer wieder. Diese Unternehmen werden immer wieder das Gleiche tun.
Wir kämpfen gegen Leute, denen wir zahlenmäßig 10.000-fach überlegen sind. Ihre Gier hat die Oberhand, und sie wollen niemandem irgendetwas abgeben, vor allem keinem Arbeiter wie mir ... Wenn wir alle aufstehen, können wir gewinnen! Wir können diesen Kampf gewinnen. Wir können sogar den Krieg gegen sie gewinnen.“
Später bekräftigte ein weiterer Eisenbahner diesen Punkt: „Ich sage, wir müssen unsere Stärke nutzen. Wir wissen, dass wir stark sind. Was wir heute im Gegensatz zu früher haben ... ist unsere Technologie und unsere Kommunikationsfähigkeit. Davon sollten wir Gebrauch machen und auf alle [Arbeiter] überall zugehen und sie definitiv zu einem Generalstreik aufrufen.“
Tom Mackaman, Historiker der Arbeiterbewegung vom Kings College, hielt ebenfalls eine Rede. Er schilderte die Geschichte des Klassenkampfs der amerikanischen Eisenbahner, darunter den Großen Eisenbahnerstreik von 1877 und den Pullman-Streik von 1894. Mackaman nannte drei große Lehren daraus. Erstens: „Es gab niemals einen Schritt vorwärts, wenn nicht die Eisenbahner sich über alle Berufsgruppen, Linien, Knotenpunkte und Regionen vereinigt hatten. Und das erste Hindernis dabei waren immer die bestehenden Gewerkschaften.“ Diese waren seit den 1860ern eng auf der Basis von Berufsgruppen organisiert, weil die Einheit aller Eisenbahner die Privilegien der Gewerkschaftsbürokratie gefährdet hätte.
Zweitens: „Der Staat, die amerikanische Regierung, ist kein neutraler Vermittler“, sondern ein Instrument der Klassenherrschaft. Seit 150 Jahren hat der Staat immer wieder zu Gunsten der Eisenbahnunternehmen und gegen die Arbeiter interveniert. Mackaman schilderte zahlreiche Beispiele dafür, wie Regierungen einstweilige Verfügungen, Anti-Streik-Gesetze und sogar das Militär benutzt hatten, um Streiks von Eisenbahnern abzuwürgen.
Drittens, so Mackaman zum Schluss: „Die große potenzielle Stärke der Eisenbahner ergibt sich aus der strategischen Position, die sie in der amerikanischen Wirtschaft einnehmen ... Ihr müsst eure Appelle an den Rest der Arbeiterklasse richten, die unter den gleichen Bedingungen zu leiden haben wie ihr.“
Danach erklärten Arbeiter aus anderen Branchen ihre Unterstützung für die Eisenbahner. Elizabeth, eine Pflegerin aus Kalifornien, erklärte: „Genau wie bei den Eisenbahnern wächst auch unter den Pflegekräften die Wut. Uns bringt ein kollabierendes Gesundheitssystem an die Grenzen unserer Belastbarkeit ... Die Pflegekräfte betteln um Hilfe, aber das politische Establishment und die öffentlichen Behörden hören uns nicht zu, weil sie für diese Katastrophe verantwortlich sind.“
Sie erklärte: „Ich weiß aus erster Hand, wie die Gewerkschaften die Arbeiterklasse an die Demokraten binden, weil es mir passiert ist, als ich noch Gewerkschaftsvertreterin war. Ich habe Wahlkampf für Bernie Sanders und ein von allen bezahltes Gesundheitssystem gemacht. Aber als Bernie vor Biden kapitulierte, habe ich erkannt, dass ich als Pflegerin ausgenutzt werde. Es war ein Schlag ins Gesicht. [Die Gewerkschaftsbürokratie und die Demokraten] sind keine Freunde der Arbeitnehmer. Sie sind Werkzeuge des Kapitalismus, und das wird sich nie ändern.“
Savannah, die an dem Streik von 50.000 Doktoranden an der University of California teilgenommen hat, sprach ebenfalls. Sie beschrieb die Bedingungen, unter denen Doktoranden leben, die „an einer der prestigeträchtigsten Universitäten der Welt 40, 50 oder sogar 60 Prozent ihres Einkommens“ für Miete zahlen.
Sie erklärte, nachdem die für sie zuständige Gewerkschaft, United Auto Workers (UAW) jetzt versuche, einen Ausverkauf durchzusetzen, „beginne ich zu erkennen, dass die Gewerkschaft von Bürokratie und neoliberalen hegemonischen Kräften durchsetzt ist ... Ich bin hier, um meine Unterstützung und Solidarität mit den Eisenbahnern und allen Arbeitern im Land zu zeigen. Wir sind jetzt mit einem parteiübergreifenden Angriff auf die Arbeiter konfrontiert.“
Will Lehman, der als Autoarbeiter zur Wahl des UAW-Präsidenten antrat, mit dem Ziel, den Gewerkschaftsapparat abzuschaffen, sprach ebenfalls über die Wahl, in der die UAW-Bürokratie die Wahlbeteiligung vorsätzlich auf weniger als zehn Prozent verringert hatte. Dies beweise, dass der Weg vorwärts nicht darin liege, die Zusammensetzung des Gewerkschaftsapparats zu ändern, sondern eine Bewegung der Basis aufzubauen, die dem Apparat aus den Händen nimmt.
Ein weiterer der zahlreichen Redebeiträge kam von der Lehrerin Donna aus Tennessee, die den Kampf der Eisenbahner mit dem Kampf der Lehrkräfte gegen die Verschlechterung der Bedingungen an Schulen verbindet, und von Robert Stevens, einem WSWS-Autor aus Großbritannien. Er sprach über die Welle von Eisenbahnerstreiks in Großbritannien, welche die Regierung von Rishi Sunak mit Hilfe der Bürokratie zu unterdrücken versucht.
Zum Ende des Treffens wies David North, Vorsitzender der amerikanischen Socialist Equality Party und der internationalen WSWS-Redaktion, auf die Heuchelei Washingtons hin: Arbeitern werde ihr demokratisches Recht auf Streik genommen, während „Demokratie“ und „Menschenrechte“ immer wieder als Vorwand für Kriege auf der ganzen Welt bemüht würden.
Er erklärte: „Es ist eine der größten Herausforderungen, vor denen die arbeitende Bevölkerung steht, den Charakter der Gesellschaft zu verstehen, in der sie lebt. Sich nicht von hohlen Phrasen leiten zu lassen, sondern die tatsächlichen wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu verstehen, die diese Gesellschaft beherrschen, sowie die Art und Weise, wie sie im politischen System zum Ausdruck kommen.“ Er betonte, die Arbeiter dürften sich keine Illusionen hinsichtlich der Macht und Rücksichtslosigkeit des Staates machen. Er erklärte jedoch auch, dass sich die arbeitende Bevölkerung in der Geschichte oft organisiert habe, um Gesetze wie den Fugitive Slave Act*, der die Interessen der herrschenden Klasse verteidigen sollte, aus der Welt zu schaffen.
Das Anti-Streik-Gesetz sei durch den Kongress „gepeitscht“ worden, weil das „im Interesse und von grundlegender Bedeutung für die herrschende Elite war“. Er schloss: „Wenn man das Gesetz jetzt behandelt wie das absolut unanfechtbare Wort Gottes, dann kann man nichts tun. Aber wenn ihr versteht, dass hier Klassenrecht umgesetzt wird, das in der Vergangenheit nur durch Massenkämpfe überwunden wurde, dann sieht die Welt ganz anders aus.“
Zum Schluss der Veranstaltung übermittelten Dutzende von Teilnehmern Unterstützungserklärungen und fragten, wie sie sich am RWRFC beteiligen können.
Um mit den Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze in Kontakt zu treten, meldet euch per Whatsapp-Nachricht unter: +49 163 3378 340 oder füllt das untenstehende Formular aus. Um das Railroad Workers Rank-and-File Committee in den USA zu erreichen, schickt eine Mail an railwrfc@gmail.com oder SMS an 1 (314) 529-1064.
Anmerkung:
*Der Fugitive Slave Act war ein US-amerikanisches Bundesgesetz, das die Exekutive der Nordstaaten zwang, entlaufene Sklaven ihren Besitzern in den Südstaaten zurückzugeben. Es war vom Kongress am 18. September 1850 verabschiedet worden.
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