Bieterwettbewerb bei Ford: IG Metall bot 18 Prozent Lohnsenkung in allen deutschen Werken an

Die spanische Zeitung Economia Digital hat am Sonntag berichtet, was der Ford-Gesamtbetriebsrat unter Benjamin Gruschka angeboten hat, um das spanische Werk Almussafes (Valencia) zu unterbieten. Danach hat er Lohnkürzungen in Höhe von 18 Prozent und zusätzlich unentgeltliche Mehrarbeit im Umfang von 20 Tagen pro Jahr zugesichert.

Das Angebot betraf nicht nur die 4600 Beschäftigten in Saarlouis, deren Werk zur Disposition stand, sondern alle deutschen Standorte mit rund 22.000 Beschäftigten. Auch die Arbeiterinnen und Arbeiter im Stammwerk in Köln und dem Entwicklungsstandort in Aachen sollten zur Kasse gebeten werden. Der Gesamtbetriebsrat hatte bereits im Dezember 2021 angekündigt, das alle „Opfer“ bringen müssten, und das als „Solidarität für Saarlouis – Zukunft für alle!“ bezeichnet. Über die Höhe des Angebots, das er dem Konzern machte, schwieg er sich allerdings aus.

Demonstration der Ford-Arbeiter nach Verkündung der Schließung des Werks in Saarlouis, 22. Juni 2022

Als der Ford-Konzern einige Monate zuvor angekündigt hatte, die beiden Werke im Saarland und im spanischen Valencia müssten um den Zuschlag für die Produktion der nächsten Elektro-Fahrzeuge konkurrieren, waren die Belegschaften schockiert und sprachen sich gegen diese Spaltung aus. Trotzdem übernahmen die Betriebsräte und Gewerkschaften in Deutschland und Spanien die Aufgabe, den Bieterwettbewerb zu organisieren.

Im Januar 2022 gaben beide Betriebsräte ihre Angebote ab, seither unterboten sie sich immer wieder gegenseitig. Die IG Metall und ihre Betriebsräte schwiegen eisern über das Angebot, das sie gemeinsam mit der saarländischen Landesregierung unter Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) abgegeben hatten.

Als Ford dann im Juni letzten Jahres ankündigte, das nächste Elektro-Modell des Konzerns werde in Almussafes gebaut und der Produktionsstandort in Saarlouis geschlossen, gab sich Markus Thal, der Betriebsratsvorsitzende in Saarlouis, überrascht. Seitdem klagt er über die Entscheidung des Konzerns, weil das Angebot der IG Metall angeblich um 1,4 Milliarden Euro besser gewesen sei, als das von Almussafes. Dort hatte der Betriebsrat unter José Luís Parra von der Gewerkschaft Unión General de Trabajadores (UGT) den Bieterwettbewerb geführt.

Nun haben die spanischen Betriebsräte das Angebot aus Deutschland offengelegt. Im Ford-Werk in Almussafes stehen nämlich Betriebsratswahlen an. Aus diesem Grund versammelte die sozialdemokratische Gewerkschaft UGT, die die Mehrheit im Betriebsrat stellt, 1200 Mitglieder im Werk. Die UGT-Betriebsräte unter Parra mussten sich für die Kürzungen rechtfertigen, die sie im Bieterwettbewerb vereinbart hatten und nun umsetzen.

Dazu gehören das Einfrieren der Löhne für die nächsten vier Jahre, Lohnerhöhungen von nur 1,6 Prozent ab 2026 sowie eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit von 15 Minuten und die Streichung von Urlaubstagen. Das summiert sich zu einem Gesamtumfang von elf Tagen, die jeder Beschäftigte jährlich mehr arbeiten muss.

In diesem Zusammenhang enthüllte die UGT das IGM-Angebot, das noch höhere Kürzungen beinhaltete. Danach sollten die 22.000 Beschäftigten in Köln, Aachen und Saarlouis 18 Prozent weniger Lohn erhalten und 20 Tage mehr im Jahr arbeiten.

Wie sich das Angebot genau zusammensetzte, ist unklar. 15 Prozent der Lohnsenkung sollten angeblich aus der Kürzung von tariflichen Lohnbestandteilen zusammenkommen. Aktuell werden die Ford-Beschäftigten nach dem nordrhein-westfälischen IGM-Tarif für die Metall- und Elektroindustrie bezahlt. Übertarifliche Lohnbestandteile gibt es schon lange nicht mehr.

Haben Gruschka, Thal und die IG Metall Kürzungen diese Tarifniveaus angeboten? Oder haben sie den Verzicht auf zukünftige Erhöhungen angeboten?

Die restlichen 3 Prozent der 18-prozentigen Lohnsenkung sollten offenbar durch die Kürzung des 2021 erstmals vereinbarten „Transformationsgeldes“ (T-Zug) hinzukommen. Danach können Beschäftigte zwischen mehr Geld oder bis zu acht zusätzlichen freien Tage wählen.

Zudem sollte die Belegschaft in Saarlouis auf 20 freie Tage verzichten. Im Moment sparen die Beschäftigten aufgrund ihrer täglichen halbstündigen Mehrarbeit 14 bis 15 Freischichten pro Jahr an. Diese 14 Freischichten plus weitere sechs freie Tage – womöglich auch aus der T-Zug-Vereinbarung – sollten sich auf die insgesamt 20 Tage summieren.

Dieser massive Angriff auf die Existenzgrundlage der Arbeiterinnen und Arbeiter wurde offenbar in einem kleinen Kreis um Gruschka, Thal und die regionalen IGM-Funktionäre hinter geschlossenen Türen ausgearbeitet.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter von Ford müssen fordern, dass das Angebot offengelegt wird, mit dem die Betriebsräte und die Gewerkschaft das Fell der Belegschaften in Köln, Aachen und Saarlouis verkauft haben. Die außerordentliche Betriebsversammlung am 23. Januar in Köln ist eine gute Gelegenheit dazu. Bereits auf der Versammlung im Dezember wurde der Belegschaft des Kölner Stammwerks mitgeteilt, dass auch bei ihnen Arbeitsplätze abgebaut werden.

Das Ford-Aktionskomitee, in dem sich Kollegen gegen die Politik von Betriebsrat und IG Metall zusammengeschlossen haben, hat von Beginn an gefordert, das IGM-Angebot zu veröffentlichen. Doch Thal und Gruschka hatten dies immer vehement zurückgewiesen.

Erneut zeigt sich, dass das Ford-Aktionskomitee absolut recht hatte, als es den gesamten Bieterwettbewerb zurückwies. Das Komitee hat von Anfang an gewarnt, dass der Gewinner des Bieterwettbewerbs feststeht – der Konzern und die Betriebsratsspitzen. Die Belegschaften in Saarlouis, Almussafes und allen anderen Standorten konnten dagegen nur verlieren.

Nun läuft in Saarlouis die Produktion spätestens in zweieinhalb Jahren aus, mehrere Tausend Arbeiter verlieren ihre Existenzgrundlage.

Auch in Almussafes ist die Belegschaft nicht nur von Lohnkürzungen und Mehrarbeit betroffen, sondern auch von Arbeitsplatzabbau und womöglich sogar der Schließung des Werkes. Denn aktuell laufen mehrere Modelle aus – der Mondeo bereits im letzten Jahr, der S-Max und der Galaxy in diesem April und damit früher als geplant. Übrig bleiben die Produktion des Ford Kuga und eines Teils der Transit-Connect-Fertigung.

Der Produktionsstart des neuen Elektro-Fahrzeugs, für dessen Zuschlag die Löhne gesenkt und die Arbeitszeiten flexibilisiert werden, ist noch nicht terminiert und könnte, wenn überhaupt, erst 2030 starten. Im spanischen Werk gehen die Arbeiter davon aus, dass in diesem Jahr mehrere Hundert Beschäftigte ihren Job verlieren. Schon jetzt sind täglich 700 Arbeiter in Kurzarbeit.

Bereits 1937 schrieb Leo Trotzki, der Charakter einer Gewerkschaft äußere sich in „ihrem Verhältnis zur Verteilung des Nationaleinkommens“. Wenn die Gewerkschaftsfunktionäre „die Einkommen der Bourgeoisie vor Angriffen der Arbeiter verteidigen, wenn sie gegen Streiks kämpfen, gegen Lohnerhöhungen, […] dann sind sie keine Gewerkschaft, sondern eine Organisation von Streikbrechern“.

Heute kämpft die IG Metall nicht nur gegen Lohnerhöhungen. Sie kämpft für Lohnsenkungen; für Billiglohnarbeit in einer Industrie, in der die Arbeiter einst zu den bestbezahltesten gehörten. Sie ist eine arbeiterfeindliche Organisation, die die Angriffe des Konzerns gegen die Belegschaften durchsetzt.

In der Belegschaft in Saarlouis rumort es. Arbeiter fragen sich, wie sie diesen korrupten Betriebsrat ein für alle Mal loswerden und ihre Arbeitsplätze verteidigen können. Die aktuelle Ruhe – der Krankenstand beträgt teilweise bis zu 20 Prozent, zu den Betriebsversammlungen kommen nur noch wenige hundert Beschäftigte – kündigt eine neue Welle der Auseinandersetzungen an. Es ist die Ruhe vor dem Sturm.

Es kommt jetzt darauf an, sich auf diesen vorzubereiten. Meldet euch dazu beim Ford-Aktionskomitee und diskutiert das gemeinsame Vorgehen. Kontaktiert uns und schickt eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340

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