Berliner Müllwerker: „Wir sind streikbereit!“

Am gestrigen Dienstag versammelten sich mehrere Hundert Beschäftigte der Berliner Stadtreinigung, um der BSR-Geschäftsführung eine Unterschriftensammlung zu übergeben. Mehr als die Hälfte der knapp 6000 Beschäftigten hatte die Forderung nach einer Lohnerhöhung um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten unterschrieben.

BSR-Beschäftigte während der Übergabe der Petition

Ulrich Rippert, Kandidat der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl, nahm an der Kundgebung teil und diskutierte mit den Arbeitern.

Die Stimmung war kämpferisch. Viele Arbeiter waren mit ihren Müllwagen vorgefahren. Die Straße vor der BSR-Zentrale in Berlin-Tempelhof war vollständig blockiert. „Wir werden ganz Berlin blockieren, wenn sie dieses Mal unsere Forderung nicht erfüllen,“ rief ein Arbeiter einem Polizisten zu, der vergeblich versuchte, den Verkehr zu regeln.

„Das ist die absolute Untergrenze, diese Forderung müssen wir voll durchsetzen“, sagte ein Arbeiter im Gespräch mit Ulrich Rippert. Er arbeitet seit zweieinhalb Jahren bei der Müllabfuhr, hat Familie, und seine Frau hat derzeit keine Arbeit. Die steigende Inflation und die hohen Heizkosten seien für sie sehr schwer, sie kämen kaum über die Runden.

Auf die Frage, was er darüber denke, dass 100 – und bald vielleicht 300 – Milliarden Euro für militärische Aufrüstung und Krieg ausgegeben werden und angeblich kein Geld für höhere Löhne da sei, antwortete er: „Ja, die Kriegsentwicklung ist schlimm. Aber ich will es mal so sagen, wenn sich hier bei uns im Betrieb die BSR-Chefin über 200.000 Euro selbst auszahlen kann, dann ist unsere Forderung allemal berechtigt. Dann haben wir mehr verdient. Und ich persönlich empfinde es als einen Schlag ins Gesicht, dass über diese 10 Prozent überhaupt diskutiert und verhandelt werden muss.“ Für ihn und seine Kollegen seien die 10,5 Prozent oder 500 Euro mehr im Monat daher „das wirkliche Minimum“.

SGP-Kandidat Ulrich Rippert spricht mit einem älteren Arbeiter

Ein älterer Arbeiter, der eine Verdi-Fahne zusammengerollt in der Hand hielt – es waren ohnehin wenig Gewerkschaftsfahnen zu sehen, die meisten lagen auf einem Stapel am Straßenrand – sagte: „Ich habe eure Wahlplakate gesehen. Ich habe drei Kinder. Ich will diese rot-grün-rote Regierung loswerden. Waffen schaffen keinen Frieden! Man muss nur an 2002 und an Joschka Fischer denken. Die Grünen waren damals schon kriegsgeil. Was jetzt in Lützerath passiert, ist Realsatire. Die Grünen haben dort jahrelang schon alles abgebaggert und jetzt schicken sie die Polizei.“

Auf den Ukraine-Krieg und die militärische Aufrüstung angesprochen, sagte er: „Ich bin gegen die Sanktionen und gegen die Waffenlieferungen, ich spreche mich immer gegen den Krieg aus. Die Preissteigerungen und Inflation trifft immer die Kleinen, sie sind eine Art Kriegssteuern. Einem Millionär ist es egal, wenn die Butter teurer wird.“

Von Verdi hält er nicht viel. „Verdi ist wie eine Firma organisiert, sie ist rechtlich gesehen sogar eine GmbH. Sie muss ihren Firmensitz bezahlen und so weiter. Mit einer richtigen Gewerkschaft hat Verdi eigentlich nichts zu tun. Sie hängt sehr stark am Rockzipfel der SPD, genauso wie der DGB insgesamt. Deshalb halte ich vom DGB auch nicht viel. Ich bin jetzt gezwungenermaßen bei Verdi. Sie sind sehr zahnlos, mein Sohn lacht sich über die so genannten Warnstreiks kaputt. Die werden im Vorhinein angemeldet und kosten die Firma dann noch nicht einmal Geld, weil wir für den Tag einfach nicht bezahlt werden und später alles nacharbeiten müssen.“

Total gut fände er einen Generalstreik, „aber das Generalstreikprinzip ist ja in Deutschland verboten“.

Ein weiterer Arbeiter, der aus Angst vor Repressalien anonym bleiben wollte, sagte: „Wenn wir im Betrieb über Aufrüstung und zur Inflation sprechen, sage ich Kollegen immer: ‚Das ist auch dein Geld, das flöten geht‘. Aber man muss vorsichtig sein, was man sagt. Wenn du deine Meinung kundtust – was das demokratische Recht von jedem sein sollte –, kann es passieren, dass du schnell mal beim Vorgesetzten antanzen musst. Da ist gerade dieses Unternehmen hier sehr hinterher – und auch die Gewerkschaft. Vertrauensleute loggen sich unter falschen Namen in sozialen Medien ein, tun so, als ob sie Aktionen oder Bewegungen von unten unterstützten – und dann haben sie dich am Kragen.“

Den Vorschlag der Sozialistischen Gleichheitspartei, Aktionskomitees aufzubauen, um die Kontrolle von Verdi zu durchbrechen und Verbindung zu Arbeitern in anderen Städten und Ländern aufzubauen, fand er gut.

Ein Kollege, der neben ihm stand und familiäre Beziehungen zum Nahen Osten hat, sagte: „Das, was jetzt in der Ukraine passiert, haben sie schon mit Afghanistan und dem Irak gemacht. Was machen deutsche Soldaten in Afghanistan? Wenn jede Armee in ihrem Land bleiben würde und die reichen Länder nicht die Bodenschätze der anderen Länder haben wollten, dann gäbe es keinen Krieg. Wir die Arbeiter – also diese Klasse hier – wir sollen das Ganze dann auch noch bezahlen.“

Die Müllwerker bilden seit eh und je einen kämpferischen Block in der Gewerkschaft des öffentlichen Diensts. Doch in diesem Tarifkampf entwickelt sich von Anfang an ein Konflikt mit der Führung von Verdi. Angesichts der rapiden Preissteigerungen und dem wachsenden Unmut in vielen Betrieben sah Verdi sich gezwungen, bereits im September eine Umfrage unter ihren Mitgliedern durchzuführen.

Daran beteiligten sich 200.000, von denen sich 97 Prozent sich für eine wesentlich höhere Lohnforderung aussprachen. Die Beschäftigten der BSR forderten damals 16 Prozent mehr Lohn und erklärten ihre „volle Streikbereitschaft“. Verdi drückte dann die Forderung in vielen Versammlungen und Diskussionen auf das jetzige Niveau von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Diese Forderung deckt noch nicht einmal die Reallohnverluste der letzten zwei Jahre, die sich auf mehr als 12 Prozent belaufen. Verdi hatte 2020 einem Tarifvertrag zugestimmt, der die Entgelte über einen Zeitraum von 28 Monaten um insgesamt nur 3,2 Prozent erhöhte. Selbst wenn die neue Forderung in vollem Umfang durchgesetzt würde, sänken die Realeinkommen im kommenden Jahr bezogen auf 2020 um mindestens zehn Prozent.

Doch Verdi hat nicht die geringste Absicht, für diese abgespeckte Minimalforderung zu kämpfen. Im Gegenteil, sie bildet eine geschlossene Front mit dem Berliner Senat und der Bundesregierung, die entschlossen ist, die Kosten der militärischen Aufrüstung, des Ukrainekriegs und der Sanktionen gegen Russland den Beschäftigten des öffentlichen Diensts und der gesamten Arbeiterklasse aufzubürden.

Deshalb ist der Wahlkampf der Sozialistischen Gleichheitspartei in Berlin so wichtig.

Der SGP-Wahlaufruf betont, dass die Arbeiter stärker sind als die Gewerkschaftsapparate, die Unternehmen und die Regierungen. Sie produzieren den gesamten Reichtum der Gesellschaft und halten sie unter schwierigsten Bedingungen am Laufen. Um ihre Kraft zu entfalten, müssen sie sich in unabhängigen Aktionskomitees organisieren, die sich international zusammenschließen und den Kampf für sichere Arbeitsplätze und gute Löhne mit dem Kampf gegen Krieg verbinden. Die SGP verbindet ihren Wahlkampf deshalb mit einer Offensive für solche Aktionskomitees.

Wir fordern:

  • Leben statt Profite!
  • Verteidigt alle Arbeitsplätze! 30 Prozent mehr Lohn für alle und automatischer Inflationsausgleich!
  • Entschädigungslose Enteignung der Miethaie, Energiekonzerne, Kriegsgewinnler!

Diese Forderungen können nicht durch Appelle an die Herrschenden verwirklicht werden, denn alle kapitalistischen Parteien stehen hinter dem Krieg und der sozialen Verwüstung. Arbeiter brauchen ihre eigene Partei!

Der Wahlaufruf endet mit den Worten: „Es ist Zeit, aktiv zu werden und eine neue sozialistische Massenpartei aufzubauen, die die kapitalistischen Übel ein für alle Mal beseitigt. Wir rufen jeden auf, der sich nicht mit der schreienden sozialen Ungleichheit, der Zerstörung des Gesundheits- und Bildungssystems und der nuklearen Vernichtung unseres Planeten abfinden will: Teilt diesen Aufruf so breit wie möglich, informiert und mobilisiert Familie, Freunde und Kollegen, unterstützt unseren Wahlkampf und wählt am 12. Februar SGP!“

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