Zulieferindustrie unter dem Hammer der „Transformation“

Vom allgemeinen Umbau in der Autoindustrie sind die Beschäftigten der Zulieferbetriebe in besonderem Maß betroffen. Die großen Autokonzerne erhöhen den Druck auf die Zulieferer und dort versuchen viele Manager, unter Bedingungen der Energiekrise und der „Transformation“ zur E-Mobilität die Profite auf Kosten der Arbeitsplätze und Löhne der Belegschaft zu retten. Die gewerkschaftlichen Betriebsräte und IG Metall-Funktionäre sind ihnen dabei eine wichtige Stütze.

Mahle-Beschäftigte demonstrieren in Stuttgart (Bild: IGM/Julian Rettig)

Einer der weltweit großen, auf Antriebs- und Fahrwerktechnik spezialisierten Zulieferer ist der ZF-Konzern. Dieser hat gleich an mehreren Standorten den Abbau von Arbeitsplätzen angekündigt. Zwar soll am Stammsitz Friedrichshafen, wo 5.000 Beschäftigte Dieselmotorteile für Nutzfahrzeuge herstellen, die Produktion vorerst weitergehen. Aber die Werke in Brandenburg (1.500 Beschäftigte) und im nordrheinwestfälischen Eitorf (680 Beschäftigte) sind gefährdet, und im unterfränkischen Schweinfurt soll in den nächsten Jahren jede fünfte der 10.000 Stellen gestrichen werden.

Im Saarland ist ZF Saarbrücken der landesweit größte industrielle Arbeitgeber. Dort könnten bis zu 6.000 Stellen vernichtet werden. Derzeit sind noch 9.500 Arbeiterinnen und Arbeiter überwiegend für die klassische Verbrennertechnik beschäftigt. Bei der Transformation zur E-Mobilität arbeitet der Vorstand eng mit Betriebsrat und saarländischer Landesregierung zusammen. Dafür hat Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) dem Konzern jetzt drei Millionen Euro Subventionen zugesagt. Die Bedingungen hat der Betriebsratschef Mario Kläs im Saarländischen Rundfunk (SR) erklärt: Die Beschäftigten sollen Lohnverzicht üben und bereit sein, auch am Wochenende zu arbeiten.

Subventionen des Landes sollen auch für die neue Chip-Fabrik in Ensdorf bei Saarbrücken fließen. Dort baut der US-Konzern Wolfspeed einen neuen Standort für Halbleiterfertigung in „strategischer Partnerschaft“ mit ZF auf. Darin soll angeblich ein Teil der Arbeiter beschäftigt werden, die jetzt bei ZF oder auch bei Ford-Saarlouis entlassen werden. Allerdings entstehen im Chip-Werk nur maximal 600 Arbeitsplätze.

Für den Stellenabbau hat der Vorsitzende des ZF-Gesamtbetriebsrats, Achim Dietrich, Verständnis geäußert. Während man für einen Verbrenner-Motor 900 Teile benötige, seien es für einen Elektroantrieb nur etwa 200, sagte Dietrich, und fügte wie ein Finanzmanager hinzu: „Da ist die Wertschöpfung deutlich geringer.“

Dietrich erklärte dies auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der IG Metall Stuttgart und den Betriebsratschefs von Mahle und Bosch, in deren Werken ebenfalls Tausende Stellen gefährdet oder bereits abgebaut sind. Mit der Begründung, die Produktion werde auf E-Mobilität umgestellt, hat auch Bosch bereits einen drastischen Stellenabbau in seinen entsprechenden Werken begonnen. Auch bei Mahle werden Arbeitsplätze abgebaut und Werke stillgelegt. Nach dem Mahle-Filterwerk in Öhringen und einem Mahle-Werk bei Freiberg (Sachsen) im letzten Jahr soll auch das Werk Gailsdorf in Baden-Württemberg mit 300 Beschäftigten bis Ende 2023 schließen.

Während große Konzerne wie ZF, Mahle, Bosch, Conti oder Hella die Arbeitsplätze in Kooperation mit der IG Metall meist noch über Abfindungen, Vorruhestandsregelungen, Transfergesellschaften und Entlassung von Leiharbeitern abbauen, geht es bei den kleineren und mittleren Unternehmen immer häufiger um betriebsbedingte Kündigungen, Werkschließung und Insolvenz.

Oft ist es auch eine „Insolvenz in Eigenregie“, die es dem Vorstand ermöglicht, weiter zu produzieren und die vertraglich festgelegten Rechte der Belegschaft zu missachten oder ganz über Bord zu werfen. Dies droht beispielsweise den 1.200 Beschäftigten bei dem Anlagen- und Werkzeughersteller Frimo in Lotte (NRW).

Dieses Unternehmen hat schon in früheren Jahren versucht, die Tariflöhne zu umgehen oder auch in Absprache mit dem Betriebsrat den Arbeitern freiwillige Verzichtsleistungen abgenötigt. Jetzt hat die Holding Frimo Group GmbH und ihre operative Tochter Frimo GmbH beim Amtsgericht Münster einen solchen Insolvenzantrag gestellt, bei dem sie die Produktion weiterführen werden. Ein Insolvenzverwalter wird der Konzernleitung während des Sanierungsprozesses zur Seite gestellt. So kann die Liquidität, die aufgrund der „angespannten Auftrags- und Kostenlage in der Autoindustrie“ gefährdet ist, auf dem Rücken der Beschäftigten wieder hergestellt werden.

Gleichzeitig kämpfen in Sachsen 835 Beschäftigte des Gelenkwellenwerks GKN Driveline um den Erhalt ihres Betriebs. In dieser Woche finden mehrere Warnstreiks statt. Das Werk in Zwickau-Mosel, das seit 1981 in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Volkswagen-Werk besteht, soll „auf absehbare Zeit“ geschlossen werden. Die IG Metall wirft dem Unternehmen vor, die Produktion nach Osteuropa zu verlagern.

Auch in Lohmar (NRW) kämpfen 200 Arbeiterinnen und Arbeiter um den Erhalt ihres Werks. Dort hat der dänische Hydraulik-Hersteller Danfoss beschlossen, den Betrieb aus Lohmar in die Slowakei zu verlagern. Letzte Woche protestierten die Beschäftigten in ihrer Mittagspause vor der Fabrik, nachdem sie erfahren hatten, dass ein Gegenkonzept des Betriebsrats, um den Standort zu erhalten, abgelehnt worden war.

Auch die 350 Beschäftigten bei Borg Warner Beru in Ludwigsburg stehen vor der Schließung ihres Betriebs. Das Werk produziert schon seit hundert Jahren Glühkerzen für Motoren, zuletzt auch Hochvoltwasserzuheizer für E-Autos, daneben Kühler, Schlauchbinder und Ventile. Ab 2005 wurde es von dem US-amerikanischen Autozulieferer Borg Warner übernommen. Dieser hat bereits zwei andere Niederlassungen in Europa geschlossen.

Zuweilen kann schon die Ankündigung von Entlassungen und Standortschließungen die Aktien an der Börse in die Höhe treiben. Das hat sich zuletzt bei dem Industrie-Dienstleister Bilfinger gezeigt. Der Vorstandsvorsitzende des Konzerns für Industrieanlagen, der aus dem Baukonzern Bilfinger Berger hervorging, Thomas Schulz, hat beschlossen, weltweit 750 Arbeitsplätze abzubauen, obwohl die Umsätze im letzten Jahr gestiegen waren. Nun titelt das Portal Finanzen.net: „Bilfinger-Aktie auf Höhenflug“, und die Dividende wird erhöht.

In all den Zulieferbetrieben ist die Stimmung unter den Arbeitern aufs Äußerste gespannt. Sie werden seit Jahren zu Lohnverzicht und Überstunden genötigt, während die Preise seit einem Jahr, seit Beginn des Nato-Stellvertreterkriegs gegen Russland, massiv ansteigen. Sie sind bereit, den Kampf für Löhne, Arbeitsplätze und alle Errungenschaften aufzunehmen.

Dies hat sich zuletzt bei einem kleinen Betrieb in Baden-Württemberg gezeigt, bei der Kern-Liebers-Tochter Saxonia in Göppingen. Dort hat ein neuntägiger Streik von 230 Metallarbeiterinnen und -Arbeitern dazu geführt, dass die Direktion ihre Forderungen vollständig erfüllte. Saxonia hatte sich zuvor geweigert, den Tarifvertrag vom letzten November umzusetzen, hat sich aber am 3. Februar, nach neun Tagen Streik und einer wachsenden Solidaritätswelle in der Region, schriftlich verpflichtet, den Tarifvertrag einschließlich der (sehr bescheidenen) Lohnerhöhung von 8,5 Prozent zu erfüllen.

Die Automobil- und Zulieferarbeiter sind bereit und in der Lage, ihre Rechte und Arbeitsplätze zu verteidigen. Was sie bisher daran hindert, ist die bankrotte Standort-Politik der IG Metall. Die meisten Betriebsräte sind dieser Gewerkschaft angeschlossen, die zwar in Deutschland mehr als zwei Millionen Mitglieder hat, aber die Arbeiterinteressen der eigenen „Sozialpartnerschaft“ mit der Wirtschaft unterordnet.

Dies zeigt sich am deutlichsten daran, dass die IG Metall, wie auch Verdi und der DGB, kurz nach Beginn des Ukrainekriegs eine Konzertierte Aktion mit der Regierung und den Unternehmerverbänden vereinbart haben. Das Ziel dieser Aktion besteht darin, die horrenden Kosten der militärischen Aufrüstung und die Folgen der Sanktionen gegen Russland auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen und jeden Widerstand dagegen aufzufangen. Seither wird „umstrukturiert“ und „transformiert“, was mit immer neuen Entlassungen und den größten Lohneinbußen seit den 1930er Jahren einhergeht.

Am Montag hat die IG Metall in Stuttgart eine „Transformations-Konferenz“ mit 250 Betriebsräten über die Zukunft der baden-württembergischen Zulieferindustrie organisiert. Der Name „Go East?“ war Programm: Die Konferenz sollte ausdrücklich den Standort Baden-Württemberg verteidigen und gegen die Tendenz der Konzerne Front machen, die Produktion nach Osten zu verlagern. Wie IG Metall- Landesbezirksleiter Roman Zitzelsberger erklärte, habe die IG Metall „Go East“ ganz bewusst mit einem Fragezeichen versehen. „Ich will jetzt noch ein klares ,Nein‘ dahinter setzen – mit drei Ausrufezeichen“, sagte Zitzelsberger.

Die Gewerkschaft steht jeder Perspektive feindlich gegenüber, Metallarbeiter verschiedener Länder, die doch überall vor denselben Problemen stehen, im solidarischen Arbeitskampf gemeinsam zu mobilisieren. Stattdessen diente die Konferenz ausdrücklich dem Ziel, „die für Baden-Württemberg so bedeutende Industrie gut für die Zukunft aufzustellen und deren Transformation erfolgreich zu bewältigen“. Die IG Metall warnte, dass jeder zweite Zulieferer Verlagerung ins Ausland plane, „bei der Forschung und Entwicklung sind es sogar 75 Prozent“.

An einer Befragung vor der Konferenz hatten sich 115 Betriebsratsvorsitzende beteiligt. Demnach hätten viele Betriebsräte „die Frage nach der Beschäftigungsentwicklung … als rückläufig“ eingeschätzt: Bis Ende des Jahrzehnts werde „ein erheblicher Rückgang der Beschäftigten erwartet“. Dennoch schätzten drei Viertel der Befragten „die aktuelle wirtschaftliche Situation für 2023 als stabil ein“. Die Mehrzahl der Betriebe habe „die Lage erkannt und befindet sich in einem Transformationsprozess“.

Nicht verwunderlich ist das Ergebnis der Befragung und auch der Konferenz: eine starke Betonung ihrer eigenen Bedeutung für die Konzerne durch die IG Metall. „Um die Transformation erfolgreich gestalten zu können, ist die Mitbestimmung im Betrieb von großer Bedeutung“, lautet ihr Fazit. Deren Ziel ist nicht die Verteidigung der Arbeiterklasse, sondern der Erfolg der deutschen Zulieferindustrie. Die Umfrage habe ergeben: „93 Prozent der Befragten betrachten die IG Metall als wichtige Akteurin im Transformationsprozess, und 91 Prozent finden, dass für einen gelungenen Wandel der Druck von Betriebsrat und IG Metall nötig sind.“

Die Verteidigung von Löhnen, Arbeitsplätzen und -Bedingungen ist eine Klassenfrage. Sie kann nicht der IG Metall oder einer anderen Gewerkschaft überlassen werden, die sich dem Kapitalismus und dem Standort Deutschland verschrieben haben. Sie erfordert die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse für ihre Rechte und für ein sozialistisches Programm.

Die WSWS und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) helfen Arbeitern weltweit, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, die sich aus vertrauenswürdigen Kolleginnen und Kollegen zusammensetzen und sich international zusammenschließen. Notwendig ist ein sozialistisches Programm, das die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung über die Profitinteressen stellt und die Ausbeutungs- und Kriegspolitik beendet.

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