Verdi vereinbart Reallohnsenkung bei Hamburger Hochbahn: Ein Vorgeschmack auf den Ausverkauf im öffentlichen Dienst

Mitte Februar verkündeten die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und die Hamburger Hochbahn AG einen Tarifabschluss für die rund 6000 Beschäftigten. Für Tausende vor allem Bus- und U-Bahnfahrer bedeutet das eine weitere Reallohnsenkung. Verdi beschönigt das Ergebnis als „Inflationsausgleich“ mit einer „starken sozialen Komponente“ und lässt bis zum 14. März die Mitglieder darüber abstimmen.

Hamburger Hochbahn [Photo by Nawi112 / wikimedia / CC BY-SA 3.0]

Der Tarifabschluss sieht rückwirkend zum 1. Januar eine Erhöhung der Tariflöhne um 4,5 Prozent, mindestens aber um 300 Euro vor. Zum 1. Januar 2024 steigen sie um weitere 3 Prozent, mindestens jedoch um 100 Euro, bei einer Laufzeit von 18 Monaten. Angesichts einer offiziellen Inflationsrate von 8,7 Prozent und Preissteigerungen bei Energie- und Lebensmittelpreisen von 20 bis 50 Prozent bedeutet das einen massiven Reallohnverlust.

Um dies zu kaschieren, erwähnt Verdi in ihrer offiziellen Pressemitteilung diese Werte gar nicht, sondern spricht von einer „Erhöhung der Einstiegslöhne um 14,5 Prozent über die gesamte Laufzeit“ für den Fahrdienst. Das ist nichts weiter als Schönfärberei, ausgehend von der Festbetragserhöhung bei den niedrigsten Löhnen im Fahrdienst. Eine weitere Beruhigungspille ist eine einmalige steuerfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.500 Euro, bzw. 750 Euro für Azubis, die sich nicht auf den Tabellenlohn auswirkt.

Verdi hatte die Tarifverhandlungen mit der Forderung nach 600 Euro mehr Lohn bei einer Laufzeit von 12 Monaten begonnen. Laut Hamburger Abendblatt hätte dies einer Erhöhung von 17 Prozent in einem Jahr entsprochen. Nun hat Verdi einen Abschluss vereinbart, der nicht einmal halb so hoch ist. Und dies obwohl die Hochbahn-Beschäftigten am 1. Februar mit einem eintägigen Warnstreik ihre Kampfbereitschaft zeigten.

Das Ergebnis reiht sich nahtlos an den letzten Tarifabschluss an, der mit Erhöhungen von 1,4 Prozent (mindestens 50 Euro) im April 2021 und von 1,8 Prozent im April 2022 den Reallohn ebenfalls empfindlich senkte. Bei offiziellen Inflationsraten von 3,1 im Jahr 2021 und 7,9 Prozent im Jahr 2022 bedeutete er ein Lohnminus von 8 Prozent. Nun sollen die Reallöhne erneut sinken.

Dieser Abschluss inmitten der Warnstreiks im öffentlichen Dienst ist nicht nur eine Warnung für Hundertausende Bus-, Tram- und U-Bahnfahrer in Deutschland, sondern für alle streikenden Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Dort fordert Verdi nominell mindestens 500 Euro bzw. 10,5 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Die Regierenden in Bund und Kommunen haben eine Erhöhung von drei Prozent zum 1. Oktober 2023 und zwei Prozent zum 1. Juni 2024 über eine Laufzeit von 27 Monaten angeboten, plus zwei Einmalzahlungen von 1500 und 1000 Euro.

Das laute Getöse der Verdi-Funktionäre sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht sie dieses Angebot als „Frechheit“ verstehen, sondern die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die den Gewerkschaftsfunktionären im Nacken sitzen.

Verdi hat sich, wie alle DGB-Gewerkschaften, bereits mit den Arbeitergebern verständigt, dass sie keine nennenswerten Lohnerhöhungen zulassen werden, um die angebliche „Inflationsspirale“ nicht anzuheizen. Das ist der Zweck der Konzertierten Aktion, die sich seit Juli letzten Jahres regelmäßig im Kanzleramt trifft.

Nach jahrelangen Reallohnsenkungen und der Mehrfachbelastung durch die Corona-Pandemie wachsen Frust und Wut. Insbesondere die Tatsache, dass Aber- und Abermilliarden in Krieg und Aufrüstung gesteckt werden, während für bessere Löhne, mehr Personal und bessere Ausstattung angeblich kein Geld da sei, schürt bei vielen Arbeitern die Entschlossenheit zu kämpfen.

Damit ist der öffentliche Dienst nicht allein. Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter in ganz Europa sind nicht länger bereit, ihren Lebensstandard für Krieg, Aufrüstung und Milliardenprofite an den Börsen zu opfern. In Frankreich kämpfen Millionen gegen die Verschlechterung ihrer Renten, und in Großbritannien streiken Hunderttausende seit Monaten gegen die Angriffe auf Löhne, Arbeitsplätze, das Streikrecht und den Nationalen Gesundheitsdienst.

Doch Verdi und ihre hochbezahlten Funktionäre stehen auf der anderen Seite. Sie isolieren die Arbeiter, indem sie zu einzelnen Aktionstagen in vereinzelten Branchen und zu regionalen Streiks aufrufen, statt die geballte Macht von Millionen Arbeitern zu mobilisieren. Verdi-Chef Frank Werneke und Co. bereiten einen Ausverkauf vor. Dass ihm in den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst mit Nancy Faeser und Karin Welge zwei SPD-Parteifreundinnen gegenübersitzen, erleichtert die „vertrauensvolle“ Zusammenarbeit ungemein.

Die Erfahrungen der letzten Jahre und jüngster Abschlüsse wie bei der Hamburger Hochbahn zeigen, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst ihre Interessen nur verteidigen können, indem sie den Streik selbst in die Hand nehmen und von Verdi unabhängige Aktionskomitees aufbauen.

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