Perspektive

Streik an den Schulen in Los Angeles hat weltweite Bedeutung

Im dreitägigen Streik von 65.000 Beschäftigten und Lehrkräften an den öffentlichen Schulen in Los Angeles, der größte Streik in den Vereinigten Staaten seit 2019, kommt die wachsende Welle internationaler Kämpfe der Arbeiterklasse erneut zum Ausdruck. Die schlimmste Inflationskrise seit Jahrzehnten, ausgelöst durch die dreijährige Corona-Pandemie und den einjährigen Krieg in der Ukraine, zwingt die Arbeiter weltweit, für ihre Interessen zu kämpfen.

Die Arbeitsbedingungen an den öffentlichen Schulen im Schulbezirk Los Angeles (LAUSD), dem zweitgrößten Schulbezirk der USA, gehören zu den schlechtesten des Landes. Die Schulen sind chronisch überfüllt und unterbesetzt. Die Arbeitsbelastung steigt, während die Löhne inflationsbedingt sinken.

Lehrer und Schulbeschäftigte vor dem Hauptgebäude der Schulbezirksverwaltung in Los Angeles am 21. März 2023 [AP Photo/Damian Dovarganes]

Das durchschnittliche Jahresgehalt eines Schulangestellten beträgt nur 25.000 Dollar, was in einer der teuersten Städte der Welt nackte Armut bedeutet. Ein Drittel dieser Arbeiter „war während ihrer Berufstätigkeit obdachlos oder stark von Obdachlosigkeit bedroht“, und fast jeder Vierte gab an, „sehr oft nicht genug zu essen zu haben“. Diese Angaben stammen von der Gewerkschaft, die sie angeblich vertritt, der Service Employees International Union (SEIU). Zehntausend Streikende erhalten nicht einmal eine Krankenversicherung über den Bezirk, ihren Arbeitgeber.

Celene, Lehrerin für Sonderpädagogik, sagte der World Socialist Web Site: „Es ist mein erstes Jahr als Lehrerin, und die Arbeitsbelastung war ein echter Schock. Wir brauchen mehr Unterstützung bei der Arbeit. Ich habe drei Jobs. Ich gehe putzen, jobbe in einem Lager und arbeite als pädagogische Hilfskraft für Sonderpädagogik. Ich arbeite mindestens 60 Stunden pro Woche.“

Celene

Die Schulangestellten der LAUSD, deren Streik sich die Lehrer aus Solidarität angeschlossen haben, müssen wissen, dass ihr Kampf Teil einer weltweiten Bewegung der Arbeiterklasse ist. Er folgt auf eine Welle von Arbeitskämpfen unter US-Pädagogen im vergangenen Jahr, u. a. in Minneapolis, Sacramento, Seattle und Columbus, sowie auf einen wochenlangen Streik von 48.000 Studenten an der University of California.

Neben dem Kampf in L.A. haben in den letzten Wochen auch in Frankreich, Griechenland, dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Portugal, Neuseeland, Israel, Indien, Südafrika und anderen Ländern Massenstreiks und Proteste stattgefunden. Daran beteiligt waren Lehrer und Erzieher, Postler, Studenten, Rentner, Pflegekräfte, Müllwerker, Beschäftigte im öffentlichen Dienst und andere Teile der Arbeiterklasse.

Eine hochexplosive Situation herrscht in Frankreich, wo der „Präsident der Reichen“, Emanuel Macron, gegen überwältigenden Widerstand Rentenkürzungen durchsetzen will. Millionen von Arbeitern, Jugendlichen und Rentnern gehen seit Januar auf die Straße. Der französische Staat setzt zehntausende Polizisten ein, die Paris und andere Großstädte in eine Art belagerte Festung verwandelt haben.

Die grundlegenden Fragen, um die es im Streik an den Schulen in Los Angeles geht, sind die gleichen, die die Arbeiter in allen Ländern zum Kampf treiben.

In den letzten drei Jahren der Pandemie hat der jahrzehntelange Angriff auf das öffentliche Bildungswesen in Los Angeles, in den gesamten USA und auf internationaler Ebene eine neue Qualität angenommen. Die bereits zuvor überfüllten und baufälligen Schulen sind noch weiter verrottet. Laut einer Recherche der WSWS sind wahrscheinlich mindestens 10.000 aktive und pensionierte Pädagogen allein in den USA an Covid-19 gestorben. Weltweit gab es 20 Millionen Tote.

Die Weigerung sowohl der Demokraten als auch der Republikaner, eine wissenschaftliche Strategie gegen Corona umzusetzen, machte die Schulen zu den Haupttreibern der Pandemie. Schüler und Lehrer, die mit 30, 40 oder mehr Personen in schlecht belüfteten Klassenzimmern zusammengepfercht waren, infizierten sich massenhaft mit dem Virus und streckten zu Hause ihre Familien an.

Nach Angaben der Gesundheitsbehörden (die sich selbst der Manipulation der Wissenschaft schuldig gemacht haben, um die Wiedereröffnung der Schulen durchzusetzen) haben sich in den USA etwa 65,7 Millionen Kinder, d. h. 96,3 Prozent, mindestens einmal mit Covid-19 infiziert. Dies wird langfristige Auswirkungen haben, denn allein in Los Angeles leiden Tausende von Kindern an Long Covid.

Der Krieg in der Ukraine, der von den imperialistischen US-Nato-Mächten in ihrem Streben nach geopolitischer Vorherrschaft und Ressourcen angezettelt wurde, eskaliert in Richtung des Dritten Weltkriegs. Ein solcher Krieg würde die Jugendlichen, für die sich die Lehrkräfte in Los Angeles jetzt einsetzen, das Leben kosten. Die Gefahr eines Atomkriegs, der die Menschheit auszulöschen droht, war noch nie so groß wie heute.

Im vergangenen Jahr hat der US-Imperialismus über 100 Milliarden Dollar an das ukrainische Militär bezahlt, damit es den Stellvertreterkrieg gegen Russland führt. Anfang dieses Monats beantragte die Regierung Biden für das kommende Jahr einen Militärhaushalt in Höhe von 1 Billion Dollar. Ähnliche Rekord-Militärausgaben wurden in Deutschland, Japan, Frankreich und anderen imperialistischen Ländern beschlossen, um sich auf einen direkten Konflikt sowohl mit Russland als auch mit China vorzubereiten.

Die Pandemie und der Krieg haben die globalen Lieferketten stark in Mitleidenschaft gezogen. In Kombination mit den finanziellen Rettungsaktionen vom März 2020 und den Militärbudgets des vergangenen Jahres haben diese weltwirtschaftlichen Entwicklungen die größte Inflationskrise seit den 1980er Jahren ausgelöst. Jeden Tag sinken die Reallöhne, während die Unternehmensgewinne und das Vermögen der Milliardäre steigen. Ein neuer Bankenzusammenbruch würde weitere Rettungsaktionen nach sich ziehen und die Spirale aus Inflation und sinkendem Lebensstandard beschleunigen.

Während die Stadtverwaltung und die Medien scheinheilig die Probleme der Kinder wegen des Schulstreiks beschwören, sind die dort Beschäftigten in Wirklichkeit schon aufgrund ihres Berufs äußerst sensibel für die soziale Krise, von der Kinder in ihrem Alltag betroffen sind. Sie kämpfen nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Zukunft der nächsten Generation.

Um ihren Kampf voranzutreiben, müssen die Beschäftigten an den Schulen von Los Angeles eine internationale und revolutionäre Strategie verfolgen. Nur so können sie die politischen Kräfte zurückschlagen, die sich gegen sie verschworen haben.

In erster Linie erfordert dies einen Bruch mit der Demokratischen und der Republikanischen Partei und die Initiierung einer Rebellion der Basis gegen die Gewerkschaftsbürokratien, die versuchen, die Arbeiter den Demokraten und dem kapitalistischen System unterzuordnen.

Am Dienstag haben die SEIU und die United Teachers Los Angeles (UTLA) den demokratischen Politiker Adam Schiff eingeladen, auf einer wohlinszenierten Kundgebung zu sprechen. Schiff, der ehemalige Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses, ist ein Kriegsfanatiker, der den Krieg gegen Russland vehement unterstützt. Während er sich als Verbündeter der Schulbeschäftigten ausgibt, ist Schiff direkt für den Krieg und die Sparmaßnahmen in Amerika verantwortlich.

Hinter Schiff stand die UTLA-Vorsitzende Cecily Myart-Cruz, ein Mitglied der Democratic Socialists of America (DSA). Die DSA gibt sich zwar als „sozialistisch“ aus, ist aber in Wirklichkeit eine Fraktion innerhalb der kapitalistischen Demokratischen Partei. Die DSA hat drei Mitglieder im Stadtrat von Los Angeles und zwei Mitglieder im dessen Schulbehörde, darunter dessen Vorsitzende Jackie Goldberg.

Letztes Jahr stimmten die DSA-Mitglieder im Kongress für den Krieg in der Ukraine und für ein Gesetz, mit dem 120.000 Eisenbahnern ein schlechter Tarifvertrag aufgezwungen wurde. Damit wurde ein mächtiger Streik verhindert, der das Land zum Stillstand gebracht hätte.

Es herrscht eine tiefe und wachsende Unzufriedenheit mit den Gewerkschaften, deren zaghafte Forderungen nichts zur Verbesserung der Lebens- oder Arbeitsbedingungen der Schulangestellten in Los Angeles beitragen. Der Verrat der Gewerkschaften UTLA und SEIU 2019 ist nicht vergessen. 2019 hatten die Lehrer nur wenige Stunden Zeit, um über einen schlechten Tarifabschluss abzustimmen, und 2021 sorgten beide Gewerkschaften gemeinsam mit den Demokraten dafür, dass die Schulen wieder geöffnet wurden, bevor die Lehrer überhaupt geimpft waren.

Am Mittwoch gab die SEIU bekannt, dass ihr Verhandlungsteam Gespräche mit dem Schulbezirk aufgenommen hat, die von der demokratischen Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, geleitet werden. Das ist ein Alarmzeichen. Genauso lief es 2019, als der damalige Bürgermeister Eric Garcetti den Tarifvertrag der UTLA mit der LAUSD vermittelte.

Die Gewerkschaften sahen sich gezwungen, in dieser Woche einen dreitägigen Streik auszurufen, weil sie unter dem enormen Druck der Beschäftigten standen, die sich ihrer Kontrolle zu entziehen drohten. Diese Tendenz zum eigenständigen Handeln ist überall zu beobachten. Für Freitag planen Erzieher in Oakland (Kalifornien) einen unabhängigen Streik in Solidarität mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Los Angeles.

Die wachsende Streikbewegung in den USA und international muss auf alle Teile der Arbeiterklasse ausgedehnt werden. Dazu müssen an jeder Schule und an jedem Arbeitsplatz Aktionskomittes gebildet werden, die von den Arbeitern selbst kontrolliert werden. Diese Komitees müssen für eine wissenschaftliche Strategie zur Eindämmung der Pandemie, eine umfassende Ausweitung der Mitttel für die öffentliche Bildung und für die sozialen Interessen der internationalen Arbeiterklasse kämpfen.

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