Nach Streikabbruch: Bauindustrie kündigt Abbau von 10.000 Stellen an

Kaum eine Woche nachdem die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) am 28. Mai ihre Streiks vorerst abgebrochen und einer Tarifeinigung zugestimmt hat, haben die Baukonzerne den Abbau von 10.000 Arbeitsplätzen angekündigt.

Großbaustelle Hamburger Hafencity [Photo by Uwe Rohwedder / wikimedia / CC BY-SA 4.0]

Als Grund gab der Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Peter Hübner, letzte Woche in Berlin an, die Bau-Unternehmen rechneten in diesem Jahr mit einem vier Prozent niedrigeren Umsatz.

Nur zwei Tage später, am Donnerstag letzter Woche, stimmte die Bundestarifkommission dennoch mit großer Mehrheit dem Einigungsvorschlag zu, den die IG BAU Ende Mai mit den Unternehmen des Bauhauptgewerbes vereinbart hatte. Die fast eine Million Bauarbeiter – 800.000 im Westen und 200.000 im Osten – sollen also mit ihren Arbeitsplätzen für den Umsatzrückgang bezahlen.

Die Gremien der Arbeitgeber, der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, müssen dem Vorschlag noch bis Freitag zustimmen. Falls sie das tun, wird dies als Startschuss für die Entlassungen gelten. Einer ersten Tarifvereinbarung hatte ein Teil der Arbeitgeber die Zustimmung verweigert, obwohl die IG BAU bereits zugestimmt hatte.

Einmal mehr wird deutlich, dass die Beschäftigten ihre Löhne, Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze nicht mit der Gewerkschaft verteidigen können. Die IG BAU wollte von Anfang an keinen Arbeitskampf führen und wurde von den Arbeitgebern geradezu in die Streiks gezwungen.

Die IG BAU hatte in der Tarifrunde im Bauhauptgewerbe, die Ende Februar begann, ursprünglich eine monatliche Lohnerhöhung von 500 Euro gefordert. Der vorher geltende Tarifabschluss für Bauarbeiter war im Herbst 2021 vereinbart worden, noch ehe die Inflation infolge von Kriegspolitik und Energiekrise explodierte. In den fast drei Jahren Laufzeit erhielten die Bauarbeiter im Westen nur 6,2 Prozent und im Osten nur 8,5 Prozent mehr Lohn. Da die Verbraucherpreise in dieser Zeit um 14,7 Prozent stiegen, bedeutete das eine Reallohnsenkung von 6,2 bis 8,5 Prozent.

Daher war die Kampfbereitschaft unter den Belegschaften groß. Doch schon nach wenigen Wochen erklärten IG BAU und Arbeitgeber die Verhandlungen für gescheitert. Sie nutzten die Schlichtung, um den Bauarbeitern ein Ergebnis vorzusetzen, das nicht einmal die erlittenen Verluste ausgeglichen hätte. Vorgesehen war eine Erhöhung des Tariflohns um 250 Euro für alle Beschäftigten ab Mai, nach weiteren elf Monaten sollten 4,15 Prozent im Westen und 4,95 Prozent im Osten hinzukommen.

Doch während die IG BAU diesem erbärmlichen Schlichterspruch sofort zustimmte, lehnte ihn ein Teil der Arbeitgeber im Baugewerbe ab. Die IG BAU wurde somit regelrecht in den Streik gezwungen. Vorher hatte die Gewerkschaft 17, bundesweit sogar 22 Jahre lang nicht mehr streiken lassen. Dass sie den Streik nur widerwillig organisierte, wurde den kampfbereiten Maurern und Polieren schnell klar. Die IG BAU leitete keine Urabstimmung für einen flächendeckenden Streik ein, sondern rief ausdrücklich nur zu „punktuellen Warnstreiks“ auf.

Zu Beginn der Streiks warnte die WSWS: „Die IG BAU wird alles tun, um einen flächendeckenden Streik zu vermeiden. Sie wird nach dem ersten Strohhalm greifen, um den Streik abzuwürgen.“

Zwei Wochen später, am 28. Mai, hatten sich die Verhandlungsgruppen der Gewerkschaft und der Arbeitgeber bereits geeinigt. Die Löhne und Gehälter sollen nach einer einmonatigen Nullrunde rückwirkend zum 1. Mai 2024 monatlich „in der Summe“ um 260 bis 380 Euro steigen. Die Berechnung der IG BAU setzt sich aus einer prozentualen Erhöhung um 1,2 Prozent im Westen und um 2,2 Prozent im Osten sowie einem zusätzlichen Festbetrag von 230 Euro monatlich zusammen. Die unterste Lohngruppe 1 soll auch im Westen 2,2 Prozent mehr Lohn erhalten.

Zum 1. April 2025 gibt es dann weitere 4,2 (West) bzw. 5 Prozent (Ost). Noch ein Jahr später, zum 1. April 2026, sollen die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen bundesweit vereinheitlicht und dann um weitere 3,9 Prozent erhöht werden. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von drei Jahren bis April 2027.

Laut den Rechenbeispielen, die die IG BAU letzte Woche veröffentlicht hat, erhalten etwa Baufacharbeiter der Lohngruppe 4 im Westen in drei Jahren eine Erhöhung um brutto rund 16,3 Prozent. Das sind 3,65 Euro pro Stunde oder 631 Euro pro Monat. Poliere im Osten bekommen im gleichen Zeitraum rund 17,6 Prozent oder 963 Euro im Monat mehr.

Berücksichtigt man die lange Laufzeit und den Umstand, dass Arbeiterfamilien besonders stark unter den Preisexplosionen bei Benzin, Heizung, Lebensmitteln und Mieten leiden, die weit höher ausfallen als die offizielle Inflationsrate, dann bedeutet auch dieses Ergebnis erneute eine Reallohnsenkung.

Die Bauarbeiter tragen damit wie andere Arbeiterinnen und Arbeiter die volle Last der Kriegspolitik der Bundesregierung und der daraus folgenden Preissteigerungen. Geht es nach den Bauunternehmen, zahlen sie dafür in den kommenden drei Jahren auch mit ihren Arbeitsplätzen. Denn die Konzerne und Betriebe wälzen den Sparkurs der Ampelkoalition, die Milliarden in Kriege und Aufrüstung steckt anstatt in den Bau von Wohnungen und Infrastruktur, auf ihre Beschäftigten ab.

So erwartet der Branchenverband der Bauindustrie allein im Wohnungsneubau einen Umsatzrückgang von zwölf Prozent gegenüber dem letzten Jahr. Hatte die Ampel-Koalition 2021 noch den Bau von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr versprochen, wurden 2022 und 2023 jeweils nur 295.000 Wohnungen fertiggestellt.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben erst kürzlich betont, dass sie am gekürzten Etat für dieses Jahr festhalten wollen. 6,73 Milliarden Euro kann das Bundesbauministerium im laufenden Jahr ausgeben, 600 Millionen Euro weniger als im letzten Jahr.

Wegen des Anstiegs der Zinsen und der Verteuerung von Baumaterialien in den letzten zwei Jahren befinden sich kleinere Baufirmen extrem unter Druck. Die großen Konzerne müssen ihre Renditeerwartungen herunterschrauben. Das alles soll zu Lasten der Beschäftigten gehen.

In dieser Situation ist eine Organisation notwendig, die gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung auftritt, die alle sozialen und öffentlichen Ausgaben kürzt, um „Deutschland wieder kriegstüchtig“ zu machen. Nötig ist eine Organisation, die für die demokratische Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung über den Wohnungs- und Infrastrukturbau eintritt – kurz: die sowohl dem Kriegstreiben der Bundesregierung als auch dem Profitstreben der großen Bau-Konzerne entgegentritt.

Doch die IG BAU ist nichts dergleichen. Über zahlreiche Fäden ist sie mit den Ampel-Parteien, vor allem der SPD, und auch den Baukonzernen verbunden. Die Zustimmung zum ersten miserablen Schlichterspruch hatte IG BAU-Chef Robert Feiger damit begründet, dass er und seine Führungskollegen sich ihrer „gesamtgesellschaftlichen Verantwortung“ bewusst seien. Unter „gesamtgesellschaftlichen Verantwortung“ verstehen sie die Kriegspolitik der Regierung und die Profitinteressen der Bau- und Immobilien-Konzerne. Feiger ist wie schon sein Vorgänger Klaus Wiesehügel SPD-Mitglied.

Viele IG BAU-Vorstandsmitglieder sind zudem Aufsichtsräte von großen Bauunternehmen. Carsten Burckhardt (SPD) und Nicole Simons sitzen im Aufsichtsrat der Hochtief AG, Ulrike Laux im Aufsichtsrat der Spie GmbH sowie der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG. Sie ist auch Mitglied im Verwaltungsrat der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft.

Der Gewerkschaftsapparat der IG BAU wird auch beim kommenden Arbeitsplatzabbau an der Seite der Konzerne stehen und seine Aufgabe darin sehen, die geforderten Entlassungen durchzusetzen.

Die Bauarbeiter haben die regierungsloyale und unternehmensnahe Gewerkschaftsarbeit mit Austritten beantwortet. In den letzten 30 Jahren hat die Baugewerkschaft über zwei Drittel ihrer Mitglieder verloren. Heute sind nur noch etwa 220.000 Mitglieder organisiert, darunter nicht nur Bauarbeiter, sondern auch Beschäftigte in der Gebäudereinigung, der Müllabfuhr, der Entsorgung und im Recycling.

Die rund eine Million Bauarbeiter sind eine Macht. Aber um diese zur Geltung zu bringen, müssen sie sich in Aktionskomitees zusammenschließen, die von der IG BAU unabhängig handeln.

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