Am Montag besetzten Studierende der Berliner Alice-Salomon-Hochschule für soziale Arbeit das Audimax, um gegen den anhaltenden Völkermord im Gazastreifen zu protestieren. „Stop arming Israel“ (Stoppt die Bewaffnung Israels) und „Free Palestine“ stand in großen Lettern auf den Fenstern des Hörsaals. Am Donnerstagabend endete der Protest mit Diskussionen und der Vorführung des Dokumentarfilms „No Other Land“.
In ihrem Flugblatt mit dem Titel „Kein ‚Business as usual‘ während eines Genozids!“ erklären die Studierenden ihre „Solidarität und Anerkennung für frühere studentische Besetzungen weltweit“ und kritisieren:
Nach über 450 Tagen brutalen Genozids am palästinensischen Volk, der mit jeder Sekunde katastrophaler wird, unterstützt unsere Universitätsleitung weiterhin die genozidale, rassistische und kriminalisierende deutsche Staatsräson.
Seit dem 7. Oktober 2023 hat Deutschland Waffenlieferungen im Wert von 160 Millionen Euro bereitgestellt, um den Genozid des Apartheidstaates Israel zu unterstützen. In dieser Zeit hat die rassistische Polizeipräsenz und Gewalt bei Protesten zur Solidarität mit Palästina zugenommen. Dies wurde durch einen enormen Anstieg der Finanzierung von Repression und Kriminalisierung von Palästinenser*innen und solidarischen Menschen unterstützt. Um faschistische Formen von Kontrolle und Unterdrückung zu finanzieren, kürzt der deutsche Staat gleichzeitig die Mittel für den sozialen Sektor.
Die Alice-Salomon-Hochschule sei eine der bekanntesten Hochschulen in Deutschland für Sozialarbeit und Gesundheitsbildung und biete Studiengänge und Seminare zu Menschenrechten und Antirassismus an. Studierende „sehen das Banner an der Hochschule mit den Worten Menschenrechte, Menschenwürde, Menschlichkeit. Doch die Universität leugnet weiterhin den Genozid in Gaza und unterstützt die Komplizenschaft des deutschen Staates. Was für eine Heuchelei!“
Die Universitätsleitung unter der Rektorin Bettina Völter duldete die Besetzung des Audimax, forderte die Studenten aber auf, über Nacht das Gebäude zu verlassen, was diese akzeptierten. Gleichzeitig war die Polizei mit mehreren Einsatzwagen angerückt und hatte sich vor dem Eingang der Universität postiert, um den Protest einzuschüchtern.
Die Unipräsidentin und Professorin Völter konfrontierte mutig die aggressiven Polizisten und verwies sie vom Eingang der Hochschule. Auf einem Video auf Instagram ist zu sehen, wie sie das Auftreten der Beamten als „bedrohlich“ verurteilt.
Die Gruppe der Besetzer erklärte auf ihrem Instagram-Account „notinourname_ash“, dass die rund 50 Studierenden die Hochschule friedlich verlassen hätten, sie aber auf dem Alice-Salomon-Platz ein „massives Polizeiaufgebot“ erwartete. Bei der dort angemeldeten Kundgebung seien fünf Menschen ohne Grund vor den Augen der Unileitung „brutal festgenommen“ worden. Laut Angaben der Polizei wurden sechs Strafermittlungsverfahren eingeleitet. Noch am Freitag nach dem Ende der Besetzung stand die Polizei mit Einsatzwagen am Alice-Salomon-Platz.
Im letzten Jahr hatte die Polizei bereits die Proteste und Besetzungen an der Berliner Humboldt-Universität und der Freien Universität mit brutaler Gewalt unterdrückt, flankiert von einer wütenden Medienkampagne gegen die Studierenden sowie Polizeistaatsmaßnahmen auf dem Campus.
Auch nach dem ersten Tag der ASH-Besetzung begann eine mediale und politische Hetzkampagne. Der Regierende Bürgermeister Berlins, Kai Wegner (CDU), kritisierte Völters Auftreten gegen die Polizei und diffamierte die studentischen Besetzer als „vermummte und gewalttätige Antisemiten“. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Stettner forderte sogar den Rücktritt der Unipräsidentin. Der innenpolitische Sprecher der Berliner SPD zeigte sich gegenüber t-online „entsetzt“, dass sie nicht ihr Hausrecht wahrgenommen habe, und die Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) stellte sich in einer Pressemeldung demonstrativ hinter die Polizei.
Die mittlerweile notorisch rechte Jüdische Allgemeine denunzierte die Studenten als „Terrorunterstützer“. Auch der Zentralrat der Juden und der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, hetzten gegen die ASH-Rektorin und die Protestierenden.
Mitglieder der Sozialistischen Gleichheitspartei und ihrer Jugend- und Studentenorganisation IYSSE (International Youth and Students for Social Equality) unterstützten den Protest und diskutierten an mehreren Tagen mit Studierenden der ASH. Dabei sammelten sie auch etwa 50 Unterstützungsunterschriften für die Wahlteilnahme der SGP, die als einzige Partei für eine internationale Bewegung der Arbeiterklasse gegen Krieg und Völkermord eintritt.
Die Studentin Noura sagte: „Es ist gut, dass ihr hier an der ASH sammelt, denn die meisten der Studierenden hier sind klar gegen den Genozid in Gaza. Ich kannte die SGP noch nicht und bin sehr gespannt auf eure Webseite.“
Frieder war erfreut, dass die Vierte Internationale noch aktiv ist und die WSWS in so vielen Sprachen veröffentlicht wird: „Denn wir müssen international denken – egal, ob es sich um die Klimakrise, die Kriegsentwicklung oder Umweltverschmutzung handelt.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Julia erklärte, sie wolle erst unterschreiben, wenn sie den Flyer gelesen habe. Kurz danach entschied sie sich anders: „Auf der Rückseite stehen einige von euren Perspektiven, wie ‚Kein dritter Weltkrieg! Stoppt den Nato-Krieg in der Ukraine! Stoppt den Genozid in Gaza! Nie wieder Faschismus! Für ein vereintes, sozialistisches Europa!‘ Das spricht mir aus der Seele, das kann ich sofort unterschreiben.“
Es sei an der Zeit gewesen, dass endlich auch hier an der ASH ein Protest stattfindet, erklärte eine andere Studentin. Die Gleichsetzung von Kritik an der rechtsextremen Netanjahu-Regierung mit Antisemitismus sei absurd.
Eine Kommilitonin äußerte ebenfalls ihre Unterstützung für die Opposition gegen den Völkermord in Gaza. Sie stimmte zu, dass die Verbrechen in Gaza Teil einer breiteren Kriegsentwicklung im Nahen Osten und in Osteuropa sind. Das Geld, das jetzt in die Aufrüstung der Bundeswehr und in Waffenlieferungen fließt, müsste in den Sozialbereich investiert werden, sagte sie. Auch die ASH sei bereits von den Sparmaßnahmen des Berliner Senats betroffen. Im Dezember wurde die Kinderbetreuung an der Hochschule gestrichen, auf die viele studierende Eltern angewiesen seien. Befreundete Sozialarbeiter hätten aufgrund von Kürzungen bereits ihren Job verloren.
Einige Studierende zeigten sich in den Diskussionen besorgt über den politischen Rechtsruck. Michelle sagte: „Ich habe ziemliche Angst vor dem, was nach Trumps Einführung als Präsident der USA auf uns zukommt. Die Gefahr von Nationalismus und dem Wachsen von rechten Parteien ist groß und wir müssen jetzt Stellung beziehen. Es darf nicht wieder zu Faschismus kommen.“
Die italienische Studentin Valentina, die entsetzt die Lage in Italien unter der Faschistin Giorgia Meloni verfolgt, fragte nach den Ursachen des Rechtsrucks. Die IYSSE-Mitglieder diskutierten mit ihr darüber, dass die stalinistische Kommunistische Partei Italiens und die vermeintlich „linken“ Nachfolgeparteien die Interessen der Arbeiterklasse immer wieder verraten haben und damit den Rechten den Weg ebneten.
Die IYSSE unterstützen den Protest an der ASH und rufen Studierende und Arbeiter weltweit auf, die ASH-Studierenden gegen die rechten Angriffe der Politik und Medien zu verteidigen. Krieg und Militarismus gehen Hand in Hand mit Repression im Innern – ob gegen protestierende Studierende und Schüler oder streikende Arbeiter. Weltweit greift die herrschende Klasse zu den autoritären Methoden des Polizeistaats und fördert rechtsextreme Kräfte, um der wachsenden sozialen Opposition Herr zu werden.
Die Studierenden können die Kriegspolitik jedoch nicht stoppen, indem sie Appelle an die Regierungen und Universitätsleitungen richten. Sie müssen sich auf die internationale Arbeiterklasse orientieren, die einzige soziale Kraft, die den Genozid in Gaza durch Massenstreiks und eine revolutionäre Antikriegsbewegung beenden kann. Dafür kämpfen die IYSSE. Nehmt Kontakt zu uns auf und macht mit!
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