Ständige Hetze gegen Flüchtlinge und Migranten, rechtsextreme Verschwörungstheorien über „linke Eliten“ oder die Leugnung von Pandemien – all das ist seit Jahren salonfähig geworden und wird von Medien- und Regierungsvertretern gefördert. Dass sich Rechtsextreme dadurch bestärkt und ermutigt fühlen, zeigen die aktuellsten Daten der Kriminalbehörden.
Rechtsextreme Straftaten haben 2024 einen schockierenden Höchststand erreicht. Mit mindestens 41.406 Delikten wurde das Jahr 2023 um rund 40 Prozent übertroffen. Das ergaben Kleine Anfragen der Linkspartei im Bundestag. Da die endgültigen amtlichen Zahlen erst im Mai bekannt gegeben werden, können sie aufgrund von Nachmeldungen sogar noch steigen.
Damit setzt sich eine gefährliche Entwicklung fort. Schon 2023 waren rechte Straftaten um 23 Prozent gestiegen und hatten mit 28.945 Delikten den höchsten Stand seit 2001 erreicht. Diese Zahlen wurden jetzt nochmals überboten.
Dabei werden sie systematisch klein gerechnet. So ordneten die Behörden 2023 16.678 Straftaten der Kategorie „Sonstige“ zu. Dazu zählen auch Straftaten aus dem Milieu der Reichsbürger und der Querdenker, deren extrem rechtes Weltbild sich nur in Nuancen von jenem der offiziell als solche anerkannten Faschisten unterscheidet.
Etwa die Hälfte der Straftaten machten 2024 sogenannte Propagandadelikte aus, weitere rund 5000 betrafen Volksverhetzung und etwa 2000 Sachbeschädigung. Mit vorläufig 1443 Gewaltdelikten erreichte auch diese Zahl einen Rekord.
Unabhängig davon, was die endgültigen Zahlen im Mai sein werden, gibt es eine riesige Grauzone. Seit Jahrzehnten weisen Initiativen nach, dass rechtsextreme Tatmotive von der Polizei geleugnet werden. Teils erwirken sie nach jahrelangen Bemühungen eine nachträgliche Korrektur.
So begann 2022 das Landeskriminalamt NRW nach öffentlichem Druck 30 ältere Gewaltdelikte aus den Jahren 1984 bis 2020 zu überprüfen. Vier wurden im letzten Jahr als rechtsextreme Taten anerkannt. Die Fälle sind dermaßen eindeutig, dass sie ein Schlaglicht auf die rechtsextremen Strukturen im Staatsapparat selbst werfen.
Zum Beispiel wurde mit bald 20 Jahren Verspätung anerkannt, dass der Mord an Horst Pulter rechtsextrem motiviert war. Der Wohnungslose war am 5. Februar 1995 von sieben Neonazis im Stadtpark von Velbert erstochen worden. Sie hatten zuvor auf ihn eingeschlagen und ihn als „Penner“ und „Scheißjuden“ beschimpft.
Andere Opfer kämpfen weiterhin um Anerkennung. Etwa die inzwischen 90-jährige Mutter von Alexander Selchow, der in der Nacht zum Neujahr 1991 bei Göttingen von Neonazis aus dem Umfeld von Thorsten Heise ermordet wurde.
Ein weiteres Beispiel ist Rolf Baginski, der 1991 im thüringischen Nordhausen durch einen Neonazi getötet wurde. In der Untersuchungshaft wurde derselbe Neonazi dann vom Bundesamt für Verfassungsschutz als V-Mann angeworben. Er war im Umfeld des NSU aktiv, der zwischen 2000 und 2007 zehn Morde verübte.
Der bekannteste Fall ist die Leugnung des rechtsextremen Hintergrunds des Mords an Alexander W. in Idar-Oberstein. Der 20-jährige Student wurde als Kassierer an einer Tankstelle erschossen, nachdem er einen rechtsextremen Corona-Leugner auf die Maskenpflicht verwiesen hatte.
Die Amadeu Antonio Stiftung listet diese und weitere 219 rechtsextreme Morde auf, die sich seit 1990 ereignet haben, während in der staatlichen Statistik nur 116 Fälle erfasst sind.
Zunehmend werden die Regierungsparteien auch selbst Opfer der Geister, die sie riefen. Bereits 2019 ermordete ein Rechtsextremer den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), weil dieser sich für das Grundrecht auf Asyl ausgesprochen hatte. 2024 nahmen die Straftaten gegen Mandats- oder Amtsträger von 4047 auf 4923 zu.
Dass politisch Verantwortliche Opfer ihrer eigenen Politik werden, ist nicht neu in der deutschen Geschichte. So arbeitete die SPD nach dem Ende des Ersten Weltkriegs immer wieder mit rechtsextremen Militärs und Freikorps zusammen, um Arbeiteraufstände zu unterdrücken. Das schützte sie jedoch nicht davor, nach 1933 Opfer des Nazi-Regimes zu werden.
Auch der aktuelle Wahlkampf wird immer wieder von Übergriffen überschattet. Vor einer Woche griffen Rechtsextreme einen Wahlkampfstand der Linkspartei in Bautzen an. Ein Wahlkampfhelfer wurde ins Gesicht geschlagen und ein Stand mit Feuerwerkskörpern beworfen.
Anfang Februar wurde ein Wahlstand der Jusos in Freising überfallen und Mitte Januar ein Wahlkampfstand der Linksjugend am Dresdener Hauptbahnhof von rund 20 rechtsextremen Fußball-Hooligans angegriffen. Die Angreifer drohten, den Stand anzuzünden, und zerstörten den Tisch.
Kurz vor Weihnachten griffen ein halbes Dutzend Vermummte drei Wahlkampfhelfer der Linkspartei in Görlitz an und verletzten sie so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Kurz zuvor hatte ein rechtsextremer Attentäter beim Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt sechs Menschen getötet und 299 verletzt.
Im vergangenen Mai war Matthias Ecke (SPD) in Dresden von einer Gruppe rechtsextremer Jugendlicher krankenhausreif geschlagen worden.
Das Anwachsen rechtsextremer Schlägertrupps ist besorgniserregend. Es ist Teil des allgemeinen Rechtsrucks des gesamten Establishments. Dieses macht rechtsextreme Standpunkte nicht nur salonfähig, sondern bereitet ihnen auch den sozialen Nährboden und deckt rechtsextreme Netzwerke im Staatsapparat.
Wenn beispielsweise im Jahr 2023 62 Bundeswehrsoldaten, darunter zehn Offiziere, wegen rechtsextremer Gesinnung entlassen wurden, ist das nur die Spitze des Eisberges. Auch von den rechtsextremen Polizisten, die hinter den „NSU 2.0.“-Morddrohungen standen, wurde nur eine Handvoll belangt.
Angesichts der klaren Gefahren, die vom Staatsapparat selbst ausgehen, ist die Kritik, die Vertreter der Linkspartei nach ihren Kleinen Anfragen formulierten, politisch hohl.
So erklärte Petra Pau in der taz zwar, dass die „Stimmungsmache“ der Regierung gegen Geflüchtete und Migranten das Handeln der rechten Gewalttäter legitimiere. Nur um derselben rechten Regierung dann vorzuwerfen, dass „viel zu wenig passiert“ sei.
Tatsächlich ist unter Bundesinnenministern Faeser (SPD) so einiges „passiert“. Sie hat nicht nur die Kompetenzen von Polizei- und Geheimdienstbehörden ausgeweitet, sondern auch die Angriffe auf Flüchtlinge verschärft. Zugleich hat sie Klimaaktivisten kriminalisiert und den Palästina Kongress in Berlin mit Polizeistaatsmethoden unterdrückt.
Ähnlich wie sich die Eliten in den USA hinter Trumps faschistische Agenda stellen, übernehmen auch hier die Regierungsparteien das Programm der AfD oder suchen, wie CDU-Chef Friedrich Merz, sogar den offenen Schulterschluss mit der rechtsextremen Partei. Dahinter steht kein mangelndes „Verstehen“ und kein falsches politisches Kalkül, wie die Linkspartei predigt, sondern eine bewusste politische Agenda.
Wie vor hundert Jahren stützen sich die herrschenden Eliten auf rechtsextreme Kräfte, um ihr Programm von Aufrüstung, Sozialkahlschlag und Diktatur gegen die Bevölkerung durchzusetzen. Wer diese Tatsache nicht klar benennt, macht sich zum Helfer der rechtsextremen Verschwörung.