Die Spitzengespräche während der letzten Woche – darunter Treffen der Militärkommandanten und der Außenminister von fünf europäischen Staaten in Paris über eine „Koalition der Willigen“ zur Intervention in der Ukraine – unterstreichen, dass sich die imperialistischen Mächte Europas auf dem Kriegspfad befinden. Berlin, Paris, London und andere europäische Regierungen wollen ihre militärische Abhängigkeit von den USA verringern und im Zuge dessen beispiellose Angriffe auf die Arbeiterklasse durchsetzen.
Insgesamt 34 Nato- und Nicht-Nato-Mitgliedsstaaten nahmen am Dienstag an dem Treffen teil. Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete es als wichtigen Schritt in seiner – vom britischen Premierminister Sir Keir Starmer unterstützten – Initiative, eine Streitmacht aufzustellen, die Kiew im Falle eines Waffenstillstands „Sicherheitsgarantien“ bieten kann. Dass die USA nicht eingeladen waren, unterstreicht die Kluft zwischen Washington und den europäischen Mächten, die sich seit Donald Trumps Amtsantritt weiter vertieft hat. Der Spiegel wies darauf hin, dass sich die europäischen Stabschefs erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ohne einen Vertreter der USA in Paris getroffen haben. Neben den europäischen Nato-Mitgliedern nahmen auch Vertreter Australiens, Japans, Neuseelands und Kanadas teil.
Es war eine Sitzung geplant, in der die Teilnehmer detailliert beschreiben sollten, was und wie sie zu der Operation beitragen können. Die Diskussion endete jedoch ohne konkrete Zusage zur Entsendung von Truppen. Der Élysée-Palast veröffentlichte einen Pro-Forma-Bericht über die Veranstaltung. Darin wird Macron mit den Worten zitiert, es sei notwendig, einen Plan auszuarbeiten, um „glaubwürdige Sicherheitsgarantien“ für Kiew zu definieren. Er fügte hinzu: „Das ist der Moment, in dem Europa sich mit seinem ganzen Gewicht hinter die Ukraine stellen muss.“ Er bestätigte, bei dem Treffen sei beschlossen worden, dass jegliche „Sicherheitsgarantien nicht von der Nato und ihren Kapazitäten getrennt würden“.
Einen Tag später fand ein weiteres Treffen der Verteidigungsminister Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Polens statt. Bei einer Pressekonferenz erklärte der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu laut der Tagesschau, dass die von der „Koalition der Willigen“ zusammengestellten Streitkräfte wahrscheinlich an der polnisch-ukrainischen Grenze und nicht in der Ukraine selbst stationiert würden. Er erklärte, 15 Nato-Staaten hätten ihre Bereitschaft signalisiert, sich an dem Einsatz zu beteiligen, nannte aber keine Details. Ein weiteres Treffen sei in zwei Wochen geplant.
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius erklärte, man habe sich bei dem Treffen am Mittwoch auf drei Hauptbereiche geeinigt: gemeinsame europäische Verträge für künftige Munitionskäufe, um der Rüstungsindustrie „Planungssicherheit“ zu geben, eine Überprüfung der nationalen Zertifizierung für militärische Ausrüstung, um die europaweite Zusammenarbeit zu erleichtern und die Entwicklung europäischer Normen für Waffensysteme.
Ukraine und Russland
Die europäischen imperialistischen Mächte stehen nach Trumps Hinwendung zu direkten Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor einer schweren geopolitischen Krise. Im Vorfeld und nach der von den USA angestifteten russischen Invasion der Ukraine im Jahr 2022 hatten sie alles auf die transatlantische Beziehung gesetzt. In diesem Zusammenhang hatten sie einen Großteil der wirtschaftlichen Beziehungen zu Moskau abgebrochen, insbesondere den direkten Import von billigem Erdgas. Jetzt befürchten die europäischen Mächte zwischen Washington auf der einen Seite, möglicherweise im Bündnis mit Moskau, und Russland und China auf der anderen Seite isoliert zu werden.
In Bezug auf die Ukraine befürchten sie, dass Trump und Putin ein Friedensabkommen aushandeln, durch das sie bei der Plünderung der Bodenschätze leer ausgehen, die der US-Imperialismus sich durch ein koloniales Abkommen mit Selenskyj zu sichern hofft.
Putin hat Washington auch Chancen auf die Ausbeutung von Bodenschätzen in weitaus größerem Umfang innerhalb Russlands und dem russisch kontrollierten Gebiet in der Ostukraine versprochen, in dem sich 40 Prozent der seltenen Erden der Ukraine befinden. Die Europäer hatten gehofft, Russland im Bündnis mit Washington durch einen Krieg zu unterwerfen, auf den Status einer Halbkolonie zu reduzieren und sich Russlands reiche Bodenschätze anzueignen.
Russische Regierungsvertreter, darunter Außenminister Sergei Lawrow und die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, haben wiederholt erklärt, dass die Anwesenheit von Nato-Truppen auf ukrainischem Staatsgebiet inakzeptabel sei.
Laut Selenskyj wäre eine Truppe von 200.000 Mann erforderlich, um einen Waffenstillstand durchzusetzen. Die europäischen Mächte könnten aus eigener Kraft bestenfalls eine Truppe von einigen zehntausend Mann stellen. In einem kürzlich erschienenen New York Times-Artikel heißt es, selbst wenn Europa 30.000 bis 40.000 Soldaten in die Ukraine entsenden würde, könnte dies „die Fähigkeit der Nato schwächen, Russland davon abzuschrecken, das Bündnis im Baltikum auf die Probe zu stellen“. Jetzt ist von einer „Stabilisierungsstreitmacht“ die Rede, die nicht nur aus Soldaten besteht und von denen keiner an der „Front“ stehen würde.
Diese Probleme werden die europäischen Imperialisten jedoch nicht davon abhalten, ihre Interessen in der Ukraine und anderen Ländern mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Macron und Starmer sind gezwungen, ihre „Koalition der Willigen“ als Initiative anzupreisen, die Trump zur Zustimmung vorgelegt werden soll, aber der von ihnen eingeschlagene Kurs bedeutet, dass sie den Konflikt mit Washington und die Bereitschaft zu einem offenen Krieg gegen Russland auch ohne Unterstützung der USA verstärken werden.
Um sich dafür zu rüsten, müssen die europäischen Imperialisten ihren Angriff auf den Lebensstandard der Arbeiter in ihren Ländern massiv verschärfen.
Europas militärische Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten
Im Zentrum der geopolitischen Krise der europäischen Imperialisten steht die Ukraine, doch sie umfasst auch die Verfolgung ihrer Interessen in einer bereits stattfindenden gewaltsamen Neuaufteilung der Welt. Verschärft wird diese Krise noch durch ihre Abhängigkeit von der militärischen Unterstützung der USA bei großen Operationen. Die europäischen Mächte haben ihre Verteidigungsausgaben und militärische Ausrüstung jahrzehntelang hauptsächlich durch die Nato gesteuert, die seit ihrer Gründung zu Beginn des Kalten Kriegs von den USA dominiert wurde. Die meisten europäischen Länder, mit Ausnahme Frankreichs, verlassen sich bei ihren leistungsstärksten Ressourcen wie Kampfflugzeugen, Luftabwehrsystemen und Drohnen – einschließlich der britischen Atomwaffen – auf Kriegsgerät aus US-Produktion.
Zur militärischen Abhängigkeit der europäischen imperialistischen Mächte von den USA gehört auch die Fähigkeit, wichtige Waffentypen zu produzieren und zu warten sowie das entsprechende Personal zu mobilisieren. Laut einer Studie von Bruegel und dem Kieler Institut für Weltwirtschaft müssten die europäischen Mächte ihre Militärausgaben um 250 Milliarden Euro pro Jahr oder 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union erhöhen, um einen Rückzug der militärischen Ressourcen der USA aus Europa auszugleichen. Der ehemalige stellvertretende US-Verteidigungsminister, Jim Townsend, erklärte gegenüber der New York Times: „Die europäischen Armeen sind zu klein, um auch nur die Waffen zu beherrschen, die sie jetzt haben. Die Briten und Dänen zum Beispiel sind gute Militärs, aber sie wären nicht in der Lage, intensive Kämpfe für mehr als ein paar Wochen durchzuhalten.'
So benötigt beispielsweise das in den USA hergestellte Kampfflugzeug F-35 regelmäßig Software-Updates, um weiterhin einsatzbereit zu sein. In den europäischen Hauptstädten löst dies die Befürchtung aus, Trump könnte das Flugzeug deaktivieren, um sich in einem Streit mit Europa durchzusetzen, so wie er vor kurzem die Militärhilfe an die Ukraine ausgesetzt hat. In Deutschland wird über den Ausstieg aus einem Kaufvertrag über 35 F-35-Flugzeuge für die „atomare Teilhabe“ an US-Atomwaffen diskutiert. Unter anderem deutete Wolfgang Ischinger, ehemaliger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, an, eine Stornierung des Abkommens sei überlegenswert. Im Rahmen der „atomaren Teilhabe“ werden deutsche Flugzeuge seit dem Kalten Krieg mit amerikanischen Atomwaffen ausgerüstet, die deutsche Piloten auf Befehl Washingtons abfeuern würden. Das mögliche Ende dieses Arrangements veranlasste Macron zu dem Vorschlag, Frankreich könnte seinen „atomaren Schutzschirm“ auf Deutschland ausdehnen.
Um ihren Wunsch, unabhängig zu handeln, zu verwirklichen, müssten die europäischen imperialistischen Mächte ihre zivilen Industrien in viel größerem Umfang auf Rüstungsproduktion umstellen. Das Stockholm International Peace Research Institute veröffentlichte Anfang letzter Woche einen Bericht, laut dem die europäischen Nato-Mächte ihre Importe von militärischer Ausrüstung zwischen 2020 und 2024 im Vergleich zu den vorherigen fünf Jahren mehr als verdoppelt haben. 64 Prozent der Gesamtimporte kamen aus den USA, während es zwischen 2015 und 2019 nur 52 Prozent waren. Pieter Wezman, der Hauptautor der Studie, wies darauf hin, dass US-Waffenlieferungen an Europa „tief verwurzelt“ sind: „Es gibt immer noch Bestellungen über fast 500 Kampfflugzeuge und viele weitere Waffen von den europäischen Nato-Staaten bei den USA.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Krieg gegen die Arbeiterklasse
Um ihre Fähigkeit zu unabhängigem Handeln zu stärken – möglicherweise in Opposition zu Washington – haben sich die europäischen Mächte zu einem brutalen europaweiten Angriff auf die Arbeiterklasse verspflichtet.
Der designierte deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) verhandelt derzeit mit der SPD über ein Finanzpaket im Wert von mindestens einer Billion Euro, die in die Aufrüstung und die Modernisierung der Infrastruktur investiert werden sollen, um das Land kriegsbereit zu machen. Der Vorschlag würde alle Militärausgaben von über einem Prozent des BIP von der Schuldenbremse ausnehmen, sodass für den Krieg unbegrenzt Kredite aufgenommen werden dürften.
Laut einer Schätzung des Bundesrechnungshofs würden die jährlichen Zinsen auf den 500 Milliarden Euro schweren Infrastrukturfonds nach Ablauf seiner zehnjährigen Laufzeit zwölf Milliarden Euro betragen. Der Blankoscheck für Militärausgaben könnte jährliche Zinsen von mindestens 25 Milliarden Euro nach sich ziehen, sofern die Verteidigungsausgaben nicht noch über die Marke von 500 Milliarden hinaus erhöht werden. Das würde bedeuten, dass jedes Jahr fast 40 Milliarden Euro aus dem regulären Haushalt entnommen werden müssten, nur um die Zinsen für die Kredite zu bezahlen, nicht die Kredite selbst. Diese Summe entspräche mehr als 20 Prozent des derzeitigen jährlichen Etats für Sozialausgaben in Höhe von 180 Milliarden Euro.
Nach dem Gipfel der europäischen Regierungschefs, den Starmer am 2. März in London organisiert hatte, kündigte Macron an, Paris werde dem Parlament bald einen neuen Entwurf für den Verteidigungsetat vorlegen. Französische Regierungsvertreter räumen ein, dass die geplante Verdoppelung der Verteidigungsausgaben des Landes bis 2030 angesichts der drohenden verringerten Präsenz Washingtons in Europa nicht ausreichen wird. Macron versprach eine „Prüfung und Erhöhung“ der Zielvorgaben für den Verteidigungshaushalt. Gegenüber Le Figaro erklärte er: „In den letzten drei Jahren haben die Russen zehn Prozent ihres BIP für Verteidigung ausgegeben. Wir müssen uns auf das vorbereiten, was als nächstes kommt, mit einem Ziel von 3 bis 3,5 Prozent des BIP.“
Auf europäischer Ebene hat die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, ein Maßnahmenpaket vorgestellt, das Investitionen in Militärausgaben in Höhe von 800 Milliarden Euro vorsieht, darunter 150 Milliarden Euro in Form von Krediten der EU und eine Lockerung der Schuldenregeln, um Investitionen von EU-Mitgliedsstaaten im Wert von 650 Milliarden Euro zu ermöglichen. Indem die EU die Verteidigungsausgaben von der Vorschrift ausgenommen hat, dass die Regierungen nicht mehr als 3 Prozent ihres BIP aufnehmen dürfen, hat sie zusätzlichen Druck erzeugt, die Haushalte an anderer Stelle zu kürzen.
Die World Socialist Web Site verwies vor kurzem in einer Perspektive auf einen Aufruf im Economist zu einer „fiskalischen Revolution“ in Europa. Das Magazin ging auf die Äußerungen der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel ein, dass auf Europa 7 Prozent der Weltbevölkerung, 25 Prozent des BIP der Welt, aber 50 Prozent ihrer Sozialausgaben entfallen. Wir schlossen draus: „Die wachsenden Handels- und Militärkonflikte erfordern die vollständige Mobilisierung der Gesellschaft für den Krieg. Die Zerstörung der Reste des europäischen Wohlfahrtsstaates nach dem Zweiten Weltkrieg ist für die kapitalistischen Regierungen des Kontinents die einzige Möglichkeit, die jetzt geforderten Militärausgaben zu bezahlen. Und das bedeutet, einen Krieg gegen die Arbeiterklasse zu führen.“
Die Arbeiterklasse muss das wahnsinnige Aufrüstungs- und Kriegsprogramm der europäischen herrschenden Klassen entschieden zurückweisen. Die Sozialistische Gleichheitspartei, die deutsche Sektion des Internationalen Komitee der Vierten Internationale, schrieb dazu kürzlich in ihrer Erklärung „Stoppt den Rüstungswahnsinn! Sozialismus statt Krieg!“:
Die einzige gesellschaftliche Kraft, die die Katastrophe von Krieg und Faschismus verhindern kann, ist die internationale Arbeiterklasse, die den ganzen Reichtum schafft und die Last von Krieg und Krise zu tragen hat.
Wir setzen dem wachsenden Nationalismus, dem Handelskrieg und der Aufrüstung die internationale Einheit der Arbeiter entgegen. Der Krieg kann nur gestoppt und die sozialen und demokratischen Rechte können nur verteidigt werden, wenn der Kapitalismus selbst abgeschafft und durch eine sozialistische Gesellschaft abgelöst wird, in der die Bedürfnisse der Menschen und nicht die Profitinteressen im Zentrum stehen. Die großen Banken und Konzerne müssen enteignet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden.