Am 13. April stellte Marine Le Pen (Rassemblement National, RN) auf einer öffentlichen Veranstaltung in Paris eine aggressive Außenpolitik vor. Die neofaschistische Präsidentschaftskandidatin rief dazu auf, die Zusammenarbeit mit Deutschland zu beenden, Algeriern die Einreise zu verweigern und Muslimen in Frankreich mit gewaltsamer polizeilicher Unterdrückung zu drohen.
Die Parti de l'égalité socialiste (PES) in Frankreich hat Arbeiter und Jugendliche dazu aufgerufen, für einen aktiven Boykott der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen zwischen Le Pen und dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron einzutreten. Angesichts des reaktionären Charakters beider Kandidaten besteht der einzige Weg darin, sie beide abzulehnen und eine unabhängige Bewegung unter Arbeitern und Jugendlichen gegen die nächste Regierung aufzubauen. Die PES stützt diese Opposition auf den marxistischen Internationalismus und den Kampf für die internationale Einheit der Arbeiterklasse.
Die kriegerischen Äußerungen von Le Pen bestätigen die Politik, die die PES Arbeitern und Jugendlichen bei den Wahlen vorgeschlagen hat. Macron unterstützt eine rücksichtslose Nato-Politik, die Russland nach dem Einmarsch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine mit Krieg droht. Dies gibt Le Pen die Gelegenheit, Macron zu kritisieren und sich als weniger kriegerisch als der Amtsinhaber darzustellen – das ist jedoch nur falsches und demagogisches Gehabe.
Einerseits deutete Le Pen an, dass sie eine weniger aggressive Politik gegenüber Russland und auch China anstreben würde, das derzeit Russlands wichtigster internationaler Verbündeter ist. „Sobald der russisch-ukrainische Krieg vorbei ist“, so Le Pen, werde sie sich für eine „strategische Annäherung zwischen der Nato und Russland“ einsetzen.
Auch in Bezug auf China kritisierte sie die US-Außenpolitik als „zu aggressiv gegenüber Peking“. Washington, so Le Pen weiter, „braucht Feinde, um seine Verbündeten unter seine Herrschaft zu bringen“. Sie behauptete, dass Frankreich im Falle ihrer Wahl „gleichberechtigte Beziehungen zu Peking“ anstreben werde.
Diese Aussagen zielen darauf ab, Macron in die Mangel zu nehmen und Le Pens populistische Demagogie zu ergänzen, indem sie eine weniger rücksichtslose Militärpolitik präsentiert als diejenige des derzeitigen Präsidenten. In der Tat wissen unzählige Arbeiterinnen und Arbeiter, dass die Sowjetunion die Hauptrolle bei der Befreiung Frankreichs von der Nazi-Besatzung gespielt hat. Wenn in medialer Kritik an Le Pen dazu aufgerufen wird, Paris solle sich mit Washington und Berlin auf eine totale Konfrontation mit Russland einlassen, so ruft dies in der Bevölkerung breites Misstrauen und Unbehagen hervor.
Doch Le Pens Außenpolitik ist keine Friedenspolitik, ebenso wenig wie ihr Versprechen, das Renteneintrittsalter auf 60 Jahre heraufzusetzen, für eine Politik der sozialen Gleichheit steht. Le Pen schlägt lediglich vor, andere Feinde ins Visier zu nehmen – insbesondere Deutschland, die Hauptmacht in der Europäischen Union (EU), und Algerien, die ehemalige französische Kolonie, die ihre Unabhängigkeit in einem blutigen Kolonialkrieg 1954-1962 durch einen heroischen Kampf errungen hat.
Le Pen begann mit einer scharfen Kritik an Deutschland als unverbesserliches Hindernis für die militärischen und energiepolitischen Interessen des französischen Imperialismus.
„Deutschland bringt sich als das absolute Negativ der französischen strategischen Identität in Stellung“, sagte Le Pen. Sie setzte hinzu, dass „unüberbrückbare strategische Differenzen“ Paris und Berlin trennten und fügte an: „Ich werde nicht zulassen, dass Deutschland unsere Atomenergie zerstört.“
Le Pen schlug vor, mit Berlin zu brechen, während Macron die Zusammenarbeit mit Berlin intensiviert und versucht, die EU in eine aggressive Militärmacht zu verwandeln. „Wir werden jede Zusammenarbeit mit Berlin beenden, [einschließlich] der französischen Unterstützung für Deutschlands Anspruch auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat“, sagte sie. Sie warf Berlin vor, bei militärischen Projekten, wie etwa einem neuen europäischen Kampfjet oder Panzer, nicht mit Paris zusammenzuarbeiten.
Die Aufrüstung Europas gegen Russland und China, die in Berlin von Versuchen der herrschenden Elite begleitet wird, die Erinnerung an die Nazis zu legitimieren, ist zutiefst reaktionär. Aber die Versuche verschiedener Vertreter des französischen Imperialismus – wie Le Pen – eine eigenständige Politik zu konstruieren, sind keine fortschrittliche Alternative. Le Pen stellt sich nicht gegen Macron, weil sie den Militarismus oder einen Weltkrieg ablehnt, sondern weil sie eine andere Liste von Zielen hat.
Le Pen hängt nicht wie Hitler oder die Faschisten des 20. Jahrhunderts von einer Massenbewegung faschistischer paramilitärischer Milizen ab, die sich auf das Kleinbürgertum stützen. Solche Bewegungen gibt es derzeit nicht, und Arbeiter und Jugendliche bewegen sich in Massen nach links. Aber Le Pens Wahlpolitik sieht eine ultra-autoritäre Politik für den derzeitigen Polizeistaatsapparat vor, die auf den Traditionen der französischen extremen Rechten des 20. Jahrhunderts beruht.
Ihre Drohungen gegen Deutschland spiegeln die enormen militärischen Spannungen wider, die innerhalb der Nato und der Europäischen Union vor dem Hintergrund eines drohenden Krieges mit Russland zunehmen. Le Pen stützt sich dabei auf wesentliche Teile der französischen herrschenden Elite, der obersten Militärs und der Rüstungsindustrie. Sie knüpft auch an die faschistischen Parteien an, die sich zwischen 1870 und 1940 durch Germanophobie, Antimarxismus und Antisemitismus auszeichneten, bevor sie mit den Nazis kollaborierten.
Le Pen appellierte an die tausenden Offiziere im Ruhestand und im aktiven Dienst, die in der neofaschistischen Zeitschrift Current Values die Aufrufe zum Staatsstreich unterzeichnet haben. Diese Aufrufe stammten von Impfgegner-Generälen, die einen wissenschaftlichen Kampf gegen Covid-19 abgelehnt und den gescheiterten Putsch vom 21. April 1961 gegen die algerische Unabhängigkeit befürwortet haben. In diesem Umfeld drohte letztes Jahr eine große Gruppe von Offizieren mit einer militärischen Intervention innerhalb Frankreichs.
Macron hat zu diesen Drohungen geschwiegen, während Jean-Luc Mélenchon, der Kandidat von „Unbeugsames Frankreich“ (LFI), Macron lediglich aufforderte, seine Generäle unter Kontrolle zu bringen. Im Präsidentschaftswahlkampf hat kein Kandidat vor den Bedrohungen gewarnt, die die Armee für die französische Bevölkerung oder für die von ihr besetzten Länder in Afrika darstellt. Aber die Vorbereitungen für einen imperialistischen Krieg im Ausland gehen eindeutig Hand in Hand mit den Vorbereitungen für einen Klassenkrieg im eigenen Land.
Nach dem Abzug der französischen Truppen aus Mali in diesem Jahr – der von Massendemonstrationen gegen die französische Präsenz begleitet wurde – vertritt Le Pen eine aggressive Politik in Afrika, die auch dazu dient, die Unterdrückung arabischer und afrikanischer Einwanderer in Frankreich zu rechtfertigen.
Le Pen drohte, alle Algerier auszuweisen, die sich nicht an die französischen „Sitten“ und Gesetze hielten. Sie sagte: „Algerier, die bereits in Frankreich leben und sich nach französischem Recht verhalten, unsere Sitten respektieren und Frankreich lieben, haben keinen Grund, nicht zu bleiben. Die anderen, zugegebenermaßen eine Minderheit, werden gehen müssen.“
Sie forderte auch einen „klaren und unverblümten“ Dialog mit Algerien, in dem Paris seine imperialistischen Verbrechen wie Massenmord, Folter und Internierungen in Konzentrationslagern während des Algerienkrieges ohne Entschuldigung anerkennen würde. Sie sagte: „Die Vergangenheit anzuerkennen, ihre glorreichen Elemente und ihre dunklen Seiten, bedeutet keine Reue. Ich möchte freundschaftliche Beziehungen zum algerischen Volk aufbauen.“
Sie drohte auch damit, algerische Staatsangehörige an der Einreise nach Frankreich zu hindern, obwohl Millionen Franzosen algerischer Herkunft ihre Verwandten in Frankreich grüßen und nach Algerien reisen wollen. Sie schlug vor, „jede neue Visaerteilung für algerische Staatsangehörige, jede Genehmigung von Geldtransfers, jeden Erwerb von Eigentum in Frankreich durch algerische Würdenträger von der Rückübernahme der von Frankreich als ‚unerwünscht‘ ausgewiesenen Algerier durch das algerische Konsulat in Frankreich abhängig zu machen“.
Die Tatsache, dass sich der Großteil der medialen Kritik an Le Pens Agenda auf ihre weniger aggressive Politik gegenüber Russland konzentriert, unterstreicht die reaktionäre Entwicklung der gesamten französischen herrschenden Klasse. Denn eine Impfgegner-Pandemiepolitik, neokoloniale Kriege in Afrika und die Androhung einer militärischen Intervention in Frankreich selbst werden von der herrschenden Elite – auch in Macrons Kreisen – einhellig unterstützt.
Wie die PES in ihrem Boykottaufruf erklärt, zeigt dies die Notwendigkeit, unter Arbeitern und Jugendlichen eine Bewegung sowohl gegen Le Pen als auch gegen Macron aufzubauen. Als Teil dieses Kampfes wird die PES ihren gemeinsamen Kampf mit ihren deutschen Genossen in der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) intensivieren, die gegen die deutsche Wiederaufrüstung und die Legitimierung des faschistischen Militarismus kämpfen. In ihrem Kampf gegen imperialistischen Krieg und militärische Repression folgt die PES dem marxistischen Grundprinzip, dass der Kampf gegen den Imperialismus mit dem Kampf gegen denjenigen Imperialismus des eigenen Landes beginnt.
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