Krieg und Corona: Beschäftigte zahlen, Unternehmen kassieren

Während der Corona-Pandemie hatten die Konzerne die Arbeiter für ihre Verluste zahlen lassen. Milliardenschwere staatliche Unterstützung trieb die Aktienkurse in die Höhe. Nun bahnt sich die nächste Runde von Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen an.

Protest gegen Arbeitsplatzabbau bei Siemens Berlin im September 2019 (Foto WSWS)
Autoindustrie

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie fehlen den Automobilherstellern Halbleiter. Nun sind es wegen dem Krieg vor allem Kabelbäume, aber auch Stahl, die bislang in der Ukraine gefertigt wurden.

Die Konzerne der Autoindustrie nutzen die aktuelle Lage, um im Zuge des Umstiegs auf die Elektromobilität massenhaft Arbeitsplätze abzubauen und Arbeitsbedingungen zu schleifen.

Bei Ford konkurrieren gerade Werke in Saarlouis mit rund 4600 und in Almussafes (Valencia) mit rund 6700 Beschäftigten um die Produktionszusage eines weiteren Elektromodells. Das Aus für Saarlouis ist so gut wie besiegelt. Die IG Metall und ihre Betriebsräte arbeiten zurzeit mit der Konzernspitze in Deutschland die Mechanismen und Bedingungen aus.

Bei Europas größtem Autobauer Volkswagen sorgen anhaltende Versorgungsengpässe bei Halbleitern und Kabelbäumen zu Produktionsausfällen, die etwa durch die Aussetzung der Nachtschicht im Wolfsburger Stammwerk aufgefangen werden. Davon sind seit Anfang Mai 5000 Beschäftigte betroffen.

Dennoch hat VW seine Gewinne im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahresquartal fast verdoppeln können, weil die vorhandenen Materialien vor allem in den teureren PKW verbaut wurden. So verkaufte VW in den ersten drei Monaten mit 1,9 Millionen zwar ein Fünftel weniger Autos. Doch der Gewinn kletterte von 4,8 Milliarden auf 8,5 Milliarden Euro. Die operative Marge stieg sogar von 7,7 auf 13,5 Prozent.

Auch BMW ordnete wiederholt wegen fehlender Teile Kurzarbeit an, verdient aber ebenfalls besser als je zuvor. Zuletzt mussten 3000 der 9000 Arbeiter im Werk Regensburg für eine Woche die Produktion unterbrechen. Betroffen war die Arbeit in Presswerk, Lackiererei, Karosseriebau und Montage.

Aufgrund von Halbleitermangel schickt der Daimler-Konzern 8000 bis 9000 Arbeiter in Bremen ab kommendem Mittwoch für drei Tage in Kurzarbeit. Auch Sonderschichten sollen wegfallen.

Für die Beschäftigten der Autozulieferer wird es richtig eng. Die großen Zulieferer bauen seit einigen Jahren kontinuierlich Jobs ab und forcieren dies nun angesichts der aktuellen Entwicklung.

So werden bei Mahle, einem der fünf größten deutschen Automobilzulieferern, seit vier Jahren Arbeiter über freiwillige Abfindungsregelungen aus dem Konzern gedrängt. In dieser Zeit ist mehr als jede zehnte der einst 80.000 Stellen vernichtet worden. Nach und nach werden einzelne Bereiche an den Standorten geschlossen, Ende des Jahres soll die Gießerei in Zell bei Freiburg schließen, betroffen sind dort rund 50 Beschäftigte.

Die 2000 Beschäftigten des Automobilzulieferers Musashi hatten Ende April die Arbeit für 24 Stunden niedergelegt. An allen sechs deutschen Standorten in Thüringen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen ließ sie die IG Metall für die Forderung nach einem Sozialtarifvertrag antreten, mit dem in den nächsten acht Jahren die Hälfte der Belegschaft entlassen werden soll. Die Unternehmensleitung fordert einen massiven Lohnverzicht von den Beschäftigten.

Auch beim Automobilzulieferer Borg Warner in Kirchheimbolanden, wo rund 1300 Beschäftigte Turbolader herstellen, fürchten die Arbeiter um ihre Jobs. Das amerikanische Unternehmen beschäftigt an fast 100 Standorten weltweit etwa 50.000 Menschen. In Deutschland hatte die IG Metall einen so genannten Zukunftsvertrag mit dem Titel „Kibo 4.0“ ausgearbeitet, mit dem der Standort langfristig gesichert werden sollte.

Rund 400 Beschäftigte haben den Fahrzeugteile-Hersteller in den vergangenen Jahren verlassen, den übrigen Beschäftigten wurde der Verzicht auf einen Teil des Gehalts verordnet. Im Gegenzug sollten alternative Produkte hergestellt werden. Zusagen dafür bleiben aber aus, so dass nun die Angst umgeht, der Standort könne geschlossen werden.

Ähnlich ergeht es der Belegschaft von Neapco, die in Düren Antriebswellen und Differentiale für Autos herstellen. Vor drei Tagen nahmen 500 Beschäftigte, fast die gesamte Belegschaft, an einer Kundgebung der Betriebsräte teil, auf der im unvermeidlichen Sarg die Arbeitsplätze zu Grabe getragen wurden.

Die IG Metall und ihre Betriebsräte signalisieren damit, dass sie einen Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze ablehnen und die Neapco-Arbeiter zu Bittstellern bei der Konzernspitze sowie den lokalen und nationalen Regierungen degradieren. Sie fordern einen Teil der 14,8 Milliarden Euro, die Bund und Land für den Strukturwandel im Braunkohleabbau-Gebiet bis 2038 zur Verfügung stellen wollen.

Maschinenbau und Chemie

Auch in anderen Industrien zahlen die Beschäftigten die Zeche für die kapitalistische Krise.

Der Eberswalder Kranhersteller Kocks Ardelt hat nun Insolvenz angemeldet. Das Unternehmen soll saniert werden. Der Großteil des Stahls, mit dem rund 250 Arbeiter vor allem in Eberswalde, aber auch in Bremen und Oberhausen Schwerlastkräne etwa für Container-Häfen in China und Vietnam produzieren, kam bislang aus dem Asow-Stahlwerk im ukrainischen Mariupol. Da die Auftragsbücher voll sind, geht Insolvenzverwalter Christian Graf Brockdorff davon aus, dass sich Investoren bereit erklären, einzuspringen. Deren Gewinnansprüche werden die Beschäftigten dann mit Arbeitsplätzen und Lohnkürzungen bezahlen.

Der Traditionsbetrieb FAM in Magdeburg, der bisher unter anderem Förderanlagen für den Abbau von Braunkohle herstellte, hatte im Februar einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren gestellt. Nun hat die Beumer-Gruppe aus Nordrhein-Westfalen das Unternehmen übernommen und schließt die Produktion.

Bereits vor fünf Jahren war jede zehnte Stelle gestrichen worden. Nun sollen von den verbliebenen 500 Beschäftigen noch 185 Menschen ihre Jobs behalten, vorwiegend in Verwaltung und Management. Die IG Metall hat für die betroffenen Produktionsarbeiter eine einjährige Transfergesellschaft vereinbart, sprich: einen einjährigen Aufschub des Übergangs in die Arbeitslosigkeit.

Das Unternehmen Henkel (Persil, Pril, Schwarzkopf, Pattex), das auf eine mehr als 170-jährige Geschichte zurückblickt, will 2000 Arbeitsplätze abbauen. Der Konzern mit Sitz in Düsseldorf reagiert damit auf den Kostenanstieg für Rohstoffe und Transport. Allein für Material würden Preissteigerungen von 20 Prozent erwartet. Durch den Rückzug aus Russland erwartet der Konzern zudem rund fünf Prozent weniger Einnahmen. Henkel will seine elf Fabriken in dem Land entweder schließen oder verkaufen.

Während Henkel im Geschäft mit Industrieklebern Weltmarktführer ist und die Kosten weitergeben kann, sei das im Geschäft mit Kosmetik nicht möglich. Dieser Geschäftsbereich soll nun mit dem Bereich für Wasch- und Reinigungsmittel zusammengelegt werden, die 2000 Arbeitsplätze fallen demnach in Verwaltung, Vertrieb und Werbung weg. Im kommenden Jahr sollen dann auch Produktion und Logistik beider Teile zusammenarbeiten, dann sollen weitere Arbeitsplätze vernichtet werden.

Auch hier arbeitet Vorstandschef Carsten Knobel mit dem Betriebsrat und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) zusammen, um den Abbau zu organisieren.

Ausdrückliches Ziel ist es, den Gewinnrückgang zu stoppen. Für das laufende Jahr erwarte das Unternehmen eine Gewinnmarge von neun bis elf Prozent vor Zinsen und Steuern. Noch vor wenigen Jahren hatte die genannte Marge noch bei 15 Prozent gelegen. „Und genau das kommt an der Börse schlecht an“, schreibt die Deutsche Pressagentur (dpa).

Überhaupt sind es die Aktionäre, die darauf drängen, bei den Arbeitern zu kürzen und deren Ausbeutung zu erhöhen, um ihre Erträge abzusichern. Deutschlands börsennotierte Aktiengesellschaften schütten in diesem Jahr 70 Milliarden Euro an ihre Aktionäre aus. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Rekordzuwachs von mehr als 50 Prozent.

Das gilt auch für die Post. Die Corona-Pandemie hat die Paketsparte der Post gehörig anwachsen lassen, von 1,2 Millionen Pakete in 2016 auf gut 1,8 Millionen Pakete im Jahr 2021. Die Post hat in den vergangenen Jahren die Arbeitshetze ihrer Beschäftigten systematisch erhöht.

Nun will der Konzernvorstand die Aufteilung zwischen Brief- und Paketzustellung aufheben, weil sich die Briefpost in den letzten zehn Jahren halbiert hat. Zustellerinnen und Zusteller sollen zukünftig mit Autos sowohl Briefe als auch Pakete ausfahren. Wie viele der rund 190.000 Arbeitsplätze des Unternehmensbereichs „Post & Paket Deutschland“ dieser Umstrukturierung zum Opfer fallen, sagt der Postvorstand nicht.

Bis 2025 sollen mindestens 75 Prozent der Pakete zusammen mit Briefen zugestellt werden. Auch werde es keine festen Zustellbezirke mehr geben – vielmehr sollen Gebiete täglich neu verteilt werden und die Steuerung der Pakete und Briefe so flexibel sein.

Profiteure des Kriegs

Während die Post genauso wie die Pharma-Konzerne als unmittelbare Gewinner der Corona-Pandemie gelten, verdienen sich die Konzerne der Öl- und der Rüstungsindustrie eine goldene Nase am Tod in der Ukraine. Ölkonzerne wie BP, Exxon Mobil, Chevron oder TotalEnergies erzielten kräftige Zuwächse dank „gestiegener Energiepreise und florierender Handelsgeschäfte“ berichtet die Tagesschau. Zuletzt hatte Shell einen Rekordgewinn gemeldet. Der Gewinn im ersten Quartal 2022 schnellte um 43 Prozent auf 9,13 Milliarden Dollar (rund 8,6 Milliarden Euro).

Auch die beiden großen deutschen Rüstungs- und Waffenkonzerne Rheinmetall und Heckler & Koch vermelden Rekordprofite. Der Nettogewinn beim Düsseldorfer Panzer- und Artillerie-Fabrikanten Rheinmetall stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um drei auf 61 Millionen Euro.

Auch die Rüstungsfirma Heckler & Koch, die ausschließlich Handfeuerwaffen herstellt, machte zum Jahresauftakt mehr Profit. Der Nettogewinn wurde von 3,3 auf 8,1 Millionen Euro mehr als verdoppelt. „Soweit wir zurückblicken können, war es das beste Jahresauftakt-Quartal der Firmengeschichte“, jubelte Finanzvorstand Björn Krönert. Der wichtigste Kunde ist die Bundeswehr.

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