Kritische Rohstoffe, Imperialismus und der Krieg gegen Russland

Alle großen Kriege und Militärinterventionen der USA während des letzten Vierteljahrhunderts begannen mit dem Anspruch, hehre moralische Ziele zu verfolgen.

Im Irak-Krieg wurde der amerikanischen Bevölkerung eingeredet, ein Verrückter würde Massenvernichtungswaffen entwickeln. In Afghanistan sollten die Taliban-Dschihadisten vertrieben werden, um das Land zu befreien und um Osama bin Laden zu finden. In Libyen unterdrückte Muammar Gaddafi das Streben des Landes nach „Demokratie“ und „Menschenrechten“.

Nach konservativen Schätzungen wurden durch die Kämpfe in Afghanistan, im Irak, in Syrien, Pakistan und im Jemen seit Beginn der US-Konflikte zwischen 755.000 und 786.000 Menschen getötet, größtenteils Zivilisten. In Libyen wurden in zehn Jahren Bürgerkrieg Zehntausende getötet, und das Land wurde verwüstet. Gesamtschätzungen der Todesopfer durch die Konflikte, die im letzten Vierteljahrhundert unter Führung der USA stattfanden, kommen auf noch viel höhere Opferzahlen. Aufgrund der katastrophalen Auswirkungen auf die Versorgung mit Medikamenten, Nahrungsmitteln und durch den Zusammenbruch der Infrastruktur sind laut diesen Schätzungen zwischen 3 und 12 Millionen Menschen ums Leben gekommen.

Dieses erschütternde Ausmaß an Zerstörung widerlegt die Behauptungen, diese Angriffskriege hätten auch nur im Entferntesten etwas mit moralischen Zielen zu tun.

Es ist kein Geheimnis, dass Kriegen tiefere ökonomische und geopolitische Ursachen zugrunde liegen.

Warum sollten die Kriege der USA – einer der wichtigsten Exportschlager eines Landes, in dem sich alles um Geld dreht – in dieser Hinsicht eine Ausnahme sein? Ist es Zufall, dass der Nahe Osten, das Kernstück des „Kriegs gegen den Terror“, auch die weltweit billigsten zukünftigen Öl- und Gasvorkommen beherbergt? Ist es nur ein für das Pentagon glücklicher Zufall, dass Gaddafi und Saddam Hussein auf zwei der größten noch unerschlossenen Vorkommen dieses begehrten Rohstoffs saßen?

Alan Greenspan, ehemaliger Vorsitzender der US-Notenbank Federal Reserve und einer der entscheidenden Architekten der US-Außenpolitik, erklärte 2007 in seinen Memoiren: „Es macht mich traurig, dass es politisch unpassend ist, etwas zuzugeben, was jeder weiß: Im Irakkrieg geht es hauptsächlich um Öl.“ Für diese einfache Bemerkung wurde er später scharf zurechtgewiesen.

Natürlich müssen für einen Krieg immense wirtschaftliche und politische Ressourcen mobilisiert werden. Die USA haben in den letzten 25 Jahren dutzende Billionen Dollar für ihre Kriege ausgegeben. Und auch wenn einige durch diese Ausgaben ungeheuer reich geworden sind, würden diese hohen Kosten nicht bezahlt werden, wenn sie nicht zu einträglichen Ergebnissen führen würden.

Der Imperialismus und die Triebkräfte hinter der Einkreisung Russlands durch USA und Nato

Der aktuelle Kriegskurs gegen Russland muss in diesem Kontext verstanden werden. Ein ernsthaftes Verständnis jedes militärischen Konflikts erfordert es, diese wirtschaftlichen und geopolitischen Kräfte zu analysieren. Doch in der medialen Berichterstattung über den eskalierenden Krieg in der Ukraine findet sich nirgends eine derartige Analyse.

Wenn überhaupt, dann werden diese Fragen nur in denkbar infantiler und einseitiger Weise erwähnt: Russland schikaniere seine Nachbarstaaten durch seine wichtigen Erdgaslieferungen, und die USA und Europa stellen sich diesem Treiben heldenhaft entgegen. Die Frage, welche Interessen die USA und ihre Verbündeten in der Ukraine oder in Russland haben, wird jedoch nicht gestellt.

Wenn ehrliche Kriegshistoriker versuchen wollten, diesen Konflikt zu verstehen, wären sie – unabhängig von ihren Schlussfolgerungen – gezwungen, die folgenden Fragen zu stellen:

  • Welche wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen stehen hinter der Osterweiterung der Nato und der EU?
  • Warum ist die geopolitische und wirtschaftliche Kontrolle über die Ukraine wichtig?
  • Welche Interessen hätten die USA daran, Russland in kleinere Staaten ohne Streitkräfte aufzuteilen? Wie könnten sie versuchen, dieses Ziel zu erreichen?
  • Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem derzeitigen Krieg in der Ukraine und den geopolitischen Zielen der USA in Eurasien?

Die herrschende Klasse Amerikas verfügt über die Antworten auf diese Fragen, will sie aber nicht zu sehr öffentlich verbreiten.

Bereits im Jahr 1997 erklärte der damalige US-Sicherheitsberater und Architekt der US-Außenpolitik in der Ukraine, Zbigniew Brzezinski, „Amerikas Fähigkeit zur Ausübung seiner globalen Vormachtstellung“ hänge davon ab, ob die USA „die Entstehung einer dominanten und feindlichen Macht in Eurasien verhindern können“.

Zbigniew Brzezinski [Photo: Wikimedia Commons]

Brzezinski, der die Position des US-Imperialismus unmittelbar nach der Auflösung der UdSSR vertrat, meinte damit dezidiert Russland. Er argumentierte, die Ukraine sei von entscheidender Bedeutung für die Durchsetzung der Hegemonie der USA über Eurasien gegen Russland: „Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Imperium mehr.“ Natürlich haben Brzezinskis Freunde im Außenministerium und im Pentagon niemals die zentrale Prämisse angezweifelt, die USA hätten das Recht, ihre „globale Vormachtstellung auszuüben“. Ebenso wenig haben sie sich dafür interessiert, wie viele Menschenleben dieses Ziel kosten wird.

Nach dem Putsch in der Ukraine gegen die pro-russische Regierung von Präsident Wiktor Janukowitsch im Jahr 2014, der von den USA und Deutschland organisiert wurde, erklärte Brzezinski offen die Absicht des US-Militärs, Russland in einen langwierigen und kostspieligen Krieg in der Ukraine hineinzuziehen.

In einem Artikel mit dem Titel „Der Westen sollte die Ukraine bewaffnen“, der 2014 vom Atlantic Council veröffentlicht wurde, stellt Brzezinski einen russischen Einmarsch in der Ukraine als nahezu beschlossene Sache dar. Er betont, die USA und die Nato-Staaten sollten

[der Ukraine] Waffen liefern, die besonders darauf ausgelegt sind, den Ukrainern einen wirkungsvollen Häuserkampf in den Städten zu ermöglichen. Es bringt nichts, die Ukrainer mit Waffen zu beliefern, mit denen sie sich im offenen Feld Kämpfe mit dem russischen Militär liefern können... Wenn Großstädte wie Charkiw oder Kiew verteidigt werden müssen und Häuserkampf notwendig wird, wäre er langwierig und kostspielig. Und Tatsache ist – und hier ist das Timing dieser ganzen Krise wichtig – dass Russland noch nicht bereit ist, derartige Anstrengungen zu unternehmen. [Hervorhebung im Original]

Letzten Endes haben die USA und die EU der Ukraine zwischen 2014 und 2019 Militär- und Wirtschaftshilfe im Wert von 20 Milliarden Dollar zukommen lassen, mit der sie den Krieg gegen die pro-russischen Separatisten im Donbass finanziert haben. Dass dieser Krieg mehr als 13.000 Todesopfer gefordert hat, von denen die meisten russischstämmige Zivilisten waren, wird in der Kriegsberichterstattung ebenfalls geflissentlich verschwiegen. Jetzt sind die USA dabei, die Ukraine mit Waffen regelrecht zu überschwemmen, u.a. mit hochmodernen Panzerabwehrraketen und Artillerie. Allein dieses Jahr werden die USA dafür voraussichtlich mehr als 40 Milliarden Dollar ausgeben, und die Waffenlieferungen anderer europäischer Staaten sind darin noch nicht berücksichtigt.

Brzezinskis bemerkenswert präzise Vorhersage des derzeitigen „langwierigen und kostspieligen“, größtenteils in Städten geführten Kriegs widerspricht in ihrer logischen Vorwegnahme zukünftiger Ereignisse der zweidimensionalen Propaganda, laut der Putin verrückt ist und die Ukraine aus irrationalen, imperialen Ambitionen überfallen hat. Doch so verzweifelt und reaktionär Putins Entscheidung zum Angriff auf die Ukraine auch gewesen sein mag: Die fundamentalen Ursachen des Kriegs liegen in diesen tieferen, kalkulierten Zielsetzungen des US-Imperialismus für Eurasien seit der Auflösung der Sowjetunion, und dazu gehört auch die aggressive Osterweiterung der Nato.

Lenin über den Imperialismus

Lenin argumentierte in seinem Werk Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus von 1916, dass die zunehmende technische Entwicklung des Weltkapitalismus – die Sozialisierung und Konzentration der Produktivkräfte – eine neue und letzte Ära des Kapitalismus eingeläutet hat, die Epoche des Imperialismus. Während die unglaubliche Entwicklung bzw. Sozialisierung der Produktivkräfte die Notwendigkeit sozialistischer Besitzverhältnisse aufwirft, beherrscht eine immer kleinere Handvoll von Finanzoligarchen die Produktivkräfte durch streng kontrollierte Kartelle und Monopole, die vom Finanzkapital dominiert werden. Dieses tritt heute in Form der riesigen multinationalen Konzerne auf, die durch ein Netz von Beziehungen mit den großen Banken und Finanzinstituten verbunden sind.

Lenin betonte, der Imperialismus sei keine bewusst gewählte Politik: „Das Herrschaftsverhältnis und die damit verbundene Gewalt – das ist das Typische für die ,jüngste Entwicklung des Kapitalismus‘, das ist es, was aus der Bildung allmächtiger wirtschaftlicher Monopole unvermeidlich hervorgehen musste und hervorgegangen ist.“

Wladimir Lenin

Lenin betonte, dass diese Entwicklung und Konzentration der Produktivkräfte unter dem Finanzkapital unter anderem zu einem räuberischen Wettlauf um die Kontrolle über die wichtigsten Rohstoffe der Welt führen wird: „Je höher entwickelt der Kapitalismus, je stärker fühlbar der Rohstoffmangel, je schärfer ausgeprägt die Konkurrenz und die Jagd nach Rohstoffquellen in der ganzen Welt sind, desto erbitterter ist der Kampf um die Erwerbung von Kolonien.“

Die Veränderungen in der Weltwirtschaft, die Lenin 1916 feststellte, haben sich seither nur noch weiter verschärft. Die Entwicklung der Produktivkräfte in den letzten 100 Jahren hat dafür gesorgt, dass die kapitalistische Wirtschaft zur Zeit der Jahrhundertwende nur wie ein Schatten ihrer jetzigen Größe und Komplexität erscheint.

Bei der Kontrolle über Rohstoffe geht es nicht einfach nur darum, dass ein Land Rohstoffe für seinen Eigenbedarf hortet. Ebenso – oder sogar noch mehr – geht es darum, sicherzustellen, dass wichtige Rohstoffe und Märkte in der Hand eines Bündnisses aus imperialistischen Mächten bleiben, das in der heutigen Welt von den USA angeführt wird.

In diesem Kontext ist es auch entscheidend, Gegnern den Zugang zu diesen Materialien vorzuenthalten (oder die Kapazitäten zu haben, dies im Kriegsfall zu tun). In einer detaillierten Analyse der RAND Corporation zur Frage, wie die USA einen Krieg gegen China gewinnen können, heißt es beispielsweise: „Wenn China in einem Krieg mit den USA anfällig für kritische Engpässe ist, dann könnte das (...) die Ölversorgung sein. Etwa 60 Prozent wird importiert, und die strategische Reserve reicht offiziell nur für zehn Tage.“ Der Großteil des chinesischen Öls stammt aus dem Persischen Golf, der von den USA dominiert wird.

Und nicht zuletzt wies Lenin auch darauf hin, dass es nicht nur um die Frage der derzeitigen Produktion von Rohstoffen geht. Er erklärte, für das Finanzkapital seien „nicht allein die bereits entdeckten Rohstoffquellen... von Bedeutung, sondern auch die eventuell noch zu erschließenden, denn die Technik entwickelt sich in unseren Tagen mit unglaublicher Geschwindigkeit, und Ländereien, die heute unbrauchbar sind, können morgen brauchbar gemacht werden...“

Mit anderen Worten, die führenden kapitalistischen Unternehmen streben danach, ihre zukünftigen Bedürfnisse nach Rohstoffen aus der ganzen Welt abzuschätzen, um sich auf das unablässige Tempo der technischen Entwicklung vorzubereiten.

Die immensen Reichtümer Russlands

Dieser Artikel soll zur Analyse der historischen und politischen Ursprünge der wachsenden Gefahr eines bewaffneten Konflikts zwischen den USA und Russland beitragen, welche die World Socialist Web Site erarbeitet hat. Er befasst sich vor allem mit der Rolle der geostrategischen Rohstoffe beim Bestreben der Nato-Kräfte, die eurasische Landmasse zu dominieren.

Russland ist das flächenmäßig größte Land der Welt. Seine Wirtschaftsleistung ist zwar verschwindend gering im Vergleich zu denen der imperialistischen Mächte, doch seine Landmasse umfasst zwei Kontinente und mehr als 17 Millionen Quadratkilometer. Die nächstgrößten Länder, Kanada (9,8 Millionen Quadratkilometer), China (9,5 Millionen Quadratkilometer) und die USA (9,3 Millionen Quadratkilometer) sind flächenmäßig deutlich kleiner. Russland macht insgesamt elf Prozent der gesamten Landmasse der Welt aus.

Karte mit den Osterweiterungen der Nato seit 1949 (Wikimedia) [Photo by Patrickneil / CC BY-NC-SA 4.0]

Diese immense Landmasse beherbergt eine ganze Reihe von wichtigen Mineralien und Rohstoffen.

Russland produziert etwa 40 Prozent des Erdgases der EU und fast 12 Prozent des weltweit benötigten Öls. Russland besitzt außerdem mit 175 Milliarden Tonnen die zweitgrößten Kohlevorkommen der Welt. Diese Rohstoffe spielen eine entscheidende Rolle in dem anhaltenden Konflikt. Angesichts schwindender globaler Energiereserven sind diese Rohstoffe ein wichtiges Hindernis für den US-Imperialismus weltweit, vor allem bei seinen Bestrebungen, den Aufstieg Chinas einzudämmen. Dieses Thema wird in einem späteren Artikel beleuchtet werden.

Abgesehen von Kohlenwasserstoff verfügt Russland auch über große Mengen von Grundmetallen, darunter mit 25 Milliarden Tonnen die drittgrößten Eisenvorkommen, die zweitgrößten Goldreserven (6.800 Tonnen) und fast die fünftgrößten Silberreserven. Daneben ist Russland auch der weltweit größte Förderer von Diamanten. Aus dem Land stammt fast ein Drittel der in den letzten zehn Jahren geförderten Diamanten.

Obwohl alle diese Rohstoffe Beachtung verdienen, wenn man die geostrategischen Ambitionen der USA und ihrer Verbündeten verstehen will, befasst sich dieser Artikel mit einem weniger bekannten Aspekt der globalen Rohstoffpolitik: den kritischen Mineralien. Dieser Begriff steht für eine Reihe von Metallen und Mineralien, die für die globale Produktion zunehmend wichtiger werden, und deren Nachfrage in den nächsten zwei Jahrzehnten vermutlich stark steigen wird. In Russland befinden sich beträchtliche Vorkommen einer großen Bandbreite kritischer Mineralien, deren Kontrolle die USA als entscheidend für ihre globale wirtschaftliche und politische Vormachtstellung im 21. Jahrhundert erachten.

Kritische Mineralien und die Entwicklung der Produktivkräfte

Die USA und ihre imperialistischen Verbündeten befinden sich in einem Wettlauf um die Kontrolle über so genannte Seltene Erden und Metalle. Derzeit haben die USA 50 Mineralien als „kritisch“ eingestuft, einige davon, wie Aluminium und Platin, sind relativ breit bekannt. Andere wie die Seltene Erde Neodym oder Rhodium aus der Gruppe der Platinmetalle sind kaum bekannt, obwohl sie für die Weltwirtschaft immer wichtiger werden.

Die zunehmende Bedeutung dieser Mineralien ergibt sich aus der Entwicklung der Elektronikindustrie und ihrer Einbindung in viele weitere Produktionsprozesse und fertige Produkte.

Industriezweige, die früher nicht als Teil der Elektronikindustrie gesehen wurden, haben die Nachfrage nach verschiedensten digitalen und hochleistungsfähigen Geräten in die Höhe getrieben. So steckt in modernen Autos „mehr Technologie als in Computern“, wie es das Logistikunternehmen DHL in einer Studie formulierte. Laut einer Berechnung des globalen Beratungsunternehmens McKinsey wird der Wert der Halbleiterindustrie von 590 Milliarden Dollar im Jahr 2021 auf über eine Billion Dollar im Jahr 2030 steigen, u.a. wird sich der Wert der Produktion von Halbleitern für Autos von 50 Milliarden Dollar auf 150 Milliarden Dollar verdreifachen.

Für diesen explosionsartigen Anstieg der Produktion von Hightech-Geräten sind kritische Mineralien notwendig. Der Verband der Halbleiterindustrie schreibt: „In vielen Fällen gibt es keine bekannten Alternativen zu diesen Materialien, die unsere funktionellen Bedürfnisse befriedigen. Deshalb ist eine sichere und durchgängige Belieferung mit kritischen Materialen von entscheidender Bedeutung für unsere Industrie.“ Allein in die Halbleiterindustrie fließen jedes Jahr Mineralien im Wert von 40,4 Milliarden Dollar.

Eine weitere treibende Kraft hinter dem Wettlauf um die Kontrolle über diese Rohstoffe ist der Übergang zu erneuerbarer Energie. Während sie zwar nicht ausreichen, um die einschneidenden Veränderungen zu bewirken, die für eine Reaktion auf den Klimawandel notwendig wären, kam es in der Technologiebranche der erneuerbaren Energien zu beträchtlichen Nachfragesteigerungen. Der Elektrofahrzeug- und Akkumarkt wird zwischen 2021 und 2028 vermutlich sprunghaft ansteigen – von 185 Milliarden auf 980 Milliarden Dollar.

Die Internationale Energiebehörde (IEA), ein Teil der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), veröffentlichte im Jahr 2021 einen Bericht mit dem Titel Die Rolle kritischer Mineralien beim Übergang zu sauberer Energie, in der sie vorsichtige Schätzungen der künftigen Nachfrage nach einer Reihe von Mineralien anstellte. Die IEA wies darauf hin, dass selbst in ihrem weniger ambitionierten Szenario zur „nachhaltigen Entwicklung“ die globale Nachfrage nach Lithium zwischen 2020 und 2040 um das 42-fache steigen wird. Die Behörde rechnet außerdem damit, dass sich die globale Nachfrage nach Graphit im gleichen Zeitraum um das 25-fache erhöhen wird, die für Kobalt um das 21-fache, die für Nickel um das 19-fache und die Nachfrage nach Metallen der Seltenen Erden um das Siebenfache.

Diese erstaunlichen Schätzungen bereiten der OECD und der geopolitischen Ordnung unter Führung der USA, die sie repräsentiert, große Sorgen. Der Direktor der IEA, Fatih Birol, erklärte letztes Jahr: „Die Daten zeigen ein drohendes Missverhältnis zwischen den stärkeren Klimaschutzbestrebungen der Welt und der Verfügbarkeit von kritischen Mineralien, die für das Erreichen dieser Ziele von entscheidender Bedeutung sind.“ Dieses „Missverhältnis“ könnte Volkswirtschaften ins Chaos stürzen und darüber hinaus die imperialistischen Pläne der USA beeinträchtigen.

Die USA, China und mineralische Rohstoffe

Das Bemerkenswerte an der Liste der 50 kritischen Mineralien, die die US-Regierung zusammengestellt hat, ist die Tatsache, dass kaum eines davon vorrangig in den USA gefördert wird. Aufgrund einer Mischung aus Geologie und Ökonomie decken die USA nur bei fünf der 50 Mineralien auf der Liste den Großteil ihres Bedarfs aus eigener Produktion. 29 der 50 Mineralien werden ausschließlich importiert, von 40 werden drei Viertel des Bedarfs importiert.

Diese Abhängigkeit der USA von Lieferungen kritischer Mineralien aus dem Ausland hat in der herrschenden Klasse Amerikas zunehmend Besorgnis ausgelöst, vor allem angesichts der Vorbereitungen auf eine militärische Konfrontation mit China.

Im September 2020 unterzeichnete die Trump-Regierung das Dekret 13953, das einen drohenden nationalen Notstand der USA in der Frage der Versorgung mit kritischen Mineralien ausgerufen hat. Im Text hieß es: „Diese Mineralien sind unverzichtbar für unser Land, [doch] momentan fehlt uns die Kapazität, sie in den benötigten Mengen in verarbeiteter Form zu produzieren... Bei 31 der 35 kritischen Mineralien beziehen die USA mehr als die Hälfte ihres jährlichen Verbrauchs aus dem Ausland. 14 der kritischen Mineralien können die USA nicht im eigenen Land fördern und sind zur Deckung ihres Bedarfs völlig von Importen abhängig.“

Fast ein halbes Jahr später, im Februar 2021, unterzeichnete die Biden-Regierung Dekret 14017, um „die Widerstandsfähigkeit der amerikanischen Lieferketten zu stärken“. Das Dekret ergänzte Trumps Dekret 13953 und gab dem Energieministerium die Befugnis, Risiken für die Lieferketten zu ermitteln und Empfehlungen auszusprechen.

US-Präsident Joe Biden während einer Veranstaltung im South Court Auditorium des Eisenhower Executive Office Building des Weißen Hauses am 22. Februar 2022 (AP Photo/Alex Brandon)

Am 24. Februar 2022, dem Tag, an dem Russland in die Ukraine einmarschierte, wurden die Ergebnisse dieses Dekrets innerhalb des ersten Jahres in einem „Plan zur Wiederbelebung der amerikanischen Industrie und der Sicherung kritischer Lieferketten“ veröffentlicht. Zwei Tage zuvor fand ein Treffen statt, auf dem über die Maßnahmen hinsichtlich kritischer Mineralien diskutiert wurde. Zu den Teilnehmern gehörte der Präsident der Gewerkschaft United Steelworkers, Tom Conway, mit dem sich Biden hinterher privat traf, um sicherzustellen, dass die Gewerkschaft einen landesweiten Streik der Ölindustrie beenden und den Kriegskurs unterstützen werde. Während dieses Treffens erklärte Biden, seine Regierung habe die Bereitstellung von Milliarden Dollar in neue Investitionen in „kritische Mineralien wie Lithium, Graphit [und] Seltene Erden“ unterstützt, „die für viele amerikanische Produkte dringend benötigt werden“.

Am 31. März 2022 wandte Biden den Defense Production Act an, um sich „zuverlässige“ Quellen dieser Mineralien zu sichern. Das Gesetz stammt noch aus dem Koreakrieg und erlaubt es der Regierung, im Namen der Landesverteidigung private Investitionen zu kontrollieren und zu lenken.

Dem amerikanischen Staat geht es nicht einfach nur darum, dass er diese lebenswichtigen Rohstoffe nicht selbst kontrolliert und fördert, sondern zu verhindern, dass China – das Hauptziel seiner geostrategischen Pläne – es tut.

Die Verarbeitung von kritischen Mineralien wird von China dominiert, das auch eine große Rolle bei der Förderung vieler anderer Mineralien spielt. Im Gegensatz dazu sind die USA bei keinem einzigen dieser wichtigen Mineralien bei der Förderung oder der Verarbeitung führend. Das wichtigste Beispiel dafür sind die Seltenen Erden. Diese Gruppe von 17 Mineralien, die heute von entscheidender Bedeutung für die globale Elektronik- und Rüstungsindustrie sind, wird fast ausschließlich in China verarbeitet. Die USA fördern mehr als zehn Prozent der Seltenen Erden, werden dabei aber von China weit in den Schatten gestellt.

Eine Zeitlang haben sich die USA damit abgefunden, dass China die Verarbeitung und, in geringerem Ausmaß, die Förderung dieser Mineralien dominiert. Die Förderung und Verarbeitung von Metallen und Mineralien sind zwei der umweltschädlichsten Sparten der globalen Industrie. Sie kostensparend zu produzieren bedeutet schwere Umweltverschmutzung und Giftmüll, der eine große Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellt. China hat sich über mehrere Jahrzehnte hinweg zum Sweatshop der kapitalistischen Weltwirtschaft entwickelt. Da sich die Produktionstätigkeit der imperialistischen Nationen, darunter die Elektronikbranche, in den riesigen Fabrikstädten Chinas konzentrierte, war es nur folgerichtig, auch die globale Mineralienverarbeitung und ihren Abfall dort zu konzentrieren.

Doch in den letzten 15 Jahren haben die USA China zunehmend als existenzielle Gefahr für ihre globale Hegemonie angesehen und ihre globale Militärstrategie daran orientiert, China „einzudämmen“, d.h. es einzukreisen und zu unterwerfen. Im Rahmen dieser Bestrebungen haben sie konkurrierende Lieferketten für diese lebenswichtigen Rohstoffe geschaffen.

Unter Obama wurden die US-Streitkräfte im großen Stil verlagert, um China einzukreisen und die politische und wirtschaftliche Macht der USA in der asiatischen Pazifikregion zu stärken. Im Jahr 2016 erklärte der damalige Generalstabschef Mark A. Milley, angesichts von Chinas Aufstieg sei ein Krieg zwischen den USA und einem bedeutenden Gegner in den nächsten Jahrzehnten „nahezu sicher“. Im März 2021 warnte der scheidende Befehlshaber des US Indo-Pacific Command, Admiral Phil Davidson, vor einem möglichen Krieg gegen China in den nächsten sechs Jahren. Nur wenige Monate später, im November, erklärte der neue Generalstabschef Milley, ein Krieg könnte bereits innerhalb der nächsten zwei Jahre ausbrechen.

Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass ein Krieg, an dem 40 Prozent der Weltwirtschaft und fast zwei Milliarden Menschen direkt beteiligt sind, schnell zu einem dritten Weltkrieg von katastrophalem Ausmaß ausarten könnte.

Das US-Militär gibt Billionen Dollar aus, um sich auf diesen Konflikt vorzubereiten. Besondere Sorge bereitet ihm die Frage der Seltenen Erden und anderer kritischer Mineralien, die sowohl für die allgemeine Wirtschaft als auch für hochmoderne Waffen lebenswichtig sind. Das Pentagon geht davon aus, dass die allgemeine Strategie des US-Imperialismus, den Aufstieg Chinas aufzuhalten und seinen riesigen Binnenmarkt dem amerikanischen Finanzkapital zu unterwerfen, nicht gelingen kann, ohne umfangreichere, besser geschützte Lieferketten bei diesen kritischen Mineralien zu schaffen. Die USA haben durch die chinesischen Ölimporte ein wichtiges Druckmittel, doch China hat durch die kritischen Mineralien ebenfalls ein Druckmittel gegen die USA.

Bei der Pressekonferenz am 31. März, bei der das Weiße Haus die Anwendung des Defense Protection Act zur Sicherstellung der Versorgung mit kritischen Mineralien ankündigte, hieß es: „Die Vereinigten Staaten sind bei der Belieferung mit strategisch wichtigen und kritischen Materialien, die für den Übergang zu sauberer Energie wichtig sind – wie Lithium, Nickel, Kobalt, Graphit und Mangan für Batterien mit großer Kapazität – von unzuverlässigen ausländischen Quellen abhängig... Wir mussten einen Großteil davon – fast 100 Prozent – von anderen Staaten importieren, vor allem aus China.“

Die europäische Presse hat ähnliche Ansichten geäußert. So hieß es in einem Artikel des Telegraph: „Chinas Vorherrschaft über kritische Mineralien könnte für Europa genauso gefährlich sein wie Russlands Energie-Waffe... Europa hat sich sehr spät am weltweiten Wettlauf um kritische Mineralien beteiligt.“

Russlands kritische Mineralien

Das starke Bedürfnis des amerikanischen Finanzkapitals, die derzeitigen und künftigen Bezugsquellen für kritische Mineralien zu beherrschen, sowie die unverhältnismäßige Kontrolle Chinas über diese Mineralien sind eine wichtige Triebkraft des Kriegs gegen Russland.

Russland ist zwar kein ausschließlicher Förderer irgendeines wichtigen kritischen Minerals, doch wie die untenstehende Analyse zeigt, spielt es eine führende Rolle bei der Förderung von mehreren dieser Mineralien und kontrolliert damit einen wichtigen Teil der globalen Reserven. Wenn man die umfassenderen Pläne der USA verstehen will, Eurasien zu dominieren und Russland zu unterwerfen, darf die Rolle dieser Rohstoffe nicht übersehen werden.

Nickel

Russland ist einer der weltweit größten Förderer von Nickel. Normalerweise wird es an dritter oder vierter Stelle nach Indonesien und den Philippinen und fast gleichauf mit Südafrika genannt.

Weltweit werden jedes Jahr fast 2,5 Millionen Tonnen Nickel gefördert. Der wichtigste Einsatzbereich für dieses kritische Metall ist Stahl. Um rostfreien Edelstahl zu produzieren, muss der Stahl mit anderen Elementen verbunden werden, um eine Legierung herzustellen. Nickel der Klasse 1, d.h. in der reinsten Form, macht Stahl stärker und härter, vor allem bei niedrigen Temperaturen und erhöht die Widerstandsfähigkeit gegen Hitze und Rost.

Zwei Drittel der Nickelproduktion werden für rostfreien Edelstahl benutzt, der wiederum für den Bau von Schiffen, Autos, in der Medizintechnikbranche (für verschiedene Instrumente) und der Energiebranche (vor allem dort, wo leichte, korrosionsresistente Lagerung notwendig ist) sowie für Kochgeschirr eingesetzt wird. Nickel wird außerdem für hochwertigere Legierungen benötigt, die in der Produktion von Turbinenrotoren (für Strahltriebwerke, in der Schiffbauindustrie und in Kraftwerken), in der Elektronikindustrie (Laptops, Telefone, Digitalkameras) und Hochpräzisions-Messwerkzeugen benutzt werden.

Die IEA rechnet damit, dass sich die globale Nickelförderung in den nächsten 18 Jahren um das 19-Fache erhöhen muss, um die Anforderungen des Sustainable Development Scenario (SDS) zu erfüllen. Nickelsulfat-Pulver ist eine wichtige Komponente in Lithium-Ionenbatterien und bildet den Hauptteil der Batteriekathode.

Welche Rolle Russland in der globalen Nickelförderung spielt, zeigt der Preisanstieg seit Beginn des Kriegs. Im Jahr 2021 wurde Nickel für weniger als 20.000 Dollar pro Tonne gehandelt, jetzt für knapp unter 30.000 pro Tonne. In den ersten Wochen des Kriegs war der Preis kurzzeitig um 100 Prozent gestiegen. Russland verfügt über die weltweit viertgrößten Nickelreserven von 6,9 Millionen Tonnen oder sieben Prozent der weltweiten Gesamtmenge.

Fast die gesamte Förderung findet in der arktischen Region Norilsk unter Federführung des größten russischen Metallkonzerns (außer Eisen und Stahl) Nornickel statt. Nornickel wird häufig als einer der beiden größten Nickel fördernden Unternehmen der Welt eingestuft. Die Kola-Sparte von Nornickel, ihre wichtigste Förderquelle, befindet sich nahe der Grenze zu Finnland im nördlichen Polarkreis. Diese Grenze könnte nach Finnlands Antrag auf Nato-Mitgliedschaft schnell militarisiert werden. In der Region befinden sich außerdem beträchtliche Kupfer- und Palladiumvorkommen.

Auch die Qualität des russischen Nickels ist bemerkenswert. Das Land fördert zwar nur 10 Prozent des weltweit eingesetzten Nickels, aber 20 Prozent der Klasse 1 – der wertvolleren raffinierten Form, die in der modernen Stahl- und Legierungsproduktion benutzt wird – da die Vorkommen in Russland von so hoher Qualität sind.

Metalle der Platingruppe (PGM)

Russland ist einer der weltweit führenden Förderer von Metallen der Platingruppe (PGM). Zu dieser Gruppe gehören sechs Metalle, die ähnliche chemische und physikalische Eigenschaften haben und auch häufig zusammen in Mineralienvorkommen entdeckt werden. Sie unterscheiden sich zwar von Nickel, werden aber im gleichen Erz gefunden und manchmal zusammen gefördert. Die drei wichtigsten sind Palladium, Platin und Rhodium. Die anderen sind Osmium, Iridium und Ruthenium. Laut dem Rohstoffberatungsunternehmen Agiboo sind Platinmetalle in einem Viertel aller industriell hergestellten Güter enthalten oder werden für deren Produktion benötigt.

Rhodium (Wikimedia) [Photo by www.pse-mendelejew.de/Alchemist-hp / CC BY-ND 3.0]

Russland liegt mit Südafrika fast gleichauf als führender Förderer von Palladium. Laut einem Bericht der Columbia University über kritische Mineralien wurde die Palladiumförderung in Südafrika jedoch „in den letzten zehn Jahren durch Streiks beeinträchtigt“, sodass das Land weniger zuverlässig ist. Im Jahr 2019 wurden laut der US Geologic Survey weltweit 210.000 Kilogramm Palladium gefördert, 40 Prozent davon von Russland.

Neben der Nickelförderung ist Nornickel auch der weltweit größte private Förderer von Palladium und spielt deshalb die entscheidende Rolle bei der Förderung. Sie findet hauptsächlich in den beiden konzerneigenen Bergwerken Oktjabrski und Taimyrski statt, die sich im nördlichen Polarkreis, bzw. im hohen Norden Sibiriens befinden. Sie sind so wichtig, dass letztes Jahr durch Überschwemmungen der beiden Bergwerke die weltweite Palladiumversorgung um ein Fünftel sank. In beiden wird im gleichen Förderverfahren auch Rhodium und Platin gefördert.

Der Preis für Palladium ist in den letzten Jahren stark gestiegen, von etwa 30.000 Dollar pro Kilogramm im Jahr 2019 auf etwa 75.000 Dollar pro Kilogramm. Zu Beginn des Kriegs stieg er kurzzeitig auf über 100.000 pro Kilogramm, als Rohstoffhändler auf die russische Invasion der Ukraine reagierten.

Palladium wird vor allem als Katalysator eingesetzt. Die Hälfte des weltweit geförderten Palladiums und Platins wird für Katalysatoren benutzt, die giftige Verbrennungsabgase aus Autos und anderen Fahrzeugen (Kohlenmonoxid und Stickstoffdioxid) in Kohlendioxid und Wasser umwandeln. Katalysatoren befinden sich in nahezu jedem modernen Fahrzeug und sind von entscheidender Bedeutung bei der Verringerung der Luftverschmutzung. Zwei weitere Metalle der Platingruppe – Platin und Rhodium ­– werden für den gleichen Zweck benutzt. Aufgrund strengerer Abgasnormen werden immer größere Mengen von ihnen benötigt.

Der Preis für Rhodium ist in den letzten Jahren sogar noch stärker gestiegen, von 2.500 Dollar pro Unze Anfang 2019 auf 23.890 Dollar pro Unze im Jahr 2021 (nach dem Schrecken durch die Überschwemmungen von Oktjabrski und Taimirski in Russland). Heute liegt er mit 17.000 Dollar pro Unze noch immer siebenmal so hoch wie noch vor wenigen Jahren.

Die Preise für Rhodium und Palladium sind so stark gestiegen, dass die Zahl der Diebstähle von Katalysatoren massiv zugenommen hat. Im US-Bundesstaat Colorado stieg die Zahl der Katalysatordiebstähle zwischen 2019 und 2021 um mehr als 5.000 Prozent. Russland ist der weltweit zweitgrößte Förderer von Rhodium und Platin, doch im Gegensatz zu Palladium liegt Südafrika aufgrund seiner größeren Vorkommen deutlich vor Russland.

Neben Katalysatoren werden Metalle der Platingruppe in nahezu allen Elektronikprodukten und zahlreichen weiteren Geräten und Branchen benutzt – zwar nur in kleinen Mengen, doch weil sie in Elektronikprodukten so allgegenwärtig sind, herrscht große Nachfrage. Vier dieser Metalle werden als Ummantelung von Elektroden benutzt, was sie für die Elektronikbranche essenziell macht. Platin und Ruthenium werden für magnetische Komponenten von Festplattenlaufwerken benötigt, die weltweit noch immer einen Großteil der elektronischen Speicher ausmachen.

Platin wird auch in Glasfaserkabeln und Flugzeugturbinen verwendet, wo es die Rotorblätter vor Korrosion schützt. Die Medizintechnikindustrie braucht Platinmetalle, beispielsweise wird Palladium in Zahnkronen benutzt, andere Platinmetalle in chemotherapeutischen Medikamenten und Strahlentherapie. Weitere Einsatzbereiche für Platinmetalle sind Hydrocracken von Erdöl, in Sensoren, Wasseraufbereitung, Herzschrittmachern und Defibrillatoren, Schmuck, LCD-Bildschirmen, Treibstoffzellen und hochwertigen Industrieschmelztiegeln in der metallurgischen Industrie.

Seltene Erden

Momentan dominiert China die Förderung und Verarbeitung von Seltenen Erden. Die Seltenen Erden sind eine Sammlung von 17 Mineralien, die in der hochmodernen Elektronikproduktion immer wichtiger werden. Sie sind nicht unbedingt selten, aber nur schwer in so hoher Konzentration zu finden, dass sich ihre Förderung wirtschaftlich lohnen würde.

Diese Mineralien sind normalerweise in schwere und leichte Elemente unterteilt und werden miteinander kombiniert gefunden. China fördert 60 Prozent der Seltenen Erden und verarbeitet bis zu 90 Prozent davon. Ihr Haupteinsatzgebiet ist hochmoderne Elektronik, darunter Kriegsgerät, weswegen die amerikanische herrschende Klasse über Chinas Vormachtstellung in der Wertschöpfungskette der Seltenen Erden beunruhigt ist. Im Jahr 2022 kündigte die Biden-Regierung eine umfangreiche Initiative zur Bereitstellung von Investitionen in Milliardenhöhe an, um im Inland Seltene Erden zu fördern und zu verarbeiten.

Russland nimmt noch keine nennenswerte Rolle in der Verarbeitungs- oder Förderkette von Elementen der Seltenen Erden ein. Allerdings besitzt es große Reserven, deren Erschließung einen großen Beitrag zur globalen Förderung leisten würde. Russland besitzt etwa zehn Prozent der globalen Reserven, womit es nach China, Vietnam und Brasilien an vierter Stelle in den Rankings liegt. Elemente der Seltenen Erden werden in den Motoren von Elektroautos, tragbaren Elektronikgeräten, Magneten (die für viele elektronische Geräte notwendig sind), Generatoren von Windturbinen und in Militärgerät eingesetzt. Beispielsweise werden für ein Atom-U-Boot der Virginia-Klasse 4,2 Tonnen Seltene Erden benötigt, für ein Kampfflugzeug des Typs F-35 427 Kilogramm.

Eine Karte der Vorkommen und Importe von Seltenen Erden (US Congressional Research Service, 2013) [Photo: US Congressional Research Service, 2013]

Das extreme Klima von Russlands Vorkommen Seltener Erden, die zur Förderung notwendige Technologie und die hohe Kapitalintensität dieser Projekte haben die Erschließung der Vorkommen bisher verhindert. Ein führender Forschungsberater von Deloitte, Dimitri Kasatkin, erklärte im Jahr 2019 gegenüber S&P Global Market Intelligence: „Russland wird Zeit und günstige äußere Bedingungen wie geringe geopolitische und wirtschaftliche Risiken“ brauchen, um sein Potenzial bei der Förderung von Seltenen Erden zu entwickeln. Doch die Aufteilung Russlands in kleinere Staaten, deren Wirtschaft strenger durch die USA und andere imperialistische Staaten kontrolliert wird, könnte die Investitionen und „geringen geopolitischen und wirtschaftlichen Risiken“ bringen, die zur Entwicklung dieser Projekte notwendig sind.

Niob

Niob (Atomzahl 41 im Periodensystem) ist ein weiteres kritisches Mineral, über das Russland verfügt. Das Haupteinsatzgebiet der Chemikalie ist eine Legierung zur Stärkung wichtiger Strukturen. Ein kleiner Teil – 0,1 Prozent des Endproduktes – kann in Stahl verarbeitet werden, um dessen Stärke zu erhöhen. Dieser Spezialstahl kann in Gasrohren und anderen wichtigen Infrastrukturprojekten benutzt werden. Niob wird außerdem für so genannte Superlegierungen benutzt – Hochleistungslegierungen, die noch besser sind als der beste Stahl – und zu Raketenantrieben verarbeitet. In der Form von Ferroniob, das für Stahl benutzt wird, rechnet man mit einer Verdoppelung des Markts zwischen 2015 und 2025.

Brasilien dominiert die Förderung von Niob und ist für 66.000 der fast 75.000 Tonnen Niob verantwortlich, die jedes Jahr gefördert werden. Doch letztes Jahr kündigte Polymetal, der größte Gold- und Silberförderer Russlands, das Bergbauprojekt Tomtor im Osten Russlands an, durch das die globalen Reserven um 700.000 Tonnen steigen würden. Das ist etwa viermal so viel wie die Reserven USA, aber noch deutlich weniger als die nachgewiesenen Reserven von 16 Millionen Tonnen in Brasilien.

Tomtor ist bereits für seine riesigen Phosphatvorkommen bekannt, das einer der drei wichtigsten landwirtschaftlichen Düngemittel ist. Im Bergwerk Tomtor befinden sich außerdem die größten russischen Vorkommen von Seltenen Erden in Russland. Laut Polymetal beherbergt das Bergwerk das drittgrößte individuelle Vorkommen von Seltenen Erden, nach Mount Weld in West-Australien und dem noch unerschlossenen Kvanefjeld in Grönland, das vermutlich noch in diesem Jahrzehnt zu einer großen Förderstelle ausgebaut wird.

Kobalt

Die globale Kobaltförderung wird von der Demokratischen Republik Kongo (DRK) dominiert, auf die 70 Prozent der geförderten Menge entfällt. Die dortige Kobaltförderung ist berüchtigt für den Einsatz von Kinderarbeit. Vor nur etwas mehr als zwei Jahren hatte die Organisation International Rights Advocates Apple, Alphabet, Dell, Microsoft und Tesla wegen Mitverantwortung für den Tod von 14 kongolesischen Kinderbergarbeitern verklagt. Der Vorfall war nur die Spitze des Eisbergs bei den Verbrechen, die bei der Förderung dieses Rohstoffs begangen werden.

Genau wie Elemente der Seltenen Erden ist Kobalt in kleinen Mengen wichtig für viele elektronische Geräte, und besonders für den Übergang zu erneuerbarer Energie. Die IEA deutet in ihrem Sustainable Development Scenario (SDS) an, dass sich die Kobaltproduktion um 21 Prozent erhöhen muss.

Russland ist der zweitgrößte Förderer von Kobalt. Im Jahr 2019 war es für etwa 6.100 Tonnen oder vier Prozent der globalen Fördermenge verantwortlich. Damit liegt Russland zwar weit hinter der dominanten Rolle der DRK, hat aber bereits eine Erhöhung der Produktion um weitere 2.000 Tonnen pro Jahr angekündigt und seinen Anteil an der globalen Fördermenge in diesem Jahr auf acht Prozent erhöht. Einige dieser Reserven befinden sich auf dem Meeresgrund vor der russischen Pazifikküste nördlich von Japan.

Graphit

Russland ist der weltweit sechstgrößte Produzent von Graphit. Ebenso wie bei Lithium wird damit gerechnet, dass die Nachfrage nach Graphit während des Übergangs zu erneuerbarer Energie am stärksten steigen wird.

Graphit wird für zahlreiche Industriezweige benötigt. Weil es hochgradig leitfähig ist, wird es oft für Solarzellen, Elektroden und Batterien benutzt. Graphit ist nicht so selten oder teuer wie die anderen genannten Mineralien und Chemikalien. Seine Produktion ist zudem geografisch besser verteilt und kommt weltweit relativ häufig vor. Es ist eine kristallisierte Form von Kohlenstoff und wird u.a. als Mine in Bleistiften benutzt.

Dass es hauptsächlich in China abgebaut wird (650.000 Tonnen), sorgt in der amerikanischen herrschenden Klasse jedoch für großes Unbehagen. Die nächstgrößten Produzenten sind Mosambik (120.000 Tonnen), Brasilien (95.000 Tonnen), Madagaskar (47.000 Tonnen), Indien (34.000 Tonnen), Russland (24.000 Tonnen) und die Ukraine (19.000 Tonnen).

Russland ist jedoch bestrebt, seine Förderung dramatisch hochzufahren. Zwei russische Unternehmen – Dalgraphite und Uralgraphite – wollen die Produktion erhöhen, da die Nachfrage nach EV-Batterien boomt, in denen große Mengen von Graphit verarbeitet werden.

Lithium

Während Russland zwar kein nennenswerter Lithiumförderer ist, so liegen beträchtliche Vorkommen in der überwiegend von Russen bewohnten Ostregion der Ukraine. Lithium ist die wichtigste Komponente von Lithium-Ionenbatterien, die für Elektroautos, Handys, Laptops und andere Elektronikartikel benutzt werden. Die Menge von Lithium, die in einem Tesla-Fahrzeug steckt, hat etwa das Gewicht einer Bowlingkugel.

Laut einer Studie der ukrainischen Nationalen Akademie der Wissenschaften von 2022 besitzt die Ukraine allein in der Ostregion etwa 500.000 Tonnen Lithium, die profitabel abgebaut werden könnten. Auch wenn die Reserven oft zu Beginn der Produktion neu bewertet werden, hätte die Ukraine damit die weltweit fünftgrößten Lithiumreserven nach Chile, Australien, Argentinien und China.

Lithium (Wikimedia) [Photo by W. Oelen / CC BY-SA 3.0]

Im November 2021 kündigte das australische Unternehmen European Lithium an, es habe einen ukrainischen Ölkonzern namens Petro Consulting gekauft, welcher das Genehmigungsverfahren zur Erforschung und möglichen Förderung von zwei der größten Lithiumvorkommen der Ukraine eingeleitet hat. Weil sich viele dieser Vorkommen im umkämpften Osten der Ukraine befinden, wo die Regierung einen Bürgerkrieg gegen pro-russische Separatisten geführt hat, hängt die Erschließung dieser Reserven vom derzeitigen Krieg ab. Das Unternehmen kündigte jedoch an, diese Reserven seien „konzeptioneller“ Natur, d.h. ihr Potenzial müsse durch weitere Erkundungen ausgewertet werden.

Andere wichtige kritische Mineralien

Russland ist der drittgrößte Förderer des Minerals Scandium, das manchmal als Teil der Seltenen Erden klassifiziert wird. Scandium wird vorwiegend in der Produktion von superleichten Legierungen für Hochleistungselemente aus Metall benutzt.

Laut einem Bericht der Columbia University wird Scandium „in der Luft- und Raumfahrtindustrie sowie in der Rüstungsindustrie in großem Stil verwendet“, besonders in Form von Aluminium-Scandium-Legierungen. Auch Hochleistungssportgeräte werden aus dieser Legierung gefertigt. Sie enthält weniger als ein Prozent Scandium, was jedoch ausreicht, um das Material deutlich zu verstärken. Pro Jahr werden nur 15 bis 25 Tonnen gefördert.

Laut der US Geological Survey war Russland dabei, herauszufinden, ob es Scandium effektiv als Nebenprodukt der Aluminiumverarbeitung im Ural fördern kann, was die Fördermenge deutlich erhöhen könnte.

Russland ist der drittgrößte Förderer von Titanschwamm. Titan wird auf zwei Arten gefördert: als Schwamm für den Einsatz in der Metallurgie oder als Pigment. Russland hat zwar keine führende Rolle in der Pigmentförderung von Titan, das geografisch weit verteilt ist, spielt aber eine wichtige Rolle in der wertvolleren Schwammförderung. Nach der russischen Invasion der Ukraine kündigte Boeing an, kein russisches Titan mehr für seine Flugzeuge zu kaufen.

Russland ist für etwa sechs Prozent der weltweiten Aluminiumproduktion verantwortlich. Tesla war ein wichtiger Käufer dieses Aluminiums, das hauptsächlich durch das Unternehmen RusAl hergestellt wird. Ein Großteil der Produktion von RusAl basiert auf importiertem Bauxit und Aluminiumoxid aus Australien. Der Raffinierungsprozess ist, genau wie bei anderen Mineralien, sehr giftig und erfordert Fabriken im Wert von hunderten Millionen oder Milliarden Dollar.

Russland ist ein weltweit führender Förderer von Polysilizium, einer der hochwertigsten Formen von Silizium, das in Photovoltaikzellen benutzt wird. Polysilizium ist eher das Ergebnis der Verarbeitung von Silizium und deshalb nicht besonders selten. China fördert etwa 80 Prozent des weltweit eingesetzten Polysiliziums, doch noch im Jahr 2009 war Russland das führende Land. Mehrere Projekte, darunter eins des russischen Unternehmens Nitol Solar, sind wegen Preisschwankungen und unzureichendem Kapital gescheitert, doch mit ausreichend Investitionen könnte Russland die Produktion erhöhen. Der Preis hat sich seit 2019 durch den Boom der Solarenergie verdreifacht.

Fazit

Der Vorsitzende der Internationalen Redaktion der WSWS, David North, schrieb im Vorwort zu seinem Buch 30 Jahre Krieg: Amerikas Griff nach der Weltherrschaft 1990–2020:

Das Bestehen der Sowjetunion und der antikapitalistischen Staatsmacht in China beraubte die USA des ungehinderten Zugangs zu einem Großteil der Welt, insbesondere zur eurasischen Landmasse, und hinderte sie an der Ausbeutung der dortigen Arbeitskräfte, Rohstoffe und potenziellen Märkte. Mehr als ihnen lieb war, waren die USA daher gezwungen, mit ihren wichtigsten Verbündeten in Europa und Asien und auch mit kleineren Ländern, die taktische Vorteile aus dem Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion schlugen, über Fragen der Wirtschaft und Strategie zu verhandeln.

Die Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 und die zeitgleiche Restauration des Kapitalismus in China im Anschluss an das Massaker auf dem Tiananmen im Juni 1989 wurden von der amerikanischen herrschenden Klasse als Chance begriffen, die Kompromisse der Nachkriegszeit aufzukündigen und die globale Geopolitik neu zu ordnen, um den USA zur Hegemonie zu verhelfen.

Der eskalierende Krieg zwischen der Nato und Russland ist das verheerende Ergebnis dieses Prozesses. Heute konzentrieren sich die Militär- und Politikstrategen auf ein Ergebnis: die vollständige Zerstückelung Russlands.

Anders Östlund, der in Kiew lebt und als Fellow am Center for European Policy Analysis tätig ist, das vom US-Außenministerium finanziert wird, schrieb: „Der russische Krieg gegen die Ukraine wird mit der Aufteilung der Russischen Föderation enden. Sie wird durch eine Reihe von kleineren, entmilitarisierten und machtlosen Republiken enden, deren Neutralität in ihren Verfassungen festgeschrieben ist.“ Östlunds Vision einer zerteilten, machtlosen Gruppe von Staaten verdeutlicht, welche Pläne die USA und ihre europäischen Verbündeten für Russland haben.

Angesichts der unglaublichen Entwicklung der modernen Elektronik und der Technologie der erneuerbaren Energien wird für die nächsten Jahrzehnte mit einem Boom im Bereich der kritischen Mineralien gerechnet. Russland ist eine führende Quelle für diese Rohstoffe und könnte mit ausreichenden Investitionen zukünftig eine noch größere Rolle darin spielen.

Die Aufteilung Russlands und seine Unterwerfung durch das amerikanische Kapital würde die amerikanische herrschende Klasse in die Lage versetzen, ein „neues amerikanisches Jahrhundert“ durchzusetzen und China und Eurasien ihren Zielen zu unterwerfen. Rohstoffe spielen dabei eine wichtige Rolle. Angesichts des anhaltenden Bedarfs nach Öl und Erdgas sowie der rapide zunehmenden Nachfrage nach kritischen Mineralien gilt Russland dabei als wichtige Landmasse mit einer immensen Fülle von Reichtümern.

Es ist die Pflicht von Sozialisten, sich diesen reaktionären Entwicklungen entgegenzustellen. Durch das Streben der USA nach Hegemonie und Rohstoffen, um ihren seit mehreren Jahrzehnten andauernden wirtschaftlichen Niedergang wettzumachen, droht der internationalen Arbeiterklasse eine Katastrophe.

Doch wie die WSWS in ihrer diesjährigen Online-Maiveranstaltung erklärte: „Die Widersprüche, die die Gefahr des Weltkriegs heraufbeschwören, schaffen auch die Bedingungen für die sozialistische Weltrevolution. Die Herausforderung für die Arbeiterklasse besteht darin, die objektiven Tendenzen zu stärken und zu beschleunigen, die zur Revolution führen und gleichzeitig die Tendenzen zu untergraben und zu schwächen, die zum Weltkrieg führen.“ Dies ist die Aufgabe der Sozialistischen Gleichheitsparteien auf der ganzen Welt.

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