Verteidigt alle Arbeitsplätze im Daimler-Werk Ludwigsfelde!

Den rund 2200 Beschäftigten des Daimler-Werks in Ludwigsfelde südlich von Berlin droht der Verlust ihrer Arbeitsplätze. Die Produktion der hier gefertigten Kleinlastwagen soll zum Ende des Jahrzehnts eingestellt werden.

In Ludwigsfelde werden die sogenannten „offenen Versionen“ des Sprinters gefertigt. Bislang sind sie mit Verbrennungsmotoren ausgestattet, ab nächstem Jahr soll auch eine elektrisch betriebene Version dazukommen. Die geschlossenen „Kastenwagen“-Modelle des Kleintransporters – elektrisch und herkömmlich – werden im Werk in Düsseldorf produziert.

Ab 2028 will Daimler einen neuen Elektro-Kastenwagen auf den Markt bringen, der ausschließlich in Osteuropa hergestellt werden soll. Im Zuge der vorgesehenen Umstrukturierung sollen dann die „offenen Versionen“ von Ludwigsfelde auf Düsseldorf übergehen. Die Produktion der Verbrenner wird sukzessive bis Ende des Jahrzehnts eingestellt.

Das bedeutet das Aus für die Produktion in Ludwigsfelde. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall haben bereits Gespräche mit der Geschäftsleitung aufgenommen, um diese Pläne gegen die Belegschaft durchzusetzen.

Weltweit nutzen die großen Autokonzerne den Umstieg auf die Elektromobilität für einen Generalangriff auf Löhne und Arbeitsplätze. Der Daimler-Konzern hat erst Anfang des Monats die Entlassung von 3600 Beschäftigten bei Daimler Truck in Brasilien angekündigt und plant auch in den Stammwerken in Deutschland einen einschneidenden Abbau und Verschlechterungen für die Belegschaften.

Protest gegen Arbeitsplatzabbau im Daimler-Werk Berlin (Foto: WSWS)

In dem traditionsreichen Werk in Ludwigsfelde werden seit 1965 Nutzfahrzeuge hergestellt. Nach der Auflösung der DDR übernahm Daimler das Werk, um die billigen Löhne im Osten Deutschlands auszunutzen. Anfang 1991 begann die Produktion von Transportern, seit 2006 wird hier das Modell „Sprinter“ hergestellt. Damit soll bald Schluss sein. Der Konzern will sich durch die verstärkte Ausbeutung der Belegschaften in Osteuropa zum Kampf um die Neuaufteilung des Weltmarkts positionieren.

Dabei ist das Van-Geschäft von Daimler bereits jetzt höchst profitabel. „Im ersten Halbjahr“, berichtete das Handelsblatt am 9. September 2022, „haben die Stuttgarter bei einem Umsatz von 7,8 Milliarden Euro und 190.000 verkauften Fahrzeugen operativ eine Rendite von 9,4 Prozent erzielt. Dennoch gebe es ,Handlungsbedarf‘, sagt Spartenchef Mathias Geisen. ‚Wir müssen unsere Kostenposition deutlich verbessern.‘“

Um dies zu bewerkstelligen, d.h. die Kosten zu drücken, hat Mercedes am 8. September eine Absichtserklärung mit dem US-amerikanischen Startup Rivian unterzeichnet. Rivian gilt offenbar als idealer Partner, weil es für seine skrupellosen Methoden bekannt ist. Das Unternehmen stellt in den USA Pick-up-Trucks und SUVs her. Es ist vergangenes Jahr an die Börse gegangen, um im Windschatten des E-Mobility-Booms Kapital aufzunehmen. Dabei machte es mit dem Verkauf von Aktien in einer Art und Weise Kasse, die in keinem Verhältnis zu seinem realen Geschäftsergebnis stand: Zeitweise erreichte es eine Marktkapitalisierung von bis zu 140 Mrd. US-Dollar. Nach dramatischen Verlusten ist sein Aktienwert inzwischen allerdings auf weniger als ein Viertel dieses Höchstwerts geschrumpft.

Rivian dient offenbar als Vehikel für den Umbau der Autoindustrie. Neben dem Anteilseigner Ford hat sich auch Amazon-Chef Bezos einen zweistelligen Anteil an dem Unternehmen gesichert und Rivian zugleich einen Großauftrag für 100.000 Lieferfahrzeuge erteilt. Das Manager Magazin vom 26. August wertet dies als Teil des Vorstoßes der großen Internet- und Tech-Unternehmen in die Automobilbranche. Wer die Arbeitsbedingungen bei Amazon kennt, weiß, was dies für die Belegschaften bedeutet.

In Osteuropa kommen im Wesentlichen drei Standorte für die Herstellung von E-Vans in Frage, die sich in Ungarn, Rumänien und Polen befinden.

Da ist zum einen die Fabrik im ungarischen Kecskemet. Dort wurde im März 2012 das erste europäische Mercedes-Benz Pkw-Werk außerhalb Deutschlands eröffnet. Hier laufen Kompaktmodelle wie die A-Klasse oder der CLA vom Band. Das Werk hat fast 5.000 Beschäftigte. Auch BMW investiert in großem Umfang in Ungarn, genauer in der Stadt Debrecen. Am selben Standort will auch der chinesische Batteriehersteller CATL, wie vor wenigen Wochen angekündigt, eine Gigafabrik für die Belieferung europäischer Motorenwerke errichten. Berichten zufolge haben die Hersteller in Ungarn mittlerweile große Probleme, noch genügend Arbeitskräfte zu finden.

In Rumänien produzieren Tochtergesellschaften von Mercedes an den Standorten Sebes und Cugir Automatikgetriebe. Die „Automobilwoche“ vom 13. September hebt in einer Analyse der Kooperation zwischen Mercedes und Rivian vor allem die „Kostenvorteile gegenüber den anderen Standorten“ hervor. Gegen Rumänien spreche allerdings die Randlage und geringere Qualifikation der Belegschaft.

Die dritte Option ist Jawor in Polen. Hier hat Mercedes 2019 mit der Produktion von Motoren begonnen und 2021 auch eine Batteriefertigung in Betrieb genommen. In Jawor sind derzeit rund 1.300 Arbeiter beschäftigt. Das Werk wird in der Presse als aussichtsreicher Kandidat für die neue Produktion von E-Vans gehandelt.

Dieser kurze Überblick zeigt bereits, dass es die Arbeiter bei Daimler mit einem Konzern zu tun haben, der international agiert und die Welt nach den billigsten Arbeitskräften abgrast. Die einzige Möglichkeit für die Belegschaften, ihre Interessen zu verteidigen, besteht darin, sich ihrerseits weltweit zu organisieren.

Dazu ist es notwendig, unabhängige Aktionskomitees zu gründen, die die Verteidigung von Arbeitsplätzen und Löhnen selbst in die Hand nehmen. Nur so kann verhindert werden, dass die Unternehmensleitung und die Gewerkschaft hinter dem Rücken der Belegschaft für ein Werk nach dem anderen entweder die Stilllegung, den massiven Abbau von Arbeitsplätzen oder drastische Verschlechterungen der Bedingungen aushandeln.

„Die geplante Produktionsordnung wird Veränderungen mit sich bringen“, erklärte Ergun Lümali, der stellvertretende Aufsichtsrats-Vorsitzende und Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende der Mercedes-Benz Group AG, „umso wichtiger ist es jetzt in konstruktive Gespräche gemeinsam mit den Betriebsräten in Düsseldorf und Ludwigsfelde zu gehen.“ Das kann nur als Drohung an die Arbeiter verstanden werden.

Die IG Metall und der Betriebsrat reagierten auf die Ankündigung der Geschäftsleitung, die nächste Generation des Sprinters nicht mehr in Ludwigsfelde zu bauen, mit der sattsam bekannten Forderung nach „Zukunftskonzepten“. Sie nahmen sofort hinter verschlossenen Türen Verhandlungen mit der Geschäftsleitung auf. Als der Unmut in der Belegschaft hochkochte, luden sie den Vorstand zu einer Betriebsversammlung am 29. September ein. Dort soll er seine Pläne begründen und rechtfertigen.

Tobias Kunzmann, 1. Bevollmächtigter der IG-Metall-Geschäftsstelle Ludwigsfelde, erklärt dazu in einem Video für die Belegschaft: „Es geht jetzt darum, eine Zukunftssicherung einzufordern, ein Zukunftskonzept einzufordern“, und wiederholte diese Forderung gleich mehrmals. Der Standort habe „ein Sterben auf Raten nicht verdient“, und die Belegschaft solle dem Vorstand „die entsprechenden Fragen“ stellen.

In Wirklichkeit gibt es mit dem Vorstand von Daimler nichts zu verhandeln. Die Unternehmensleitung ist entschlossen, ihre Angriffe durchzusetzen. Ihre windigen Zusagen, man wolle eine „Standorterhaltung“ ohne Produktion erkunden, sind vollkommen wertlos. Das zeigen die Erfahrungen zahlreicher Belegschaften anderer Autobetriebe, zuletzt Opel Bochum und Ford Saarlouis, deren Werke nach jahrelangem Hinhalten komplett abgewickelt wurden bzw. werden.

In Berlin-Marienfelde wurde vor wenigen Tagen auf dem Gelände des dortigen Mercedes-Werks, in dem die Produktion von Komponenten für Verbrennungsmotoren ebenfalls ausläuft, der sogenannte „Digital Factory Campus“ eröffnet. Dort sollen ab 2025 Hochleistungs-Elektromotoren für die Sportmarke AMG gebaut werden. Was bis dahin tatsächlich geschieht und wie viele der aktuell noch 2370 Beschäftigten ihren Job behalten werden, ist völlig unklar. Das Unternehmen hat lediglich zugesagt, etwa 200 Software-Entwickler zu beschäftigen. Dieser erbärmliche Ausverkauf wird von Gewerkschaft und den Regierenden als großartiger Sieg gefeiert.

Die Politik der Gewerkschaft besteht darin, als Co-Manager und Betriebspolizei aufzutreten. Mit ihrem Gerede von „Zukunftskonzepten“ wollen sie massive Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und letztlich die Schließung des Werkes gegen die Wut der Arbeiter durchsetzen. Dabei spielen sie bewusst die Arbeiter der verschiedenen Länder und der verschiedenen Standorte gegeneinander aus.

Um die Arbeitsplätze zu verteidigen, ist ein grundlegend anderer Weg notwendig, der die Interessen der Arbeiter höher stellt als die Profitinteressen des Unternehmens.

Arbeiter stehen weltweit vor denselben Problemen. Sie sollen für den Krieg bezahlen, den die Nato in der Ukraine gegen Russland führt, für die Energiekosten, die wegen der Sanktionen gegen Russland explodieren, und für die Inflation.

Die WSWS ruft die Mercedes-Arbeiter in Ludwigsfelde und ganz Deutschland dazu auf, Aktionskomitees aufzubauen, um die nationalistische und unternehmensfreundliche Politik der IG Metall und ihrer Betriebsräte zu bekämpfen. Der einzige Weg vorwärts besteht darin, sich mit den Kollegen in Osteuropa und auch in den USA, Brasilien, Mexiko und dem Rest der Welt zusammenschließen.

Um das zu erreichen, wurde die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) gegründet, die weltweit Zulauf gewinnt. Besonders in den USA haben Arbeiter in der Autoindustrie von den korrupten Gewerkschaften unabhängige Streikkomitees gegründet. Dort kandidiert der Sozialist Will Lehman für den Vorsitz der Autoarbeitergewerkschaft UAW. Mit seinen Forderungen nach der Abschaffung der Gewerkschaftsbürokratie, der Rückgabe der Macht an die Basis und die internationale Einheit der Arbeiterklasse gewinnt er enorme Unterstützung.

Arbeiter, die an diesem Kampf interessiert sind, setzen sich mit der WSWS/SGP in Verbindung, entweder über WhatsApp unter der Nummer +491633378340 oder über das Formular unten.

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