Betriebsversammlung bei Ford Saarlouis

Was zur Verteidigung unserer Arbeitsplätze getan werden muss!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute findet die letzte Betriebsversammlung in diesem Jahr statt. Von den mehr als 50 Jahren, in denen unser Werk besteht, ist 2022 das bislang mit Abstand ereignisreichste und lehrreichste. Aber wenn wir beherzt Schlussfolgerungen aus dem letzten Jahr ziehen, wird 2023 das wichtigste Jahr. Es wird das Jahr, in dem sich die Ford-Belegschaft in Saarlouis von der Bevormundung seitens der IG Metall und ihres Betriebsrates befreit und die Verteidigung ihrer Lebensgrundlage selbst in die Hände nimmt.

Die zentrale Lehre des vergangenen Jahres ist eindeutig: Unsere Arbeitsplätze sind nicht mit der IG Metall und ihrem Betriebsrat unter Markus Thal zu verteidigen. Bleibt der Kampf in ihren Händen endet er für uns in einer Katastrophe.

Bereits im Herbst 2021 zeichnete sich ab, dass der Ford-Konzern die Schließung des Werks hier bei uns in Saarlouis erwägt. Der letzte Brief des scheidenden Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Martin Hennig kündigte Anfang Oktober 2021 den spalterischen Bieterwettbewerb mit den Kolleginnen und Kollegen in Almussafes, Valencia, an.

Thal unterstützte und organisierte dieses schändliche Vorgehen. Am 27. Januar hatten er und sein spanischer Kompagnon, der Betriebsratsvorsitzende José Luis Parra, dem Management ihre jeweiligen Angebote übergeben. Beide arbeiten im Europäischen Betriebsrat des Ford-Konzerns seit Jahren zusammen.

Thal und Parra behaupteten, es gäbe zur Spaltung unserer Belegschaften keine Alternative. Deshalb arbeiteten sie gemeinsam mit dem jeweiligen Management gewaltige Kürzungen aus – ohne uns darüber auch nur zu informieren. Bis heute hat Thal uns nicht dargelegt, welche weitreichenden Kürzungen er uns in Saarlouis und den Belegschaften in Köln und Aachen verordnen wollte.

Als uns dann die Entscheidung gegen Saarlouis bekanntgegeben wurde, haben Gewerkschaft und Betriebsräte einen Pseudo-Protest weit weg von den Werkstoren organisiert. Wir sollten keinesfalls auf die Idee kommen, die Tore oder sogar das gesamte Werk zu besetzen, um unserer Forderung nach Erhalt der Arbeitsplätze Nachdruck zu verleihen. Die Stimmung unter vielen von uns war im Juni danach.

Während Thal nicht müde wird, zu betonen, wie betrogen er sich fühlt, arbeitet er eng mit den „Betrügern“ zusammen, um den Sozialtarifvertrag, also die Abwicklung des Werks, auszuarbeiten. Wir werden vertröstet und sollen auf Ford, die saarländische Regierung, die IG Metall und den Betriebsrat vertrauen. Wer Thal und seine Truppe kritisiert, wird mundtot gemacht. Opposition gegen seinen Kurs wird eingeschüchtert. Das wurde besonders deutlich in der diesjährigen Betriebsratswahl, deren Ergebnis an Wahlen in Diktaturen erinnert.

Auf der letzten Betriebsversammlung im Oktober, als uns Ford die Weiterführung von lächerlichen 500 Arbeitsplätzen versprach, kündigte Thal an, bis zur nächsten Versammlung, also heute, müsse bei Ford „der Kompass für das erste Halbjahr 2023 in die richtige Richtung zeigen“.

Sein „Kompass“ zeigt nur in eine Richtung: In zweieinhalb Jahren ist Schluss mit der Autoproduktion von Ford in Saarlouis. Was mit uns, unseren Familien und unserem Auskommen ist, ist ihm egal. Wahrscheinlich wird Thal uns heute angebliche Ersatz-Arbeitsplätze schmackhaft machen, um die Werksschließung endgültig durchzusetzen. Thal und seine Kollegen erhoffen sich, für diese Dienste bezahlt zu werden, mit Posten, Geldern oder beidem.

Aber das Jahr 2022 hat nicht nur die verräterische Rolle des Betriebsrates belegt. Es hat auch einen Weg der Gegenwehr aufgezeigt: Anfang Januar schlossen sich mehrere Kollegen zum Ford-Aktionskomitee zusammen und nahmen den Kampf nicht nur gegen den Konzern, sondern auch gegen seine Handlanger in Betriebsrat und Gewerkschaft auf.

In unserem ersten Statement vom 29. Januar 2022 haben wir klar gemacht: „Verzicht rettet keinen Arbeitsplatz! Wir lehnen die Erpressung und den brutalen Wettbewerb zwischen uns und unseren Standorten prinzipiell ab. Das gegeneinander Ausspielen führt in die Katastrophe.“

Das hat sich voll und ganz bewahrheitet. Unser Aktionskomitee hat in den darauffolgenden acht Erklärungen und Aufrufen die unter uns weit verbreitete Opposition formuliert. Wir haben von Anfang an

  • den Bieterwettbewerb abgelehnt und ein gemeinsames Vorgehen mit den Kolleginnen und Kollegen in Almussafes vorgeschlagen,
  • dazu aufgerufen, dem Betriebsrat das Mandat zu entziehen, in unserem Namen zu sprechen und zu verhandeln,
  • darauf bestanden, dass unsere Arbeitsplätze nicht der Profitgier des Konzerns und seiner Aktionäre geopfert werden dürfen, dass unsere Interessen Vorrang haben vor denen der Kapitalisten,
  • betont, dass unser Werk nur mit internationalen Kampfmaßnahmen gegen den Konzern verteidigt werden kann.

Denn uns war klar, dass die Angriffe auf uns hier bei Ford in Saarlouis Teil einer internationalen Entwicklung sind. Inmitten unserer Auseinandersetzung kündigte Ford an, allein in den USA 9000 Arbeiter zu entlassen. In Indien wurde das Ford-Werk in Chennai geschlossen.

Die Angriffe auf die internationale Ford-Belegschaft sind wiederum Teil eines Generalangriffs der Konzerne in aller Welt auf ihre Belegschaften. Überall – in der Autoindustrie genauso wie in der Chemie-, Stahl-, Luftfahrtindustrie, bei den Eisenbahnern, im Gesundheits- und Bildungswesen usw. – werden Arbeitsplätze vernichtet, Löhne gekürzt, Arbeitsbedingungen verschärft. Die Angriffe auf die Lebensbedingungen von Arbeiterinnen und Arbeitern in aller Welt wurden und werden weiter forciert durch die Corona-Pandemie und nun den Krieg in der Ukraine.

Die Gewerkschaften stehen in jedem Land an der Seite „ihrer“ Konzerne und Regierungen. Hier in Deutschland hat das die Form der „Konzertierten Aktion“ angenommen, in der alle gemeinsam – Vertreter der Ampel-Koalition, Konzerne und Gewerkschaften – die Durchsetzung der Angriffe auf uns Arbeiterinnen und Arbeiter abstimmen.

Diese universale Erfahrung von Beschäftigten auf der ganzen Welt bezeugt, dass es keine individuelle Lösung gibt. Wir stehen vor Problemen, die wir nur gemeinsam angehen und lösen können. Rest-Arbeitsplätze bei Ford, anderen Automobil-Konzernen oder irgendeinem anderen Investor sind keine Lösung, sondern bedeuten nur einen Aufschub der Aufgaben, vor denen wir stehen: Uns international gegen die Konzerne zu vereinen und deren Interessen den unseren unterzuordnen.

Wir vom Aktionskomitee haben dabei die internationale Vereinigung nicht nur im Munde geführt, wir haben sie auch initiiert. Kollegen aus Saarlouis sprachen im Juli mit Ford-Kollegen aus Indien, die zur Verteidigung ihres Werks wochenlang gestreikt hatten – gegen den Willen ihrer Gewerkschaften.

Auf diesem Treffen haben wir auch mit Will Lehman gesprochen, dem Autoarbeiter von Mack Trucks in den USA, der mutig den Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie der dortigen Autoarbeitergewerkschaft UAW (United Auto Workers) aufgenommen hat. Zur Wahl des UAW-Präsidenten ist er mit dem Programm angetreten, die verhasste Bürokratie abzuschaffen und alle Macht den Arbeitern in den Betrieben zu übergeben.

In unserer letzten Erklärung haben wir die Bedeutung seines Kampfs erklärt. Auf unserem Treffen im Juli betonte er: „Es genügt nicht, wütend zu sein und zu schimpfen, es ist notwendig zu kämpfen. Ich kann es nicht für euch machen, ihr müsst es selber tun!“ Daher ruft er in den USA und international dazu auf, Aktionskomitees aufzubauen, die den notwendigen Kampf organisieren. Trotz aller Bemühungen der UAW-Bürokratie ihn mundtot zu machen, hat er 5000 Stimmen erhalten.

Auch die Bilanz des Ford-Aktionskomitees ist ein Erfolg. Wir müssen nicht einen Satz, den wir an die Belegschaft gerichtet haben, zurücknehmen. All unsere Einschätzungen und Warnungen haben sich bewahrheitet. Wir denken jedoch nicht daran, uns darauf auszuruhen. Es gibt noch viel zu tun.

Wir wenden uns daher erneut an euch: Schließt euch dem Aktionskomitee an. Wenn wir unsere Arbeitsplätze verteidigen wollen, müssen wir das organisieren, niemand anders macht das für uns.

Die Gelegenheit für einen internationalen Kampf ist besser als je zuvor. Immer größere Teile der arbeitenden Bevölkerung reihen sich in die weltweiten Proteste und Kämpfe gegen Krieg, Inflation, Entlassungen und Arbeitshetze ein. Diese müssen zusammengeführt und koordiniert werden, um erfolgreich zu sein. Die Gewerkschaften versuchen genau das zu verhindern, indem sie sich bemühen, uns in den nationalen Grenzen einzusperren.

Wir stehen dagegen auf!

Meldet euch per Whatsapp-Nachricht unter: +491633378340 oder füllt das Formular aus. Nur so kann 2023 das wichtigste Jahr in unserer mehr als ein halbes Jahrhundert dauernden Werksgeschichte werden.

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