Weltweit fordern Demonstranten Gerechtigkeit für die Tempi-Opfer in Griechenland

Der Generalstreik und die großen Proteste in Griechenland wegen der Tempi-Zugkatastrophe von 2023, die am vergangenen Freitag stattfanden, wurden von internationalen Demonstrationen unterstützt. Seit dem Zusammenprall von zwei Zügen mit 57 Todesopfern versucht die Regierung unter der rechten Nea Dimokratia (ND) die Ursachen zu vertuschen.

Weltweit fanden mindestens 112 Proteste statt, darunter in Berlin, Paris, Madrid, Barcelona, London, Edinburgh, Manchester, Rio de Janeiro, New York, Boston und Sydney. Eine Online-Karte wurde mehr als 1,9 Millionen Mal aufgerufen.

Reporter der World Socialist Web Site sprachen mit Demonstranten in Berlin, London und Manchester.

In Berlin protestierten Hunderte trotz strömenden Regens vor der griechischen Botschaft. Viele hatten selbst gebastelte Plakate dabei. Auf einem wurden die wichtigsten politischen Parteien Griechenlands für die Katastrophe verantwortlich gemacht: „Syriza, PASOK, ND – Tempi hat eine Geschichte.“

Hunderte protestierten trotz strömenden Regens in Berlin, Deutschland. In Anspielung auf die politischen Parteien Griechenlands, die alle für das tödliche Unglück verantwortlich sind, stand auf einem Plakat: „Syriza, PASOK, ND – Tempi hat eine Geschichte“, 28. Februar 2025

Christos sagte, die Massenopposition wegen Tempi sei Ausdruck sozialer Spannungen, die seit Jahren unterdrückt worden seien und sich aufgestaut hätten. „Der wahre Grund dafür [die Proteste] ist, dass die Menschen in Griechenland in den letzten 10, 15 Jahren Schwierigkeiten haben, sie haben genug von den Regierungen, es ist Zeit zu reagieren.“ Er schloss mit den Worten: „In ganz Europa und der ganzen Welt bricht alles auseinander. Einige wenige werden immer reicher und der Rest wird immer ärmer... Wir haben keine Demokratie mehr. Wir haben Kapitalismus.“

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George sagte: „Wir wollen Gerechtigkeit. Wir hoffen, dass die Menschen etwas über die Regierung und all ihre Handlungen erfahren, die definitiv nicht vergessen werden. Wir sind wirklich froh, dass es diese großen Demonstrationen gibt, damit die Menschen das sehen können.“

George

Auf die Frage, was seiner Meinung nach die Gründe für das Unglück waren, antwortete er: „Sicherlich die Regierung. Sie haben nicht alle Systeme für die Sicherheit installiert. Außerdem hatte der Güterzug illegale Brennstoffe geladen.“

Tasos kommentierte: „Sie wussten, dass etwas nicht in Ordnung ist. Sie wussten alles. Wir wollen Gerechtigkeit. Sie haben versucht, alles zu vertuschen, aber das können sie nicht, weil wir die Wahrheit kennen. Und wir sind hier, um ihnen zu zeigen, was die Wahrheit ist. Sie interessieren sich nicht für uns. 57 Menschen sind gestorben und es ist ihnen egal.“

Tasos und Athina

Athina sagte unseren Reportern: „Griechenland ist ein schönes Land, aber mit schlechten Regierungen. Man weiß nicht, wen man wählen soll, denn die eine Partei ist genauso schlimm wie die andere.“

Sie fuhr fort: „Die Griechen protestieren überall auf der Welt. Und ich hoffe, dass sich dieses Mal etwas ändern wird.“

Ein Transparent auf dem Protest in Berlin zeigte das griechische Parlament hinter Gittern mit der Aufforderung: „Baut private Gefängnisse und geht rein“

Christina, die ebenfalls in Berlin protestierte, betonte, dass sich der Wutausbruch nicht nur auf Tempi bezieht, sondern auf die gesamte Wirtschaftskrise in Griechenland. Sie ist vor einigen Jahren nach Deutschland eingewandert, weil sie keine Arbeit als Lehrerin finden konnte: „Aber seit acht Jahren hat sich nichts geändert. Jedes Mal, wenn ich nach Griechenland komme, sehe ich Freunde und Familie, die enttäuscht, besorgt und empört sind und versuchen, jeden Monat finanziell über die Runden zu kommen. Uns fehlt es in Griechenland an Infrastruktur. Die Krankenhäuser sind in einem katastrophalen Zustand, ebenso die Schulen und all das.“

Auch in Deutschland verschlechtere sich die Situation, so Christina. Sie appellierte an die deutschen Arbeiter und Jugendlichen nicht abzuwarten, sondern sich gegen die steigenden Preise und den Niedergang des Gesundheitssystems zu wehren. Sie fordert: „Geldmittel für das Volk, für die Menschen, denn wir sind die Macht.“

Eleni brachte ein eigenes Bild mit zur Demonstration in Berlin, das sie selbst in Anlehnung an Edvard Munchs berühmtes Gemälde „Der Schrei“ gemalt hat. Es zeigt den verunglückten Zug, die toten jungen Menschen und fordert in großen Lettern „Gerechtigkeit“ für die Opfer.

Eleni

In London protestierten rund 3000 Menschen vor der Botschaft und füllten die ganze Straße.

Rund 3000 Demonstranten vor der griechischen Botschaft in London

Elena nahm teil, weil „wir Griechen in den letzten 15 Jahren die Sparmaßnahmen und die Krise am eigenen Leib gespürt haben. Die Ausgaben für alles, was für das tägliche Leben der Menschen wichtig ist, wurden gekürzt, angefangen bei den Renten, den Gehältern. Alles wird teurer... Sie geben kein Geld mehr für öffentliche Krankenhäuser aus, die vorbildliche Einrichtungen waren.

Das alles geschieht im Namen der Begleichung von Schulden und der Rettung des Bankensystems. Wir haben das Gefühl, es ist das Tüpfelchen auf dem i. Dieses schreckliche Zugunglück war der letzte Tropfen in diesem schrecklichen Fass der Ungerechtigkeit: 57 Menschen starben, 50 von ihnen waren zwischen 17 und 23 Jahre alt. Endlich sind die Menschen aufgewacht und haben sich gefragt, was hier eigentlich los ist...“

Elena (rechts)

„Die Regierung ist verantwortlich und deckt die reichen Leute in Griechenland. Die Waggons des entgegenkommenden Güterzugs enthielten Brennstoffe, die nicht in den Waggons hätten sein dürfen...

Wir müssen Neuwahlen ausrufen. Aber ich weiß nicht, wen wir wählen können; nicht PASOK oder Syriza [Koalition der radikalen Linken, die 2017 die Staatsbahn privatisiert hat]. Wir müssen sie rausschmeißen. Sie müssen wissen, dass die Menschen ihre Lügen kennen, fühlen und verstehen. Es ist höchste Zeit, dass die Leute aufwachen.“

Evangelios nahm an der Demonstration teil, „um gegen die Vertuschung des Unfalls zu protestieren, der sich vor zwei Jahren ereignete. Die beiden Züge kollidierten, aber es gab eine riesige Explosion, und niemand kann erklären, warum dies geschah. Es ist keine natürliche Ursache – sie sind zusammengestoßen, aber die Explosion entstand durch irgendein Material, das der Güterzug transportierte. Aber die Regierung versucht, es zu vertuschen, und sagt, dass nichts Illegales oder Brennbares in dem Güterzug war.

Aber das ist nicht die Wahrheit, denn viele Spezialisten haben in den Trümmern Beweise für eine Art von brennbarem Material gefunden. Viele Leute sagen, dass etwas Illegales da drin war und ein großer Geschäftsmann dahintersteckt.“

Evangelios

„Die beiden Züge sind zusammengestoßen, weil es kein Telematiksystem gab, das erkennt, wo sich der Zug befindet, und die Züge automatisch abbremst. Es wird versucht, die Zugführer zu beschuldigen. Aber es ist bekannt, dass viele Unfälle durch menschliches Versagen verursacht werden, und die Systeme sollten ja vorhanden sein, um menschliches Versagen im Allgemeinen zu vermeiden. Sie haben das Geld irgendwo ausgegeben und nicht in die Eisenbahn investiert – und das war das Ergebnis.“

Auf die Frage, wen er dafür verantwortlich macht, antwortete Evangelios: „Es sind alle Regierungen der letzten 20 Jahre! Die letzten drei Regierungen tragen die Verantwortung. Wir reden hier über 15 Jahre, fast 20 Jahre, und davor hatten wir eine andere Regierung, die ebenfalls nicht investiert hat.

Sie [die Syriza-Regierung] hat die griechische Bahn [2017] für 50 Millionen Euro verkauft, das ist nichts, sie haben sie umsonst verkauft. Aber ihre Ausrede war: ‚Wir stecken in einer Finanzkrise und stehen unter Aufsicht des Internationalen Währungsfonds und haben kein Geld.‘ Und jetzt werden Menschen wegen dieser Unterfinanzierung getötet, was ist also die Ausrede? Nichts.“

Despina sagte: „Die Ungerechtigkeit in diesem Fall ist enorm und die Regierung [unter ND] hat versucht, alle Beweise zu verstecken. Wir sind für uns und unsere Kinder hierher gekommen. Wir haben Griechenland wegen der Krise verlassen. Wir sind hier für ein besseres Leben.“

Auf die Frage, wer ihrer Meinung nach für die tödliche Tempi-Katastrope verantwortlich ist, antwortete Despina: „Die Europäische Union. Die Sparpolitik in Griechenland. Die Züge wurden privatisiert und waren nicht mehr in öffentlicher Hand.“

Despina mit ihrem Plakat: „Ihre Profite stehen über unseren Leben“

Über die früheren Regierungen von PASOK, ND und Syriza sagte sie: „Ich denke, dass diese drei Regierungen verantwortlich sind, aber ich glaube nicht, dass die Verantwortung unter ihnen gleich verteilt ist. Syriza war während der Krise nur ein paar Jahre im Amt, aber ich denke, dass sie Verantwortung tragen, weil die Menschen, die sie unterstützt haben, die Sparmaßnahmen nicht wollten.“

Eine andere Demonstrantin, die ebenfalls Despina heißt, sagte: „Es gibt ein grundsätzliches Problem mit dem Eisenbahnsystem in Griechenland. Die Privatisierung des Systems ist ein zentrales Problem. Wir wissen auch, wie es in Großbritannien ablief, als die Bahn privatisiert wurde. Es endete mit schrecklichen Problemen.“

Despina mit ihrem Plakat: „Ich habe keinen Sauerstoff“

„In Griechenland wird absichtlich kein gutes, modernes und sicheres Eisenbahnsystem gebaut und unterstützt, weil wir viele Investoren im Straßenbau haben. Es gibt große Baufirmen, die die großen öffentlichen Bauvorhaben übernehmen, auch die Straßen, und sie profitieren sehr von den Mautgebühren.“

Sky nahm zusammen mit Petra an der Demonstration teil. Sky sagte: „Die Menschen sind wirklich enttäuscht von der griechischen Regierung, denn sie ist schuld an diesem Vorfall. Wenn sie die richtigen Vorkehrungen getroffen hätten, hätten die Züge richtig funktioniert, so dass dieser Vorfall nie passiert wäre...“

Sky

„Aber dann wurde die Mutter des jungen Mädchens, das dort sein Leben verlor, zur Stimme der Hoffnung und zur Stimme der Revolution und sie inspirierte wirklich die Griechen in Griechenland und weltweit. Sie sagte: ‚Nein, ich werde für meine Tochter kämpfen.‘ Und dann schlossen sich andere Menschen, andere Opfer und auch andere Eltern von Opfern zusammen.

Ich denke, es ist wie in einer revolutionären Bewegung, wie es die Menschen inspiriert hat. Die Griechen haben genug von der Regierung und wir verlangen eine Antwort auf diese Ungerechtigkeit.“

Petra erklärte: „Ich glaube, es gibt eine riesige Welle des Neoliberalismus, die alles auf der Welt erfasst hat, ich spreche nicht nur von Griechenland. Wir sind heute in einem sehr entscheidenden Moment. Was in Griechenland passiert, kann man meiner Meinung nach überall in Europa beobachten. Schaut euch die Regierungen an, die Wahlen, die Rechtsextremen, die auf dem Vormarsch sind.

Seit 2009 haben wir es mit einer riesigen Finanzkrise zu tun. In Wirklichkeit ist diese Krise nie zu Ende gegangen... Die Menschen sind es leid, sie sind wirklich sauer.“

Tempi habe das Fass zum Überlaufen gebracht: „Die Leute sagten: ‚Genug, wir können nicht mehr.‘ Das ist das Wichtigste, was so viele Menschen bewegt hat. Und ich sagte mir: Wir müssen etwas ändern.“

Thomas sagte, er sei gekommen, „nachdem ich gesehen hatte, was in Griechenland geschah, wo so viele Menschen aus demselben Grund protestierten“.

Thomas

„Ich denke, es braucht einen wirklichen systematischen Wandel... Wir brauchen einen wirklichen Wandel, nicht nur Parteien, die um unsere Stimmen werben und dann drei oder sogar sechs Jahre an der Macht sind, um dann einfach eine neue Partei zu gründen. Wir dürfen nicht einfach zwischen den beiden politischen Parteien wechseln, die wir in Griechenland in den letzten 40 Jahren oder so hatten.“

Vor dem griechischen Konsulat in Manchester protestierten Hunderte Menschen. Katerina, eine Beschäftigte im Gastgewerbe, sagte: „Ich bin heute hierhergekommen, um der Menschen zu gedenken, die bei dem Zugunglück von Tempi ums Leben kamen.“

Katerina bei der Demonstration in Manchester mit ihrem Plakat, auf dem steht: „Das Blut kann nicht mit Lügen vertuscht werden!“ und „Wir werden die Gerechtigkeit auf unseren Schultern tragen“

Über die Vertuschung durch die Regierung sagte sie: „Viele Informationen kamen erst nach anderthalb Jahren an die Öffentlichkeit, wir wussten nichts davon... Ich denke, wenn der Zug keinen illegalen Treibstoff transportiert hätte, könnten all diese Menschen noch am Leben sein.“

Sie fügte hinzu: „Die Regierung verheimlicht die Wahrheit, und das unterstützen wir nicht. Unser Premierminister sollte angeklagt, bestraft und ins Gefängnis gesteckt werden, zusammen mit seinem Parlament und allen, die darin verwickelt sind. Sie versuchen, die Beweise zu vertuschen, warum diese Menschen gestorben sind und aus welchem Grund. Es gab keinen anderen Grund als den, dass die Reichen noch reicher werden.“

In Edinburgh nahmen Hunderte an einer Kundgebung im Stadtzentrum teil.

Protest in Edinburgh

Auf den selbstgemachten Plakaten stand: „Gerechtigkeit für die Toten von Tempi und Pylos“. Pylos ist eine Anspielung auf den schrecklichen Tod von mehr als 600 Flüchtlingen, die beim Untergang ihres Bootes vor der griechischen Küste am 14. Juni 2023 ums Leben kamen. Auf einem anderen Plakat war zu lesen: „Gerechtigkeit wird nicht von den Mördern kommen. Das Volk wird für Gerechtigkeit sorgen.“

Selbstgemachte griechische Plakate bei der Kundgebung in Edinburgh: „Gerechtigkeit für die Toten in Tempi und Pylos“ und „Gerechtigkeit wird nicht von den Mördern kommen.“