Siemens Energy kündigt den Abbau von 7800 Arbeitsplätzen an

Am 2. Februar kündigte Siemens Energy den Abbau von 7800 Arbeitsplätzen an und gab gleichzeitig einen Gewinn von fast 100 Millionen Euro bekannt. Die IG Metall unterstützt die Pläne im Namen der Kostensenkung. Sie hat gemeinsam mit Konzernvorstand und Betriebsrat die „Zukunftsvereinbarung 2030“ vorgelegt, die den Rahmen für einen reibungslosen Abbau von Arbeitsplätzen absteckt.

Die Zahlen, die Konzernchef Christian Bruch am Dienstag vorlegte, beziehen sich auf das erste Quartal des Geschäftsjahrs 2020–2021, das die Zeit vom 1.10.2020 bis zum 31.12.2020 umfasst. Nach einem Verlust im Vorjahr erzielte Siemens Energy jetzt einen Gewinn nach Steuern von 99 Millionen Euro. Auch der Umsatz konnte leicht gesteigert werden. Bruchs gleichzeitige Ankündigung, 7800 Arbeitsplätze weltweit bis spätestens 2025 abzubauen, davon 3000 in Deutschland, löste bei den insgesamt 90.000 Beschäftigten große Sorge aus.

Der Plan sieht den Abbau von jedem 12. Arbeitsplatz vor und soll sein Ziel möglichst schon bis 2023 erreichen. Bruch rechtfertigte dies damit, im Geschäft mit fossilen Energien (Kohle, Gas und Öl) die Kosten um mindestens 300 Millionen Euro pro Jahr zu senken. Vor allem soll die Profitabilität von Siemens Energy gesteigert werden: Angestrebt ist, die Rendite von 6,5 Prozent auf 8,5 Prozent zu steigern, und dazu sollen Tausenden Arbeitsplätze vernichtet und die Arbeitshetze für die verbleibenden Arbeiter gesteigert werden.

Die Aktie des Unternehmens, das im MDax gelistet ist, reagierte mit deutlichen Kursgewinnen auf diese Ankündigung, die die Existenzgrundlage von Tausenden von Arbeitern und Angestellten vernichten wird. Da der Stellenabbau vor allem im Bereich Gas and Power (fossile Energien) stattfinden soll, fürchten vor allem Arbeiter in den Werken in Mülheim/Ruhr, Duisburg und Berlin um ihre Jobs.

Siemens-Werk in Mülheim/Ruhr (Foto: Frank Vincentz, via Wikimedia Commons)

Bei Siemens Energy Duisburg werden voraussichtlich bis zu 370 Stellen und im Werk Mülheim/Ruhr mindestens 600 Arbeitsplätze gestrichen. Auch im Raum Nürnberg–Erlangen und in anderen Regionen, so im Werk Görlitz, könnten viele Arbeitsplätze bei Siemens Energy betroffen sein. Den Unternehmensangaben zufolge sollen drei Viertel der bedrohten Stellen auf Management, Verwaltung und Vertrieb entfallen. Einsparungen sollen auch bei externen Dienstleistern und beim Einkauf sowie über die Optimierung der Logistik und der IT-Landschaft erzielt werden.

Das Unternehmen wolle aus dem Bau von Kraftwerken und Gasturbinen aussteigen und verstärkt in Technik für erneuerbare Energien investieren. Dies sei Teil der Energiewende. Mit den jetzt verkündeten Stellenstreichungen und der damit verbundenen Kostensenkung soll vor allem die Wettbewerbsfähigkeit von Siemens Energy gestärkt werden, so Vorstandschef Bruch.

Siemens Energy hat derzeit seinen Sitz in München, aber die Konzernzentrale soll demnächst in Berlin angesiedelt werden. Erlangen als Unternehmensschwerpunkt stammt noch aus der Zeit, als Siemens Energy noch unter dem Namen Energietechnik zur Siemens AG gehörte. Dieser Bereich wurde im letzten Jahr ausgegliedert und als eigenständiges Unternehmen Siemens Energy an die Börse gebracht.

Wie zuvor schon bei der Medizintechnik, die heute unter Siemens Healthineers firmiert, entspricht die Ausgliederung dem übergeordneten Plan, Siemens in mehrere Bereiche aufzuspalten, wobei jedes Unternehmen dann allein um sein Überleben kämpfen muss. Haupttreiber dieser Umstrukturierung war Siemens Vorstandschef Joe Kaeser, der jetzt selbst bei der Siemens AG aus dem Führungsposten ausscheidet, um den Aufsichtsratsvorsitz bei Siemens Energy zu übernehmen.

Der Energiebereich war schon vor seiner Ausgliederung von massiven Sparmaßnahmen und Arbeitsplatzabbau betroffen. So wurden dort allein ab 2018 über 6800 Arbeitsplätze vernichtet. Dies diente bereits dazu, den Bereich für die Ausgliederung fit zu machen.

Alle diese Angriffe auf die Arbeiter wurden mit voller Unterstützung der IG Metall und der Siemens-Betriebsräte durchgesetzt. Dies ist in dem neu gegründeten Unternehmen nicht anders.

Ende Januar, nur wenige Tage vor der Ankündigung des massiven Arbeitsplatzabbaus, hatten der Vorstand von Siemens Energy und die IG Metall und Betriebsräte die sogenannte „Zukunftsvereinbarung 2030“ unterzeichnet. Ihr zufolge soll der Unternehmensumbau „möglichst“ ohne Standortschließungen und betriebsbedingte Kündigungen vonstattengehen. „Notwendige Personalanpassungen“ sollen möglichst über „freiwillige“ Maßnahmen wie Aufhebungsverträge, Interne Qualifizierungen, Versetzungen, Transfergesellschaften und Ähnliches umgesetzt werden.

In einer Pressemitteilung von Siemens Energy vom 29. Januar 2021 heißt es: „Die Zukunftsvereinbarung 2030 sieht vor, bestehende Standorte in Deutschland grundsätzlich zu erhalten und möglichst keine Standorte schließen zu müssen. Die Parteien gehen davon aus, dass im Rahmen der Transformation möglichst keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. Das gemeinsame Ziel ist es, notwendige Personalanpassungen über sogenannte ‚freiwillige Maßnahmen‘ zu ermöglichen. Diese haben Vorrang vor betriebsbedingten Kündigungen.“

In dem Text werden Standortschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht ausdrücklich ausgeschlossen, und das Wörtchen „möglichst“ lässt überall eine Hintertür offen. Auch sind all die „freiwilligen Maßnahmen“ in der Mehrzahl der Fälle nicht wirklich freiwillig, sondern kommen durch enormen Druck zustande, den sowohl Vorgesetzte wie Gewerkschaftsvertreter auf Arbeiter und Angestellte ausüben. Dennoch wird die Vereinbarung von IG Metall und Betriebsratsvertretern hoch gelobt. Höchstwahrscheinlich haben sie aufgrund ihrer jahrzehntelangen Expertise bei der Durchsetzung von Arbeitsplatzabbau und anderen Angriffen diese Vereinbarung maßgeblich ausgearbeitet und formuliert.

Robert Kensbock, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Siemens Energy, bezeichnete die Vereinbarung als „klares Bekenntnis zum Standort Deutschland und zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ und betonte: „Mit der Unternehmensleitung sind wir uns einig, dass auch bei inhaltlichen Konflikten das Finden einer einvernehmlichen internen Lösung immer Vorrang haben sollte.“

Das „Bekenntnis zum Standort Deutschland“ unterstreicht die nationalistische Position des Gewerkschaftsfunktionärs. Die Vorstellung, dass Arbeiter den Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze gemeinsam über Standort- und Landesgrenzen hinweg führen könnten, liegt ihm absolut fern. Zur Verteidigung der eigenen privilegierten Position sind IG Metall und Betriebsrat bereit, alle Angriffe auf die Arbeiter mitzutragen. Sie sehen und verstehen sich als Co-Manager und Betriebspolizei.

Deshalb müssen Arbeiter auch die Betonung auf das Finden einer „einvernehmlichen internen Lösung“ bei inhaltlichen Konflikten als Warnung verstehen. Im Fall von Konflikten, beispielsweise der Nicht-Zustimmung zu einem „freiwilligen Aufhebungsvertrag“, findet sich der Betriebsrat auf der gleichen Seite wie das Unternehmen gegen die Arbeiter.

Auch Jürgen Kerner, IG Metall-Vorstandsmitglied und Mitglied des Aufsichtsrats bei Siemens Energy, ist über die „Zukunftsvereinbarung“ voll des Lobes: „Die von uns allen gewollte Umstellung der Energieversorgung stellt Siemens Energy vor große Herausforderungen mit massiven Auswirkungen nicht nur auf Produkte und Tätigkeiten, sondern auch auf Standorte und Beschäftigung.“ Besonders wichtig ist ihm das Bekenntnis von Seiten der Unternehmensführung zur Mitbestimmung und damit die Sicherung der Privilegien und Pöstchen der IG Metall- und Betriebsratsvertreter.

In einer Pressemitteilung der IG Metall Berlin vom 2. Februar 2021 heißt es, dass allein in Berlin bei Siemens Energy 500 Arbeitsplätze wegfallen könnten. Während sie konstatiert, dass das Unternehmen weltweit 7800 Stellen abbaut, um seine Profitabilität auf Kosten der Beschäftigten zu steigern, heißt es wenig später: „IG Metall und Gesamtbetriebsrat haben mit einer Zukunftsvereinbarung aber Schlimmeres verhindern können.“

IG Metall und Gesamtbetriebsrat haben mit ihrer Ausarbeitung und Zustimmung zu der „Zukunftsvereinbarung“ bereits vor dem Bekanntwerden des massiven Arbeitsplatzabbaus bei Siemens Energy den Rahmen abgesteckt, in dem sie versuchen werden, jeden Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze über Standort- und Ländergrenzen hinweg im Keim zu ersticken.

Umso dringender ist es für die Arbeiter und Angestellten bei Siemens Energy, sich unabhängig von den Gewerkschaften in Aktionskomitees zu organisieren, die für die bedingungslose Verteidigung aller Arbeitsplätze kämpfen und sich über Standort- und Ländergrenzen mit ihren Kollegen zusammenschließen. Dieser Kampf erfordert ein internationales sozialistisches Programm und den Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei.

Nehmt Kontakt auf zur World Socialist Website. Wir unterstützen Euch bei diesem Kampf.

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