US-Bahngewerkschaft sanktioniert siegreichen Oppositionskandidaten wegen Verbreitung eines WSWS-Artikels – ein Angriff auf demokratische Rechte

Eddie Hall, der einzige Kandidat, der für das Amt des Vorsitzenden der Eisenbahner-Gewerkschaft Brotherhood of Locomotive Engineers and Trainmen (BLET) gegen Amtsinhaber Dennis Pierce antritt, wurde von einem Disziplinarausschuss der Gewerkschaft bestraft, weil er einen Artikel der World Socialist Web Site geteilt hatte. Darüber hinaus hat der Ausschuss der BLET empfohlen, beim Arbeitsministerium eine Beschwerde gegen die WSWS einzureichen, mit der absurden Begründung, dass ihre Berichterstattung über die Gewerkschaftswahl eine Wahlbeeinflussung darstelle.

Ein Arbeiter besteigt eine Lokomotive auf einem BNSF-Bahnhof in Kansas City, 14. September 2022 (Kansas) [AP Photo/LM Otero]

David Manning, ein Eisenbahner, der sich auf dem Gewerkschaftskongress erfolglos um eine Nominierung beworben hatte, wurde aus demselben Grund ebenfalls als Kandidat disqualifiziert, obwohl er nicht auf dem Stimmzettel stand. Die WSWS interviewte Manning, der in den sozialen Medien eine große Anhängerschaft unter Eisenbahnern hat, zu Beginn dieses Jahres.

Dies ist ein eklatanter Angriff auf demokratische Rechte und die Redefreiheit. Es ist nicht nur ein Angriff auf Halls Recht als Kandidat, sondern auch auf das Recht der BLET-Mitglieder, zu wählen, wen immer sie wollen, und ebenso ein Angriff auf die Pressefreiheit. Die WSWS fordert die sofortige Rücknahme dieser Maßnahmen und appelliert an alle Eisenbahner und Organisationen, die unter Eisenbahnern aktiv sind, dasselbe zu tun.

Am späten Montagabend erhielt die WSWS aus zuverlässigen Quellen die Nachricht, dass Hall, ein relativ unbekannter lokaler Funktionär, den BLET-Vorsitz gewonnen hat. Der BLET-Apparat hat jedoch aus unerklärlichen Gründen angekündigt, die Ergebnisse erst nächste Woche bekannt zu geben.

Sollte sich Halls Sieg bestätigen, wäre dies eine enorme Erschütterung, die das Ausmaß des Zorns der Eisenbahner über die Rolle der BLET – der zweitgrößten der 12 Eisenbahngewerkschaften – und der anderen Gewerkschaften unterstreicht. Die Gewerkschaften hatten versucht, einen von der Biden-Regierung forcierten nationalen Tarifvertrag durchzusetzen. Vor zwei Wochen stimmte der Kongress dafür, den Vertrag einseitig zu erzwingen, nach monatelanger Hinhaltetaktik der Gewerkschaften, was die Position Washingtons noch stärkte.

Es hat jedoch den Anschein, dass Hall aufgrund der Beschwerde immer noch als Kandidat disqualifiziert werden könnte. In der ursprünglichen Beschwerde wurde Halls Disqualifizierung mit der Begründung gefordert, er habe Unterstützung von einem „nicht angeschlossenen Arbeitgeber“ (der WSWS) angenommen. Der Wahlbeschwerde-Ausschuss (EPC) stellte in einer Entscheidung vom 30. November fest, dass Hall gegen die Wahlordnung verstoßen habe. Doch anstatt ihn zu disqualifizieren, ordnete der Ausschuss an, dass Hall die Links zu dem Artikel entfernen und innerhalb von 72 Stunden eine öffentliche Erklärung abgeben müsse, in der er den vom EPC beanstandeten Artikel dementiert. Eine spätere Berufungsentscheidung des Gewerkschaftsbeirats stellte jedoch fest, dass Hall der Anordnung nicht nachgekommen war. Sie verwies „die Lösung dieser Angelegenheit zur erneuten Prüfung an den EPC zurück, da Hall der Aufforderung nicht rechtzeitig nachgekommen war“.

In seiner Entscheidung erklärte der EPC auch, dass er „empfiehlt, dass der BLET-Anwalt eine Beschwerde an das US-Arbeitsministerium weiterleitet, um festzustellen, ob das Vorgehen der WSWS“ – ihre Berichterstattung über die Wahl – „einen Gesetzesverstoß darstellen“.

In dem WSWS-Artikel „BLET national officers ‘election’ begins – without opposition candidates“ („Wahl“ der nationalen BLET-Führung beginnt – ohne Oppositionskandidaten) wurde berichtet, dass 25 der 26 nationalen Führungspositionen auf dem Gewerkschaftskongress im Oktober dieses Jahres am Las Vegas Strip „per Akklamation“ gewählt wurden, was bedeutet, dass die Delegierten keine weiteren Kandidaten nominierten. Die einzige offene Wahl bei den allgemeinen Gewerkschaftswahlen, über die die BLET-Mitglieder abstimmen konnten, war die Wahl des Präsidenten.

Eddie Hall teilte den Artikel später auf seinen Social-Media-Konten im Wahlkampf und sendete ihn an einen E-Mail-Verteiler von BLET-Mitgliedern, zu der er als Kandidat Zugang hatte.

Mark Wallace, ein Mitglied der Wählervereinigung „Pierce’s BLET United Slate“, antwortete einige Tage später mit einem Brief an die Mitglieder. Ohne ein einziges Argument der WSWS zu widerlegen, beschuldigte Wallace Hall fälschlicherweise, mit einer „sozialistischen Gruppe zusammenzuarbeiten, die entschlossen ist, die Struktur unserer Gewerkschaftsbewegung zu zerstören“.

Die WSWS hat auf diesen Brief in einem Kommentar im letzten Monat ausführlich geantwortet. Es handelt sich um eine Verleumdung der prinzipiellen Opposition der WSWS gegen die Gewerkschaftsbürokratie, die Wallace fälschlicherweise mit der „Gewerkschaftsbewegung“ gleichsetzt. Darüber hinaus räumte selbst der EPC-Bericht später ein, dass „es keine Beweise dafür gibt, dass die WSWS jemals Geldspenden an die Kampagne von Kandidat Hall geleistet hat“.

Die Grundlage, auf der der Disziplinarausschuss sein Urteil fällte – nämlich, dass Hall Hilfe von einem „externen nicht angeschlossenen Arbeitgeber“ angenommen hätte – ist absurd.

Würde man die Argumentation der BLET akzeptieren, würde dies jeder Nachrichtenpublikation verbieten, über die Gewerkschaftswahlen zu berichten oder den Gewerkschaftsapparat zu kritisieren. Es würde jedem Kandidaten verbieten, publizierte Informationen zu teilen.

Mit anderen Worten: Der BLET-Apparat behauptet, von jeglicher Kritik ausgenommen zu sein, und jeder, der gegen diese Ausnahme verstößt, müsse vom Staat juristisch sanktioniert werden.

Die Reaktion des Apparats ist Ausdruck einer extremen Furcht vor der Massenopposition der Eisenbahner gegen die Absprachen mit der Biden-Regierung und den Unternehmen, um die Tarifverträge durchzusetzen. Die WSWS hat durch die Aufdeckung dieser Verschwörung ein breites Gehör unter Arbeitern gefunden.

Der Gewerkschaftsapparat ist auch besorgt wegen des Einflusses, den die Unterstützung der WSWS für den sozialistischen Autoarbeiter Will Lehman bei den Wahlen zum Vorsitz der United Auto Workers hatte. Lehman gewann unter Arbeitern eine beträchtliche Unterstützung für sein sozialistisches Programm, das die Abschaffung der Bürokratie und ihre Ersetzung durch die demokratische Kontrolle der Basis forderte.

Dass Unterstützung durch „nicht angeschlossene Unternehmen“ verboten sein soll, hindert die BLET-Funktionäre nicht daran, sich mit Spitzenfunktionären der Demokratischen Partei, einer der beiden Hauptparteien der amerikanischen Konzerne, zusammenzutun. Auf dem Nominierungskongress selbst fanden imageträchtige Auftritte von Arbeitsminister Marty Walsh und der Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi statt, die später eine führende Rolle bei der Verabschiedung des Antistreikgesetzes spielten.

Die andere große Eisenbahngewerkschaft, SMART-TD, reagierte auf die Intervention des Kongresses mit einer kriecherischen Erklärung, in der sie das „Recht“ des Kongresses, Streiks zu verbieten, anerkannte und den führenden Demokraten für ihre „Unterstützung“ dankte. Die BLET hat noch nicht einmal eine offizielle Erklärung auf ihrer Website veröffentlicht. Keine der Gewerkschaften hat darauf hingewiesen, dass das Verbot eines Streiks durch den Kongress ein unzulässiger Eingriff in das demokratische Recht der Arbeiter ist, über die Ablehnung des Vertrags abzustimmen und einen Streik durchzuführen.

Das Bestreben der BLET, Hall zu sanktionieren, und ihre Forderung nach rechtlichen Schritten gegen die WSWS zeigen, dass sie die demokratischen Rechte der Arbeiter ebenso verachtet wie der Kongress. Der Apparat hat sich selbst als nichts anderes als eine Polizeimacht gegenüber der Arbeiterklasse entlarvt.

Im ursprünglichen Artikel über die BLET-Wahl kam die WSWS zu dem Schluss:

Das ist es, was „Demokratie“ für den Gewerkschaftsapparat bedeutet. Die Arbeiter haben die „Freiheit“, die Wahl zu billigen, die die Bürokratie für sie getroffen hat. Diese Organisationen behaupten, die Arbeiter zu vertreten, aber Arbeiter üben keinerlei Kontrolle über sie aus, während die „Führung“ einen Ausverkauf nach dem anderen durchsetzt.

Die „Wahl“ der BLET-Führung ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Eisenbahner – wenn sie sich gegen die Einschüchterungen durch die Transportunternehmen und den Kongress organisieren wollen, um für das zu kämpfen, was sie brauchen – auch mit dem Gewerkschaftsapparat rechnen müssen, der mit den Feinden der Eisenbahner unter einer Decke steckt und ihre demokratischen Rechte mit Füßen tritt. Arbeiter müssen die unbeschränkte Dominanz der Bürokratie brechen und neue, von den Arbeitern selbst demokratisch kontrollierte Strukturen errichten, um die Macht an die Basis zu übertragen.

Die Aktionen der BLET haben dies seitdem bestätigt.