Fabrikexplosionen, verseuchtes Wasser und entgleiste Züge: Geschäftskosten für den US-Kapitalismus

Letzte Woche hat eine gewaltige Explosion die kleine Industriestadt West Reading in Pennsylvania erschüttert. Die Explosion ging von der R.M. Palmer-Schokoladenfabrik aus, erschütterte mehrere Häuserblocks und schleuderte Trümmer durch die Luft.

Rettungskräfte am Ort einer tödlichen Explosion in einer Schokoladenfabrik in West Reading (Pennsylvania) am 25. März [AP Photo/Michael Rubinkam]

Die Explosion ist eine der tödlichsten Katastrophen am Arbeitsplatz in den USA seit Jahren, mit bisher sieben bestätigten Todesopfern: Xiorky Nunez (30), Susan Halvonik (63), Michael Breedy (62), Diana Cedeno (44), Judith Lopez-Moran (55), Amy Sandoe (49) und Domingo Cruz (60). Zehn weitere Arbeiter wurden verletzt.

Die Ermittlungen sind im Gange, aber wie immer deuten die ersten Hinweise auf kriminelle Fahrlässigkeit der Unternehmensleitung hin. Die Nationale Verkehrssicherheitsbehörde (NTSB) hat eine Untersuchung wegen einer Explosion im Zusammenhang mit „Erdgas“ sowie dem anschließenden Brand eingeleitet.

Die Beschäftigten des Betriebs hatten sich zuvor monatelang über Gasgeruch beklagt. Berichten zufolge wurden diese Beschwerden von der Unternehmensleitung ignoriert, die sich offensichtlich weigerte, die Produktion herunterzufahren, um das Problem zu lösen.

Die schreckliche Katastrophe in West Reading ist Teil einer nicht endenden Serie von Tragödien am Arbeitsplatz in den USA. Nur wenige Tage zuvor waren sechs Bauarbeiter in der Nähe von Baltimore (Maryland) getötet worden, als ein Auto in den Bereich krachte, in dem sie arbeiteten.

Nach Angaben der US-Regierung starben im Jahr 2021, dem letzten Jahr, für das Zahlen vorliegen, 5.190 Arbeiter bei Arbeitsunfällen. Einem separaten Bericht des Gewerkschaftsverbands AFL-CIO zufolge sterben jedes Jahr weitere 120.000 Menschen an Berufskrankheiten.

Der amerikanische Kapitalismus tötet Arbeiter nicht nur mit erschreckender Regelmäßigkeit, er vergiftet auch ihre Gemeinden. Am selben Tag, an dem sich die Explosion in West Reading ereignete, wurde die Wasserversorgung des nahe gelegenen Großraums Philadelphia mit seinen mehr als sechs Millionen Einwohnern verseucht, kontaminiert durch den Austritt von über 30.000 Litern giftigen Butylacrylats. Dies ist eine der Chemikalien, die letzten Monat bei dem schweren Zugunglück in East Palestine (Ohio) freigesetzt wurden. Der Nachweis von Butylacrylat im Ohio River veranlasste die Wasserbehörden von Cincinnati, die Wasserzufuhr abzuschalten.

Die Einwohner von Philadelphia wurden jedoch erst zwei Tage später über den Unfall informiert, als die Lokalnachrichten darüber berichteten. Dies führte zu einem Ansturm auf die Wasservorräte in den Supermärkten. Die örtlichen Behörden vollzogen derweil eine Kehrtwende, indem sie erst eine Wasserwarnung verhängten, dann wieder aufhoben und ohne eindeutige Beweise erklärten, dass das Trinkwasser sicher sei. Sie wiederholten damit die Reaktion der Regierung auf die Katastrophe in East Palestine selbst. Dort behaupteten die Beamten fälschlicherweise, das Wasser sei trinkbar und weigerten sich mehr als einen Monat lang, es auf tödliche Dioxine zu testen.

Was die Eisenbahnen betrifft, so setzen sich die Entgleisungen – von denen es in den USA durchschnittlich drei pro Tag gibt – auch nach East Palestine fort. Es wurde absolut nichts Sinnvolles getan, um ähnliche Katastrophen zu verhindern. Zu den jüngsten größeren Entgleisungen gehören ein Zug mit Flüssigasphalt und Ethylenglykol in North Dakota, ein Zug der nur wenige Stunden später in Kalifornien mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h entgleiste, sowie eine weitere Entgleisung und ein Brand am Donnerstag in Minnesota, an dem 22 Waggons, darunter auch Chemikalientankwagen, beteiligt waren.

In der letzten Zeit kam es zu weiteren schweren Unfälle:

  • am Mittwoch kenterte in Louisville (Kentucky) ein Lastkahn mit 1.400 Tonnen Methanol, einem Pestizid, im Ohio River und begann zu sinken;
  • im vergangenen September kamen die Brüder Ben und Max Morrissey bei einer Explosion in einer Ölraffinerie in der Nähe von Toledo (Ohio) ums Leben. Nach einer sechsmonatigen Untersuchung hat die Bundesregierung Anfang des Monats das Unternehmen zu einer Geldstrafe in Höhe von 156.250 Dollar verpflichtet.

Was sich hier abzeichnet, ist das Bild einer Gesellschaft in der Krise. Die Vereinigten Staaten sind das wohlhabendste Land der Welt und verfügen über modernste Technologien, dank derer Todesfälle am Arbeitsplatz fast der Vergangenheit angehören sollten. Dies wird jedoch mehr als nur aufgewogen durch die irrationalen und überholten Profitinteressen der herrschenden Klasse, die das Land regiert und die Technologie nutzt, um die Ausbeutung der Arbeiter ins Unermessliche zu steigern, mit dem Ergebnis, dass die Arbeitsplätze noch unsicherer werden.

So werden beispielsweise die Fortschritte bei den computergestützten Sicherheitstechnologien, wie Zugbeeinflussungssysteme bei den Eisenbahnen, in erster Linie dazu genutzt, Arbeitsplätze beim Zugpersonal und bei den Fahrdienstleitern abzubauen. Es handelt sich also nicht um zufällige, tragische Unfälle, sondern um soziale Morde, die auf bewussten Entscheidungen beruhen.

Unterdessen werden zur Verteidigung der globalen Interessen des US-Imperialismus keine Kosten gescheut, um Waffen für das Massenmorden auf den Schlachtfeldern in der Ukraine oder massive Schiffbauprogramme für die Marine zur Kriegsvorbereitung gegen China finanzieren zu können. Dasselbe politische Establishment macht dann eine Kehrtwende, beklagt die Armut von Arbeitern, die jeden Tag an amerikanischen Arbeitsplätzen sterben, und behauptet, man könne nichts tun, um solche Todesfälle zu verhindern.

Nach jeder dieser Katastrophen beweist das politische System seine völlige Unfähigkeit, sinnvoll zu reagieren oder auch nur überzeugend vorzugeben, es würde sich kümmern. Es ermöglicht solche Katastrophen, indem es alle früheren Schutzmaßnahmen aufhebt und die Unternehmen vor jeglicher finanziellen oder rechtlichen Haftung schützt.

Die Gewerkschaften, die von korrupten Bürokratien kontrolliert werden und völlig mit dem kapitalistischen Staat verflochten sind, sind entscheidende Instrumente zur Unterdrückung jeglicher Reaktion der Arbeiterklasse auf diese Entwicklung. Sie arbeiten offen daran, Streiks zu verhindern und schlechte Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Im vergangenen Dezember haben die Eisenbahngewerkschaften Hand in Hand mit Washington zusammengearbeitet, um einen landesweiten Streik abzuwenden und dem Kongress Zeit zu verschaffen, ihn präventiv zu verbieten. Bei den United Auto Workers (UAW) wurde die neue so genannte „Reform“-Führung bei einer Wahl gewählt, bei der hunderttausende von Arbeitern von der Teilnahme ausgeschlossen waren. Sie bereitet schon jetzt einen Ausverkauf bei den Vertragsverhandlungen im weiteren Jahresverlauf vor.

Die offizielle Gleichgültigkeit gegenüber dem menschlichen Leben zeigt sich in großem Ausmaß in der Corona-Pandemie, die weiterhin schätzungsweise 500 Amerikaner pro Tag tötet, obwohl von offizieller Seite versucht wird, sie für „beendet“ zu erklären. Seriöse Experten haben gezeigt, dass das Virus im Jahr 2020 durch eine weltweit koordinierte Reaktion mit aggressiver Kontaktverfolgung und Quarantäne innerhalb weniger Wochen hätte eingedämmt werden können.

Diese Maßnahmen wurden entweder nie oder nur kurzzeitig durchgeführt, weil die Kosten solcher Maßnahmen als „schlimmer als die Krankheit“ angesehen wurden, um den vom New York Times-Kolumnisten und Multimillionär Thomas Friedman geprägten Ausdruck zu verwenden. Mit anderen Worten: Ein schnelles Ende der Pandemie wäre für sie weniger wünschenswert gewesen als der vermeidbare Tod von 20 Millionen Menschen, darunter mehr als eine Million Amerikaner.

Aber der Widerstand innerhalb der Arbeiterklasse wächst rapide, und der Klassenkampf schafft die Bedingungen, unter denen diese Fragen ernsthaft angegangen werden können. Es gibt eine wachsende Stimmung der Militanz unter einfachen Arbeitern und ein wachsendes Bewusstsein, dass sie mit einem ganzen sozialen System, dem Kapitalismus, konfrontiert sind, das sie unterdrückt. Dies drückt sich nicht nur in der Zunahme von Streiks aus, wie z.B. dem Streik von 65.000 Schulangestellten in Los Angeles in der vergangenen Woche, sondern auch durch das Wachstum neuer unabhängiger Organisationen der Arbeiterklasse. Ein wichtiger Meilenstein war das Treffen von US-Autoarbeitern am vergangenen Sonntag das von der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) geleitet wurde.

In Ländern auf der ganzen Welt, darunter Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Israel, Griechenland und Sri Lanka, beteiligen sich Millionen von Arbeitern an landesweiten Massenstreiks und Demonstrationen gegen die Sparmaßnahmen und die zunehmende politische Unterdrückung. Dies wird auch in Amerika der Fall sein. Das Zentrum des Weltkapitalismus ist auch das Zentrum des sozialen Elends, der Ungleichheit und der irrationalen gesellschaftlichen Entscheidungsfindung. Die entscheidende Frage für Arbeiter ist jedoch, wie überall auf der Welt, wie die Perspektive dieser Bewegung aussehen wird.

Im Übergangsprogramm, dem Gründungsdokument der Vierten Internationale, erklärte Leo Trotzki: „Kann der Kapitalismus die Ansprüche nicht befriedigen, die sich unvermeidlich aus den von ihm erzeugten Übeln ergeben, dann mag er zugrunde gehen.“

Der Kampf für sichere Arbeitsplätze wirft wie bei allen anderen sozialen Fragen die Frage auf, wie, von wem und in wessen Interesse solche Entscheidungen getroffen werden. Er wirft die Frage nach der Kontrolle durch die Arbeiter und der Abschaffung des Profitsystems selbst auf. Der Kampf der Arbeiterklasse muss auf den Kampf für den Sozialismus und die Nutzung der riesigen Ressourcen der Welt für die Bedürfnisse der Menschen und nicht für den privaten Profit ausgerichtet sein.