Perspektive

Brandkatastrophe in Indiana: Umweltverschmutzung und Tod von Arbeitern bleiben im Kapitalismus ungesühnt

Eine riesige schwarze Rauchwolke verdunkelte am Dienstag den Himmel über Richmond, einer ehemaligen Industriestadt mit 35.000 Einwohnern im US-Bundesstaat Indiana. Eine mitten in der Stadt gelegene Recyclingfabrik für Kunststoff war in Flammen aufgegangen. Die Gesundheit Tausender Menschen in der Region ist bedroht.

Alle Bewohner im Umkreis von einem knappen Kilometer um das Inferno wurden zur freiwilligen Evakuierung aufgefordert. Daraufhin verließen etwa 2.000 Menschen ihre Häuser. Denjenigen, die nicht in der Evakuierungszone wohnen, wurde geraten, in den Häusern zu bleiben, Klimaanlagen abzuschalten, Fenster und Türen geschlossen zu halten und Haustiere nicht ins Freie zu lassen.

Es ist noch unklar, welche Chemikalien bei dem Brand freigesetzt wurden. Steve Jones, der als State Fire Marshal in Indiana für die Brandbekämpfung zuständig ist, erklärte gegenüber Reportern, dass der Rauch „definitiv giftig“ sei.

Laut dem Leiter der Feuerwehr von Richmond, Tim Brown, war die riesige, mehr als 16.000 Quadratmeter umfassende Recyclingfabrik mit Kunststoffen „vollgestopft“. Das Brandrisiko sei bekannt gewesen. „Es ist für uns alle sehr frustrierend“, so Brown gegenüber Lokalreportern. „Es war keine Frage, ob, sondern wann es passieren würde. Das wussten wir.“ Beim Verbrennen von Kunststoffen werden zahlreiche krebserregende Chemikalien freigesetzt, darunter Dioxin, Benzo[a]pyren (BAP) und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK).

Brown wies darauf hin, dass der Eigentümer der Anlage, Seth Smith, wiederholt wegen Sicherheitsverstößen verwarnt wurde und dass die Stadtverwaltung über die Brandgefahr Bescheid wusste. „Er ist mehrfach verwarnt worden“, erklärte Brown über Smith. „Ich weiß mehr nicht mehr genau, wann das war, aber wir wussten, wie es dort aussah.“

Die Behörden versichern, dass das städtische Trinkwasser nicht betroffen sei, und die Umweltschutzbehörde meldet, dass am Boden noch keine gefährlichen Chemikalien nachgewiesen worden seien, auch kein Styrol oder Benzol, zwei Schadstoffe, die bei der Verbrennung von Plastik häufig freigesetzt werden.

Die Anwohner begegnen den behördlichen Angaben allerdings zu Recht mit Skepsis. Immerhin gibt es zahlreiche Präzedenzfälle für verheerende Umweltverschmutzung durch die Industrie und deren Vertuschung in den USA. Bekannte Beispiele sind der Giftmüllskandal von Love Canal, die Bleiverseuchung des Trinkwassers in Flint und die Grundwasserverseuchung im kalifornischen Hinkley.

Der Wind treibt die giftige Wolke, die von der Recyclingfabrik ausgeht, nach Osten in Richtung des dicht besiedelten Gebiets um Dayton im Nachbarstaat Ohio.

Der Industriebrand im Mittleren Westen der USA reiht sich ein in eine ganze Serie von Katastrophen in jüngster Zeit. Erst im Februar gelangte bei einer Zugentgleisung und einem „kontrollierten Brand“ in East Palestine, Ohio, eine Vielzahl krebserregender Stoffe ins Grundwasser und in die Luft. Trotz wiederholter Abwiegelungen von Regierungs- und Unternehmensvertretern berichten die Anwohner über anhaltende Symptome infolge des Kontakts mit giftigen Chemikalien, und bei Tests wurden Nebenprodukte von Vinylchlorid bei den Menschen nachgewiesen.

Immer wieder verseuchen Unternehmen Wohngebiete von Arbeitern und schaffen wissentlich gefährliche Arbeitsbedingungen, die Jahr für Jahr Hunderte Beschäftigte das Leben kosten. Die Verantwortlichen wissen, dass sich die Aufsichtsbehörden mit geringfügigen Geldstrafen begnügen. Das Töten und Vergiften von Arbeitern und ihren Familien wird von den Kapitalisten in ihrem Profitstreben als notwendiges Übel angesehen. Die Bußgelder werden als Betriebskosten eingepreist.

Erst letzten Monat starben sieben Arbeiter bei einer Explosion in der Schokoladenfabrik R.M. Palmer Company in West Reading, Pennsylvania. Bereits 2018 und 2019 waren dort Arbeiter verletzt worden, und das Unternehmen wurde mit lächerlichen Bußgeldern in Höhe von 13.000 bzw. 26.000 US-Dollar belegt.

Ebenfalls im März wurde BP Products North America eine Geldstrafe in Höhe von nur 156.250 Dollar auferlegt, nachdem zwei Brüder, Ben und Max Morrisey, im September 2022 bei einer Explosion und einem Brand in der BP-Husky-Ölraffinerie in Oregon ums Leben gekommen waren. Die dortige Anlage war explodiert, nachdem die Warnungen der Arbeiter und ihre Forderung, sie abzuschalten und zu reparieren, von der Unternehmensleitung ignoriert worden waren.

Ein besonders berüchtigter Fall von BP ist die Ölpest 2010 im Golf von Mexiko, bei der 11 Arbeiter ums Leben kamen, maritime Lebensräume vergiftet und die Küsten von Louisiana, Mississippi, Alabama und Florida verseucht wurden. Die von der US-Bundesregierung eingereichten Strafanzeigen gegen untergeordnete Manager führten in keinem Fall zu Haftstrafen, und gegen die Verantwortlichen auf der obersten Führungsebene von BP wurde gar nicht erst Anklage erhoben. Das Unternehmen erklärte sich bereit, 4,5 Milliarden Dollar an Bußgeldern zu zahlen, was seine Gewinne kaum schmälerte.

Bei Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2020 setzten die Unternehmer ihre Belegschaften wissentlich einem hochansteckenden und tödlichen Virus aus. Die Bundesstaaten, ob von Demokraten oder Republikanern regiert, verabschiedeten umgehend Gesetze, die Unternehmen von der gesetzlichen Haftung für Infektionen am Arbeitsplatz befreiten.

Durch spontane Arbeitsniederlegungen in der Automobilindustrie und Proteste der Beschäftigten im Bildungswesen wurden vorübergehende Schließungen und gewisse Schutzmaßnahmen erzwungen. Doch die herrschende Klasse verlangte die rasche Aufhebung aller Beschränkungen. Infolgedessen sind nach offiziellen Angaben mehr als 1,1 Millionen Amerikaner an dem Virus gestorben, und etwa 20 Millionen weitere leiden unter Long Covid.

Die Gewerkschaftsbürokratien, die so tun, als würden sie die Interessen der Arbeiter vertreten, sind mitschuldig an diesen Verhältnissen. Sie haben den Vorrang der Profite vor dem Schutz von Menschenleben während der Pandemie unterstützt und nichts gegen die gefährlichen Arbeitsbedingungen unternommen, die in den USA täglich 340 Arbeiter das Leben kosten.

Die herrschende Klasse der USA eskaliert den Krieg mit Russland in der Ukraine und bereitet sich auf einen Krieg gegen China vor. Die sozialen Kosten dieser Kriegspolitik im Ausland und der Bankenrettungen im Inland werden der Arbeiterklasse aufgebürdet, die immer brutaleren Formen der Ausbeutung ausgesetzt ist. Die Arbeiterklasse hat die kollektive Macht, das Gemetzel in den Betrieben zu stoppen und sichere Arbeitsbedingungen für alle durchzusetzen. Dies erfordert die Bildung von Aktionskomitees, die für die Bedürfnisse der Arbeiter kämpfen. Diese Komitees, die unter der Leitung der Internationalen Arbeiterallianz für Aktionskomitees (IWA-RFC) aufgebaut werden, werden sich der Diktatur der Unternehmen widersetzen und für die Kontrolle der Arbeiter über die Produktion und die Arbeitssicherheit kämpfen.

Mit dem Aufbau von Aktionskomitees wird die Grundlage für eine mächtige Bewegung der Arbeiterklasse geschaffen, der einzigen gesellschaftlichen Kraft, die der Tyrannei des Kapitals ein Ende setzen und eine sozialistische Gesellschaft herbeiführen kann, die den menschlichen Bedürfnissen und nicht dem Streben nach Profit dient.