Inferno von Kočani: Mindestens 59 junge Todesopfer bei Club-Brand in Nordmazedonien

Polizeibeamte mit Plastiktüten nach dem Großbrand in einem Nachtclub im nordmazedonischen Kocani am 16. März, bei dem mindestens 59 Menschen ums Leben kamen [AP Photo/Visar Kryeziu]

In der Nacht von Samstag auf Sonntag brach in einem Club in der nordmazedonischen Stadt Kočani ein verheerendes Feuer aus, bei dem mindestens 59 junge Menschen ums Leben gekommen sind. 155 weitere mussten wegen Verbrennungen oder Rauchvergiftungen im Krankenhaus behandelt werden.

Die Todesopfer sind zwischen 14 und 24 Jahre alt. Die Zahl könnte nach den Worten des nordmazedonischen Gesundheitsministers noch steigen, da sich mindestens 20 Verletzte in einem kritischen Zustand befänden.

Etwa 1500 Feiernde tanzten gerade beim Konzert der beliebten nordmazedonischen Hip-Hop-Band DNK im „Club Pulse“, als um etwa 2.30 Uhr die Decke in Flammen aufging. Bei einer Bühnenshow mit Pyrotechnik sprangen die Funken auf die Deckenverkleidung über, die aus leicht entflammbarem Material bestand und sofort Feuer fing. Der Club brannte vollständig aus und Teile des Dachs brachen ein. Viele Jugendliche versuchten, durch die Fenster zu fliehen.

Diese tragische Katastrophe hätte verhindert werden können. Immer mehr Informationen kommen ans Licht, die deutlich machen, dass der Brand das Ergebnis krimineller Vernachlässigung jeglicher Sicherheitsvorkehrungen war.

Wie der Innenminister Panče Toškovski mitteilte, hatte der Betreiber keine legale Betriebslizenz, sondern eine gefälschte Lizenz. Er ordnete eine Untersuchung wegen möglicher „Bestechung und Korruption“ an. Der für etwa 250 Gäste ausgelegte Club war mit über tausend Menschen restlos überfüllt. Es gab zu wenige Feuerlöscher und nur einen Notausgang, der zum Zeitpunkt des Konzerts verschlossen war. Auch standen keine Rettungswagen für Notfälle bereit, wie es vorgeschrieben ist. Vor der Umfunktionierung zum Club soll das Gebäude der BBC zufolge ein Teppichlager gewesen sein.

Mehrere Bandmitglieder sind in dem Inferno gestorben, darunter der zweite Frontmann Andrej Gjordjieski. Wie lokale Medien berichten, soll er noch in den Club zurückgekehrt sein und versucht haben, verletzte Jugendliche zu retten, bis er selbst seinen Verbrennungen erlag. Der 43-jährige Musiker hatte an der Musikakademie in der Hauptstadt Skopje studiert und hinterließ Frau und Tochter.

Zu den Opfern zählen auch die Background-Sängerin Sara Projkovska, eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, die an der Musikakademie in Skopje Klavier unterrichtete, der Schlagzeuger Gorgi Gorgiev, der Keyboarder Filip Stevanovski und der Gitarrist Aleksandar Kolarov. Der Mitgründer und Leadsänger Vladimir Blazev, genannt Pančo, wurde mit Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert.

Wie der Spiegel gestützt auf nordmazedonische Berichte schildert, suchten verzweifelte Eltern in den sozialen Medien nach ihren Kindern. „Bürger halfen mit ihren eigenen Autos aus und folgten den Rettungswagen, um Schwerverletzte in die Krankenhäuser zu bringen.“ Das Krankenhaus von Kočani war mit den Notfällen überfordert, sodass Verletzte in andere Städte oder ins Ausland verlegt werden mussten. Die Stadt mit 25.000 Einwohnern liegt im Nordosten des Landes, nicht weit von der Grenze zu Bulgarien.

Während die Angehörigen und die Bevölkerung unter Schock und Trauer stehen, versucht die Regierung, Schadensbegrenzung zu betreiben. Mindestens 15 Personen, darunter Beamte des Wirtschaftsministeriums, die eine Lizenz für den Club ausgegeben haben sollen, und der Clubbesitzer, wurden festgenommen. Die Regierung unter dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Hristijan Mickoski, die seit Juni 2024 im Amt ist, wirft der Vorgängerregierung Korruption vor.

Die Präsidentin Gordana Davkova Siljanovska erklärte in einer Rede an die Nation am Sonntag: „Keiner der Verantwortlichen sollte sich dem Gesetz, der Gerechtigkeit und der Strafe entziehen.“

Die Regierung ist offensichtlich besorgt, dass nach der Trauer die Wut kommt. ZDF heute zitiert eine 19-jährige Studentin, die am Rande der gestrigen Trauerfeier sagte: „Das war kein Unfall, sondern buchstäblich Mord, mit all den Sicherheitsverstößen in diesem Land. Wir können nicht dazu schweigen, selbst wenn wir Angst haben.“

Die herrschende Klasse muss fürchten, dass eine solche Katastrophe große Proteste auslöst – wie zuletzt in Griechenland nach dem Zugunglück in Tempi 2023 und in Serbien nach dem Einsturz eines Bahnhofsdachs in Novi Sad 2024.

Unabhängig davon, was noch über die Hintergründe des Unglücks bekannt wird, ist schon jetzt klar, dass die Spuren des Verbrechens bis in hohe Kreise der nordmazedonischen Politik führen. Offensichtlich sind hier Unternehmer und Politiker für ihre Profitinteressen über Leichen gegangen.

Was in Nordmazedonien wie in allen Balkanländern meist als „Korruption“ einzelner Personen abgetan und vertuscht wird, hat seit Jahren und Jahrzehnten System. Die Zerschlagung Jugoslawiens infolge der Nato-Kriege in den 1990er Jahren hat kleine, von ethnischen und politischen Konflikten zerrissene Ministaaten hervorgebracht, in denen die nackte kapitalistische Profitgier herrscht.

Nordmazedonien, das sich 1991 unabhängig erklärte, hat gerade einmal 1,8 Millionen Einwohner. Bis 2001 eskalierten hier bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen zwischen der slawo-mazedonischen Mehrheit (58,4 Prozent) und der albanischen Minderheit (ca. 24,3 Prozent).

Armut, soziale Ungleichheit und Perspektivlosigkeit prägen den Alltag der Arbeiterklasse. Zwar ist die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren etwas gesunken, liegt aber immer noch bei 13,2 Prozent, die Jugenderwerbslosenquote sogar doppelt so hoch bei 27,2 Prozent.

Seit 2005 ist Nordmazedonien Beitrittskandidat der Europäischen Union (EU). Besonders deutsche Unternehmen profitieren von günstigen Arbeitskräften und Produktionsbedingungen. 47,2 Prozent aller Exporte des Landes gehen an Deutschland, einem der Haupthandelspartner.

Laut einem Bericht der GTAI (Germany Trade and Invest), der bundeseigenen Marketing-Agentur für den Standort Deutschland, vom Dezember 2024 ist Nordmazedonien eng in die Lieferketten der Autobauer integriert. Daher bekommt die lokale Zulieferindustrie jetzt auch die Auswirkungen der deutschen Autokrise zu spüren. Gleichzeitig haben die ausländischen Direktinvestitionen stark zugenommen. Deutsche Firmen seien die größten Investoren, darunter Kfz-Zulieferer, Elektronikhersteller, die Deutsche Telekom und der Discounter Lidl.

Wie in allen europäischen Ländern wird auch in Nordmazedonien militärisch aufgerüstet – auf Kosten der Sozialausgaben. Am 27. März 2020 trat Nordmazedonien der Nato bei. Die Militärausgaben sind seit der Annäherung an das Bündnis stark angestiegen. Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI haben sie sich von 119,6 Millionen US-Dollar im Jahr 2018 auf ein Rekordhoch von 266,6 Millionen US-Dollar im Jahr 2023 mehr als verdoppelt.

Es war die griechische Regierung unter der pseudolinken Syriza, die der Aufnahme Nordmazedoniens in die Nato den Weg freiräumte. 2019 vereinbarte Ministerpräsident Alexis Tsipras im Prespes-Abkommen die Umbenennung von FYROM (Former Yugoslav Republic of Macedonia) in Nordmazedonien. Damit wurde der jahrzehntelange Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien beigelegt.

Während die Vereinbarung von Prespes von bürgerlichen Medien und pseudolinken Organisationen als großer Fortschritt gefeiert wurde, betonte die WSWS, dass sie vor allem reaktionären Zielen dient. Die Umbenennung war ein Schritt hin zur schnellen Integration des kleinen Balkanstaats in die Nato.

Die Balkanregion wird von Deutschland und der EU als wichtige geopolitische Einflusssphäre gesehen und als Billiglohnplattform ausgebeutet. Sie fördern in Wirklichkeit die Korruption und profitieren von niedrigen Sicherheitsstandards. Wie das griechische Zugunglück von Tempi (57 Tote), der Dacheinsturz des Bahnhofs Novi Sad (15 Tote) und die Feuerkatastrophe im türkischen Grand Kartal Hotel (78 Tote) zeigt auch der Brand von Kočani, dass unter den Bedingungen des kapitalistischen Systems ein Menschenleben nichts wert ist.