Fünfter Warnstreik, Urabstimmung und Schlichtungsverfahren bei der BVG

Von Mittwoch bis Freitagfrüh fand der fünfte Warnstreik der rund 16.000 Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) statt, um ihrer Hauptforderung für eine Lohnerhöhung von 750 Euro monatlich Nachdruck zu verleihen.

Streikkundgebung der BVG-Arbeiter in Berlin, 26.03.2025

Außerdem startete am Mittwoch die Hausgewerkschaft Verdi die Urabstimmung zu einem unbefristeten Vollstreik unter den Beschäftigten, die bis zum 4. April andauert. Der unbefristete Streik wurde längst von tausenden BVG-Kolleginnen und -Kollegen gefordert, da der BVG-Vorstand und die zuständige Senatsverwaltung unter Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) in den Verhandlungsrunden völlig inakzeptable Tarifangebote unterbreiteten.

Während Verdi noch am 21. März, dem von den Funktionären großspurig angekündigten „Tag des Ultimatums“ für ein akzeptables Tarifangebot der Arbeitgeberseite, die Tarifverhandlungen für gescheitert erklärte, wurden unmittelbar danach die ersten Weichen für die Einberufung eines Schlichtungsverfahrens gestellt.

Hinter verdeckter Hand hatte Jeremy Arndt, Verhandlungsführer und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der BVG, sich bereit erklärt, darüber zu sprechen. Verschiedene Medien berichteten über Unterstützung aus Kreisen der Verdi-Tarifkommission für ein Schlichtungsverfahren.

Am zweiten Warnstreiktag, dem gestrigen Donnerstag, unterzeichneten Verdi und die BVG ein Schlichtungsvereinbarung und einigten sich auf zwei Schlichter: den ehemaligen Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow (Linkspartei) für die Verdi-Seite und Mathias Platzeck (SPD), ehemaliger Ministerpräsident von Brandenburg, für die Arbeitgeberseite.

Das Aktionskomitee Verkehrsarbeiter, das an den Warnstreiks teilgenommen hat, sprach mit Streikenden, die sich vor der Hauptverwaltung der Berliner Verkehrsbetriebe versammelt hatten.

Viele BVG-Beschäftigte äußerten sich sehr besorgt über die Schlichtung, die schließlich den Abbruch jeglicher Kampfmaßnahmen bedeutet. Sie hatten gerade ihre Stimme in der Urabstimmung für einen Vollstreik abgegeben, um ihre mehr als berechtigten Forderungen gegen die Arbeitgeberseite zu erzwingen.

Die Einigung auf ein Schlichtungsverfahren kam ohne Mandat zustande. Während sich Verdi in den seit Dezember 2024 stattfindenden Tarifverhandlungen ganz demokratisch gab und unter den Mitgliedern die Bereitschaft für jeden Warnstreik im Vorfeld durch Umfragen bestätigen ließ, erfuhren die Kolleginnen und Kollegen von dem geplanten Schlichtungsverfahren erst durch die Presse.

Mit der Schlichtungsvereinbarung führt die Urabstimmung nicht zum Streik, sondern ist bloßes Druckmittel in der Schlichtung. Anschließend findet kein Streik statt, sondern eine erneute Abstimmung über das Schlichtungsergebnis. Dort würden dann aufgrund der Kopplung mit der gelaufenen Urabstimmung für einen Streik 25 % der Verdi-Mitglieder, also rund ein Achtel der BVG-Kolleginnen und -Kollegen, ausreichen, um das Ergebnis anzunehmen.

Auch in den Chatgruppen der BVG-Beschäftigten wird die Einigung auf das Schlichtungsverfahren intensiv diskutiert.

E.F. schreibt: „Ich kenne keinen, der bzgl. der Schlichtung befragt wurde. Wurde auch von Verdi abgeblockt, das dies beabsichtigt wird. Natürlich hab ich erstmal blöd geschaut, als ich das aus den Medien erfuhr.“

Auch D.B. kritisiert: „Es hieß von Anfang an, dass wir (Verdi- Mitglieder) in diesem Konflikt durch Abstimmungen das Sagen haben. In dieser Sache, der Schlichtung wurden wir allerdings nicht befragt.“ Weiter schreibt er, dass also „nach Ende der Urabstimmung, wenn das derzeitige [Arbeitgeber-]Angebot zu 75 Prozent abgelehnt werden würde“, durch die Friedenspflicht während des Schlichtungsverfahrens „keine Chance“ bestünde, „den Arbeitgeber/Senat weiter unter Druck zu setzen. „Es wurde uns allerdings von Anfang an durch Verdi suggeriert, den Senat, notfalls mit unbefristetem Streik, zu einem akzeptablen Ergebnis zu bewegen.“

Mehrere Busfahrer vom Betriebshof Müllerstraße, die an der Streikkundgebung teilnahmen, erklärten im persönlichen Gespräch mit Andy Niklaus, dem Sprecher des Aktionskomitees Verkehrsarbeiter: „Eine Schlichtung muss verhindert werden, denn das würde doch bedeuten, dass sie uns hintenrum einen schlechten Tarifvertrag verpassen und uns wieder betrügen können.“

Niklaus warnte, dass der Tarifkampf „einen kritischen Punkt erreicht“ habe. „Immer schärfer stellt sich die Frage: Einknicken mit einem schlechten Tarifabschluss als Ergebnis einer Schlichtung oder unbefristeter Vollstreik aller BVG-Beschäftigten.“

Niklaus betonte in verschiedenen Diskussionen, dass das Schlichtungsverfahren die Kampfbereitschaft der Mitarbeiter durch die Friedenspflicht eindämmen und mit einer Nachrichtensperre jegliche Kommunikation verhindert werden solle.

Das sehen auch sehr viele der Kollegen so, wie Elio K., der meinte: „Du hast recht, die Schlichtung muss gestoppt werden!“. Er befürchte: „Die werden uns wieder ausverkaufen, einen miesen Abschluss wie in der Vergangenheit machen.“

Andere Kollegen wie Hikmat betonten, dass „der Kampf entscheidet“, ob die berechtigte Lohnforderung durchgesetzt wird. „Wir dürfen uns das diesmal nicht gefallen lassen. Es steht zu viel auf dem Spiel.“

„Die Schlichtung muss verhindert werden, denn die bedeutet doch eins: Das wir nichts mehr zu sagen haben und keinen wirklichen Einfluss auf das Ergebnis der Schlichtung“ haben werden, so N.P.

Niklaus warnte: „Die Urabstimmung für einen unbefristeten Vollstreik wollen die Funktionäre für einen Deal missbrauchen. Manuel von Stubenrauch, Sprecher der Verdi-Tarifkommission hat selbst gesagt: ‚Jede Stimme für einen unbefristeten Streik… und jeder starke Streiktag verbessert‘ unsere ‚Position am Verhandlungstisch in einer – Schlichtung‘.“

„Wir vom Aktionskomitee sagen NEIN! Die Urabstimmung ist kein Verhandlungsmanöver!“, so Niklaus. Das Aktionskomitee fordert die Kolleginnen und Kollegen auf, die Schlichtung zu stoppen und Verdi zu zwingen, einen unbefristeten Vollstreik zu organisieren.

Das bedeute: „Die Streikentscheidung muss auch gegen die Verdi-Bürokraten durchgesetzt werden. Dazu ist der Aufbau unseres Aktionskomitees Verkehrsarbeiter ein wichtiger Schritt“, so Niklaus in seiner Rede.

In dem Statement „Stoppt die Schlichtung! Zwingt Verdi einen unbefristeten Vollstreik zu organisieren!“, das Niklaus und Unterstützer des Aktionskomitees auf der Streikkundgebung massenhaft verteilten und das auf reges Interesse stieß, werden auch die politischen Dimensionen betont, mit denen die BVG-Beschäftigten in ihrem Tarifkampf konfrontiert sind:

Die gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD zur Bildung der Merz-Regierung sollen nicht unter dem Druck unseres Streiks stattfinden, denn beide Parteien haben bereits angekündigt, dass sie massive Sozialangriffe planen, um die Aufrüstung und die beschlossenen Kriegskredite in Billionenhöhe zu finanzieren.

Es soll verhindert werden, dass wir einen erfolgreichen Arbeitskampf führen und unsere berechtigten Forderungen höher stellen, als die Profitinteressen der Aktionäre und die Kriegspolitik der Regierung. Angesichts der gleichzeitigen Tarifauseinandersetzung für die 2,4 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst und den anhaltenden Entlassungen in der Auto- und Zulieferindustrie hat unser Tarifkampf Signalwirkung. Die Regierung befürchtet, dass er zum Auftakt eines umfassenden Widerstands wird. Deshalb sollen wir gezwungen werden, die Schlichtung zu akzeptieren und auf den größten Teil unserer Forderungen zu verzichten.